Società | Twitter-Debatte

Manipulationsversuch an Bozner Schulen?

Hart ins Gericht geht Luigi Spagnolli mit den Vorwürfen, die Gemeinde finanziere "Gender-Propaganda". Unverständnis auch bei Centaurus: "Besorgniserregende Homophobie."

Auf welche Werte setzen wir in unserer Gesellschaft heute? Eine Frage, die nicht nur im Hinblick auf die anstehenden Gemeinderatswahlen immer wieder für neuen Gesprächs- und Zündstoff sorgt und die Wogen hoch gehen lässt. Wie ein hochaktuelles und -brisantes Thema zeigt.

La Manif Pour Tous Italia ist ein Ableger der gleichnamigen französischen Bewegung, die 2012 als Reaktion auf die gleichgeschlechtliche Ehe und Adopotionsrecht für gleichgeschlechtliche Paare ins Leben gerufen wird. La Manif Pour Tous, zu deutsch “Die Demo für Alle” setzt sich für den Schutz und die Förderung der traditionellen Familie und gegen die gleichgeschlechtliche Ehe, Regenbogenfamilien und Gender-Theorien ein. Seit September 2013 gibt es die Bewegung auch in Italien, wo es mittlerweile knapp fünfzig “circoli territoriali” gibt. Einen davon in Bozen.

Gender-Propaganda – was soll das sein?

Ebenfalls ihren Sitz in Bozen hat die Vereinigung Centaurus. Gegen alltägliche Diskriminierung und für die gesellschaftliche Akzeptanz homosexueller und transgender Menschen setzt man sich dort unter anderem ein. 2012 wird von Centaurus und der Gemeinde Bozen ein Einvernehmungsprotokoll unterschrieben, mit dem Ziel, den Dialog zu fördern, Vorurteile abzubauen und Bürgerrechte zu verteidigen. Unter anderem sind in der Vereinbarung die Umsetzung gemeinsamer Initiativen vorgesehen, eines davon ist das Projekt “Peer Education”. Unter der Schirmherrschaft von Centaurus und der Gemeinde Bozen, läuft dieses seit Herbst 2014 an verschiedenen Bozner Schulen – finanziert von öffentlicher Hand. Junge Leute erzählen aus ihrem Leben und reden über persönliche Erfahrungen mit ihrer schwulen, lesbischen und/oder transgender Identität. Im Vorfeld des Projekts hat Centaurus auf seiner Homepage junge Menschen zwischen 16 und 20 Jahren gesucht, die “geoutet, selbstbewusst und bereit” seien, mitzuhelfen, an Schulen und in Jugendeinrichtungen Vorurteile über Homo- und Transsexualität unter Jugendlichen abzubauen.

Vor allem im Schul- und Jugendalter leiden die jungen Erwachsenen unter ihrer sexuellen Orientierung und Identität.

Der Aufschrei folgt prompt: “Öffentliche Gelder werden für die Finanzierung von Gender-Propaganda verwendet und dabei junge Menschen für die Verbreitung eines ausschließlich homosexuellen Modell von Sexualität angeworben”, so heißt es sofort nach Bekanntmachung des Projekts im Oktober 2014. Ein Appell geht an die Verwaltung der Stadt Bozen und ihren Bürgermeister. Nach ausbleibender Reaktion nimmt sich Manif Bolzano nun die Gemeinderatswahlen als Anlass, um auf Twitter erneut mit Nachdruck eine Stellungnahme vom Bozner Bürgermeister einzufordern:

Dieser lässt die Vorwürfe nicht auf sich sitzen und antwortet umgehend. “Gender-Propaganda? Was soll das sein? Was es hingegen gibt ist die Diskriminierung Homosexueller. Manif Bolzano scheint sich dessen aber nicht bewusst zu sein”, so die forsche Antwort Spagnollis.

Die Befürchtung von Manif Bolzano: Junge Menschen “ohne jedwede Qualifikation” würden an den Schulen ihre sexuelle Orientierung und ihre an Gender-Ideologien orientierte Überzeugung unkontrolliert vertreten können und dabei eine “ausschließlich homosexuelle Vision der Sexualität” verbreiten. Auch die Freiheitlichen hatten vor einigen Monaten auf die “vermehrt an Schulen angeworbenen Gender-Ideologien” hingewiesen und vor den “manipulierenden Auswirkungen auf die Identität und Entwicklung von Kindern und Jugendlichen” gewarnt.

“Das Maß an Homophobie im Land ist besorgniserregend.” (Andreas Unterkircher)

Centaurus weiß Spagnolli hinter sich

“Unser Projekt hat mit Gender-Ideologien nichts zu tun, sondern es geht darum, aufzuzeigen, dass homosexuelle und transgender Menschen ganz normale Leute sind”, stellt Andreas Unterkircher klar. Der Präsident von Centaurus weiß, dass vor allem im Schul- und Jugendalter die jungen Erwachsenen unter ihrer sexuellen Orientierung und Identität leiden. “Und gerade deshalb ist Peer-Education ein sehr wichtiges Projekt, auf das wir stolz sind”. Mittlerweile hat sich eine Gruppe von sechs, sieben Jugendlichen gefunden, die dem Aufruf von Centaurus gefolgt und in Eigeninitiative an den Schulen unterwegs sind. Den Vorwurf von Manif Bolzano, dass diese jungen Leute praktisch ohne jegliche Qualifikation auf die Schüler und Schülerinnen losgelassen würden, lässt Unterkircher nicht gelten: “Bevor die Schulbesuche stattfinden werden die Freiwilligen professionell darauf vorbereitet. Es gibt mehrmals Workshops, die vom Sexualpädagogen Michael Peintner betreut werden.” Das Projekt läuft, und wie: “Unser Terminplan ist voll”, freut sich Unterkircher. Und doch bleibt ein bitterer Beigeschmack: “Das Maß an Homophobie im Land ist besorgniserregend.”

Der Schlagabtausch zwischen Manif Bolzano und Luigi Spagnolli ist inzwischen nicht unbeobachtet geblieben. Der junge UDC-Sekretär Angelo Gennaccaro hat sich in die Twitter-Diskussion eingeschaltet. Als angehender Bozner Bürgermeisterkandidat und bekanntlicher Sympathisant und Unterstützer des Vereins stellt sich Gennaccaro hinter die Forderungen von Manif Bolzano. Andreas Unterkircher hingegen unterstreicht die guten Beziehungen, die Centaurus zur Gemeinde Bozen pflegt und ist “zuversichtlich, dass die Stadtverwaltung voll auf unserer Seite steht”. Das dem wohl so ist, zeigt die jüngste Antwort des Bozner Bürgermeisters auf Twitter:

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Paul Stubenruss Mar, 03/03/2015 - 19:16

Eine Annahme: Ein Paar, welcher sexueller Orientierung auch immer, möchte gerne Straßenkinder aus Rumänien, die in der Kanalisation leben, adoptieren. Laut Gegner der gleichgeschlechtlichen Ehe sollte dies nicht zulässig sein und genannte Kinder sollten in den Kanalisationen verbleiben. Bitte um Stellungnahme der Gegner einer sexuell offenen Gemeinschaft und frage dazu gleich ob sie bereit wären, solche Kinder auf zu nehmen, sie können es gleich tun. War nur eine Frage und kann hier gerne diskutiert werden.

Mar, 03/03/2015 - 19:16 Collegamento permanente