Società | Diskussionsabend

Der Linken auf der Spur

Während die Rechten europaweit für Gesprächsstoff und Wahlerfolge sorgen, scheint die Frage angebracht: "Wo oder was ist heute noch 'links'?"

Ungarn, Polen, Österreich, Dänemark, Schweden, Deutschland, Italien und nicht zuletzt Frankreich. Was all diese Länder gemeinsam haben? Sie erleben derzeit einen Aufschwung rechter, rechtspopulistischer und rechtsextremer Bewegungen und Parteien. Flüchtlingsströme, Terroranschläge und eine immer weiter auseinander klaffende Schere zwischen Arm und Reich bieten den idealen Nährboden für die Rechten. Die Lösungen, die sie anbieten sind meist ebenso simpel wie radikal. Allerdings gelingt es ihnen, zahlreiche verunsicherte, empörte und unzufriedene Bürgerinnen und Bürger mit ihren (vermeintlichen) Ängsten und Sorgen in ganz Europa aufzufangen – etwas, woran die Linke zu scheitern scheint. Wenig anders ist es in Südtirol. Wo die Rechtspopulisten der Lega Nord und Freiheitlichen mit platten Sprüchen und Slogans recht erfolgreich auf Stimmenfang, insbesondere unter der jüngeren Generation, gehen.

Es dürfte also ziemlich klar sein, was und wo ‘rechts’ ist. Wohingegen das Gespür für die Frage “Wo beziehungsweise was ist ‘links’?” verloren gegangen scheint. Gibt es ‘die Linke’ noch und was sind ‘linke’ Ideale? Am vergangenen Mittwoch Abend versuchte man im Meraner Ost West Club, Antworten zu geben. Geladen waren zum Zigori Club, der wie immer von Markus Lobis moderiert wurde, der Politologe und Meinungsforscher Hermann Atz sowie David Augscheller. “Der letzte Kommunist des Landes” wurde der Meraner Oberschullehrer von einigen Medien getauft. Er sitzt seit knapp zehn Jahren im Meraner Gemeinderat, zunächst für die Rifondazione Comunista, derzeit für die Ökosoziale Linke.

Unterschiedliche Gäste, unterschiedliche Meinungen. Markus Lobis zwischen Hermann Atz (links) und David Augscheller (rechts).
 

Keinen Bock auf Links und Rechts?

In Südtirol, so Atz, werbe kaum jemand im Wahlkampf mit den Kategorien “links” und “rechts”. Zurückzuführen sei das darauf, dass vor allem die deutschsprachigen Südtiroler weder das eine noch das andere sein wollten. “‘Links’ und ‘rechts’ sind verpönt unter der Mehrheitsbevölkerung. Diese will ‘Mitte’ sein”, erklärte Atz. Zu sehen sei diese Tendenz auch in der Politik selbst: “Es geht heute viel mehr um Personen, Tagesthemen und weniger um Programme oder größere Zielvorstellungen. Und auch die Wähler entscheiden nach Interessen und laufen oft den größten Schreihälsen nach.” Eine Entwicklung, die Atz vom “Ende der Ideologien” sprechen lässt. Wenig einverstanden damit zeigte sich David Augscheller. Für ihn steht fest: Die Konzepte von ‘rechts’ und ‘links’ sind keinesfalls überholt.

Die Linken bewegen sich schon in der Nähe einer Religion: Es gibt immer jemanden, der sagt: “Du bist von der Linie abgewichen” und sich selbst als die “wahre Linke” sieht. (Atz)


Eine Minderheit, die keine sein will

Es gebe einige grundlegende Werte, die zum ‘links Sein’ gehörten, so Augscheller: “Freiheit – die meine, aber auch die der anderen –, sich zu entwickeln und Interessen zu verfolgen; soziale Gerechtigkeit; eine antipatriarchalische – im Sinne von antihierarchische – Einstellung; radikaler Pazifismus.” Auf Basis dieser Werte gelte es heute für die Linken, sich mit der Gesellschaft zu wandeln und sie konkret zu verändern – immer vor dem Hintergrund, dass es auch heute in erster Linie “Ausgebeutete und Ausbeuter” gebe und die eigentlichen Verursacher der globalen Krisen als Profiteure aussteigen. Keine Sozialutopie, sondern konstruktive Vorschläge brauche es und diese kämen sehr wohl aus den Reihen linker Parteien und Bewegungen, europaweit. “Es gibt seit eh und je konkrete Vorschläge, um die Gesellschaft im Sinne einer gerechten Gesellschaft zu ändern. Daher wundere ich mich über die Vorwürfe, dass die Linken nur Bla Bla Bla redeten”, so Augscheller.

