Politica | EU Wahlen 2014

Johann Gruber: "Mehr Solidarität, weniger Troika"

Der Bozner Johann Gruber kandidiert auf der Liste von “Italia dei Valori” für das Europaparlament. Seine Chancen, gewählt zu werden, schätzt er zwar als gering ein; doch wolle er auf diese Weise einen Beitrag für mehr Demokratie leisten.

Herr Gruber, wie ist denn Ihr Europa-Wahlkampf gelaufen?

Johann Gruber: Recht gut, würde ich sagen, ich konnte meine Themen platzieren und den Bürgern meine Kandidatur erklären, ich komme etwa gerade von einem Gespräch mit Eberhard Daum für die Südtiroler Tageszeitung, zu dem alle Südtiroler Kandidaten geladen waren, also Herbert Dorfmann, Pius Leitner, Oktavia Brugger und ich. Leider habe ich aber auch erlebt, dass man mich zu solchen öffentlichen Auftritten erst gar nicht eingeladen hat, die RAI etwa oder auch die ff, das Wochenmagazin. Das finde ich nicht korrekt.

Warum glauben Sie, wurden Sie bei manchen Anlässen nicht eingeladen?

Ich weiß es nicht, es ist auf alle Fälle unfair, mir und meiner Partei gegenüber.

Wofür stehen denn Sie und Ihre Partei, Italia dei Valori in diesem Europawahlkampf?

Wir wollen eine EU, die vor allen Dingen eine Solidargemeinschaft ist, eine EU die sich um das soziale Gefüge im großen Europaraum kümmert. Derzeit haben wir vor allem eine auf Pflicht und Schuld aufgebaute Europäische Union, die sich in erster Linie durch die gemeinsame Finanz- und Wirtschaftskrise definiert. Wenn man etwa das Verhältnis Deutschland und Griechenland anschaut, bzw. wie Griechenland von der sogenannten Troika in die Mangel genommen wurde. Ich bin überzeugt, dass es auch anders gegangen wäre.  Wie beispielsweise in Argentinien, wo es vor einigen Jahren einen Staatsbankrott gegeben hat; dort hat sich die Wirtschaft und die Gesellschaft wieder erholt und Argentinien ist ein ein freier Staat geblieben. 

Trotzdem hat die EU solidarisch reagiert, und hat Griechenland nicht fallengelassen...

Aber man muss sich anschauen zu welchem Preis für die Griechen. Meiner Meinung nach hätte die EU Griechenland ruhig aus dem Euro-Raum ausscheiden lassen können, und trotzdem finanziell unter die Arme greifen können. Die harte Währung erlegt den südeuropäischen Staaten unglaubliche Pflichten auf, die sie nicht aufbringen können. Die europäische Währungspolitik ist meiner Meinung nach verfehlt; seit einigen Jahren schon werden Gelder aufgewendet, um den Finanzsektor, die Banken zu stützen. Besser wäre es, diese Summen in den Sozialstaat zu investieren.

Meinen Sie mit Sozialstaat den eines gemeinsamen Europas oder jenen der einzelnen EU-Mitglieder?

Ich bin dafür, dass Europa solidarischer und sozialer wird, aber das heißt nicht, dass alle Mitgliedsländer dieselben Regeln einführen sollen. Ein Europa der Gleichmacherei und der Normierungswut ist für mich der absolut falsche Weg. Vor allem wenn es um gesellschaftliche Themen wie Adoption, Schwulenehe, Euthanasie oder Schwangerschaftsunterbrechung geht. Das sollte jeder Staat für sich entscheiden, wie er diese heiklen Dinge regelt. 

Sie kandidieren für eine in letzter Zeit arg gebeutelte und in Südtirol kaum präsente Partei, Italia dei Valori, wie Sind Sie dazu gekommen?

Ich war ursprünglich Mitglieder der Demokratischen Partei, neben anderen wie Markus Lobis, Karl Berger oder Roland Girardi; de facto hat sich diese Partei aufgelöst, ich aber wollte weiterhin parteipolitisch aktiv bleiben und bin 2008 zu Italia dei Valori gestoßen, die damals noch ein ganz anderes Ansehen hatte. Damals hat auch zum Beispiel der Publizist Georg Schedereit für uns kandidiert, wer sich erinnern will. Natürlich hat die Partei in letzter Zeit große Einbrüche erlebt, und mit dem Rücktritt von Antonio Di Pietro ist auch das bekannteste Gesicht verloren gegangen. Trotzdem stehe ich zu den Werten dieser Partei, ich bin keiner, der davonläuft wenn die Zeiten auf Sturm stehen.

Aber Sie rechnen nicht damit, die notwendige 4%-Hürde zu erreichen?

Das wird schwierig werden, diese Hürde zu überspringen. Das ist mir schon klar. Manche sagen, wir kämen auf 1 oder 2%, wer weiß? Aber auch in einem so scheinbar aussichtslosen Fall mache ich Wahlkampf, einfach um für mehr Demokratie einzustehen.

Würden Sie gewählt, in welchem Bereich könnten Sie sich vorstellen auf EU-Ebene mitzuarbeiten?

Ich würde gerne im Sozialausschuss mitarbeiten, das wäre mir am liebsten, aber aufgrund meiner Ausbildung könnte ich mir auch den Rechtsausschuss vorstellen. Fraktionsmäßig sehe ich mich am besten bei der Mitte-Links-Fraktion aufgehoben.

Wie werden Sie den Wahlsonntag bzw. den Montag darauf verbringen?

Ganz normal, bei meiner Familie, wir wohnen am Bozner Boden und nach dem Wahlgang werden wir sicherlich einen Ausflug machen. Am Montag habe ich zu arbeiten, in der Gerichtskanzlei, es gibt wichtige Verhandlungen bei denen ich als Präsident zugegen sein muss. Aber natürlich bin ich telefonisch erreichbar.

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Johann Gruber Sab, 05/24/2014 - 19:00

Nur eine kleine Richtigstellung:
Was die Einladung zu öffentlichen Auftritten betrifft, so habe ich die RAI (RAI Südtirol, sowohl Radio als auch Fernsehen) ausdrücklich von meiner Kritik ausgenommen: Die RAI war immer sehr korrekt, hat sich an das "Par-Condicio-Gebot" gehalten und mich gleichberechtigt mit den anderen 3 Südtiroler Kandidat/inn/en eingeladen.

Sab, 05/24/2014 - 19:00 Collegamento permanente