Die Politik heute repräsentiert vor allem Ohnmacht und nicht Macht. (Atz)

Warum es insbesondere in Italien für die Linken nicht mehr wirklich zu klappen scheint, führt er auf das italienische Wahlsystem zurück, das das Zentrum favorisiere. Die mäßigen Erfolge auf europäischer Ebene erklärt er hingegen folgendermaßen: “Linke Positionen fordern vom Einzelnen aber mehr, falls die umgesetzt werden, als rechte Positionen”, die Meinung der Meraner Gemeinderats. Wohl auch aus diesem Grund müsse Augscheller eingestehen, dass seine Ideen “nicht mehrheitsfähig” seien, hielt Hermann Atz entgegen: “Das ist das eigentliche Problem der Linken: Sie haben kein Programm, das mehrheitsfähig ist”. Die von seinem Gegenüber aufgezählten Grundwerte seien sicher zustimmungswürdig, so der Politologe. Doch insgesamt basierten die Ideen der Linken auf einem geschlossenen Wertesystem. “Während die Konservativen Zweckbündnisse eingehen und nach praktischen Lösungen suchen, bleiben die Linken weiterhin in einem geschlossenen Weltbild verhaftet, wo jeder meint auf der richtigen Seite zu stehen und es deshalb eine Abspaltung nach der anderen gibt”, meinte Atz.

Ich halte die Populisten für gefährlicher als den IS. (Augscheller)

Der bediente damit nur ein erstes Klischee, das den Linken bislang nur schwerlich gelungen ist, abzustreifen. Denn als Augscheller infolge einer Wortmeldung aus dem Publikum einen Versuch startete, einen weiteren Vorbehalt gegen die Linken, nämlich jenen, dass Kommunismus mit Faschismus gleichzusetzen sei, zu entkräften (“Kommunismus wie er etwa unter Stalin praktiziert wurde, hat Ausbeutung, Ungerechtigkeit und Gewalt produziert. Faschismus andererseits definiert sich per se durch Gewalt und dadurch, dass er die Schwächeren ausschließt”), ließ Atz eine knappe Bemerkung fallen: “Das beweist wieder einmal, dass die Linke in ihrer schlimmsten Entartung immer noch besser sein soll als die Rechte in ihrer schlimmsten Entartung.” Entrüstung auf der anderen Seite. “Ich verwehre mich absolut gegen eine Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus”, unterbrach Augscheller den Politologen.


Unsichtbare Hände

Es war nicht das einzige Mal, dass sich die beiden Diskussionspartner im Laufe des Abends uneins waren. Eine seltene, wenn auch nicht explizite Einigkeit herrschte dann darüber, dass die Politik und mit ihr die Menschen heute von etwas bestimmt werden, auf das sie selbst keinen Einfluss haben. “Gremien wie die EZB, Weltbank, WTO oder Industriellenverband machen den europäischen Regierungen, die – ob links oder rechts – unterm Strich alle dieselben Politiken betreiben, Vorgaben. Gremien, die nicht gewählt sind, aber die den Alltag aller bis ins kleinste Detail bestimmen”, so die Ausführungen Augschellers. Etwas gemäßigter, aber nicht weniger deutlich die Worte Atz’: “Die Politik befindet sich heute insgesamt in einer Krise, sie muss immer wieder nur reagieren anstatt zu agieren. Das Problem ist, dass sie nichts mehr zu sagen hat und so tut, als ob sie nur Sachzwängen beziehungsweise dem ‘Druck der Märkte’ folgen müsste.”

Links sein heißt letztendlich, sich intellektuelle Instrumente, sprich, Ideologien, anzueignen, um die Welt zu interpretieren. Nur dadurch kann man sie auch verändern. (Augscheller)


Das letzte Wort ist noch nicht gesprochen

Für den “letzten Linken des Landes” Augscheller kein Grund, seinen Einsatz in Frage zu stellen oder gar aufzugeben. “Denn was ist die Alternative zum politischen Engagement?”, seine rhetorische Frage. Man müsse sich rückbesinnen, auf die Zeiten, als die Parteien (Augscheller nannte PCI und DC als Beispiele) Momente der Konfrontation ermöglichten, wo man sich zusammen setzte und austauschte. Das sei abhanden gekommen und einem hektischen, unreflektierten und unfreien Leben gewichen. Daher sei es heute umso wichtiger, sich politisch und ‘links’ zu engagieren, sich als Linke ständig kritisch zu hinterfragen und alte Instrumentarien an die Gegenwart anzupassen. In diesem Sinne forderte Augscheller eine “Neuentdeckung Marx’”, den er für “unmöglich spannend” hält. Den Meraner Gemeinderat selbst nannte Hermann Atz in der Schlussrunde der Diskussion einen “Missionar seiner Sache”, er habe sich gefreut, den “letzten Kommunisten” kennenzulernen. Als Außenstehender stelle sich ihm allerdings nach wie vor die Frage, wie die Linken ihr eigentliches Projekt durchbringen wollen. Er sieht zwei Möglichkeiten: “Entweder sie bleiben konsequent und systemkritisch. Oder aber sie fragen sich, ob es nicht die Möglichkeit gäbe, mit wichtigen Programmpunkten mehrheitsfähig zu werden.”

Ganz klar war dann schließlich auch am Ende des Zigori Clubs nicht, was und wo denn ‘links’ nun genau ist. Doch zumindest lieferte die lebhafte Debatte, auch mit dem zahlreich anwesenden Publikum, den Beweis, dass es eine Menge Diskussionsstoff gibt – und eine Menge Leute, die Lust haben, mitzudiskutieren. Denn das machen die Linken bekanntlich leidenschaftlich gerne. Wenn sie dabei nur nicht die Zeit vergessen.

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gorgias Lun, 12/14/2015 - 17:24

Unter dem Publikum war auch ein Gewerkschaftler der die linken Träume von David Augscheller immer wieder mit nüchternen Kommentaren zum Plätzen brachte.

Der Abend hätte informativer sein können. Für mich war Hermann Atz der einzige Sachkundige zum Thema, der aber irgendwie es nicht schaffte aus sich heraus zu kommen und irgendwie von den Schwärmereien David Augschellers sich einschüchtern ließ.
Augscheller sprach davon, dass die Linke für Freiheit steht. Ein Sachkundiger aus dem Publikum erwiderte korrigieren, dass die Linke traditionell für Gleichheit stehe und Freiheit von der Rechten proklamiert wird.
David Augscheller war im Grunde nur soweit interessant, als Exponat einer aussterbende Spezies von Linken, die in ihren Theorien leben. Gut dazu passt auch seine Berufswahl als Lehrer. Dorrt wird er auch nur marginal mit der Realität konfrontiert.

Lun, 12/14/2015 - 17:24 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Lun, 12/14/2015 - 17:52

“Ich verwehre mich absolut gegen eine Gleichsetzung von Kommunismus und Faschismus”
Hier verabschieden sich alle "Linkslinken" klar und deutlich vom rationellen Denken und begeben sich in die Welt des dogmatischen ja fast religiösen Glaubens. Der Kommunismus ist in seiner Natur genau so gewalttätig wie der Faschismus lediglich das Opfer der Gewalt ändert sich.
Die Geschichte, dass in Italien linke Kräfte nicht an die Macht kommen weil das Wahlgesetz dran Schuld sein soll, ist das Sahnehäubchen! Jeder der sich nur ansatzweise mit italienischer Politik befasst, weiß genau dass das absoluter Schwachsinn ist. Die kommunistische Partei war zu den Zeiten von Tangentopoli genau so korrupt wie Craxis PSI, von der DC die heute noch als rechte Hand der Mafia gilt reden wir erst gar nicht. Seit dann, in den Neunzigern, Berlusconi auf der Bildfläche erschienen ist, waren die ex und neuen Kommunisten stets damit beschäftigt untereinander zu streiten, wenn sie nicht gerade dabei waren mitte-links Regierungen zu erpressen bzw. zu stürzen. Aber fett abkassieren tun sie heute alle noch!

Lun, 12/14/2015 - 17:52 Collegamento permanente
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gorgias Lun, 12/14/2015 - 18:17

In risposta a di Mensch Ärgerdi…

Es fehlte nur noch dass am Ende die Wähler daran schuld sind . . .

Was aber das theoretische Fundament angeht sind Faschismus und Kommunismus nicht vergleichbar. Mit Marx kann man sich ruhig kritisch auseinander setzen, der Faschismus kann hier höchstens eine Form von Vulgärdarwinismus kombiniert mit einer Esoterischen Rassenlehre bieten und die Verherrlichung der Gewalt.

Lun, 12/14/2015 - 18:17 Collegamento permanente
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Kommentar Komm… Lun, 12/14/2015 - 23:15

@Gorgias: Die Freiheit gehört nicht den Rechten. Wenn von rechts von Freiheit die Rede ist, dann geht es meist um ökonomische Freiheiten, die Freiheit des Marktes und des Privateigentums, aber nicht um Lebensweisen etc. Das Verhältnis der Rechten zur Freiheit lässt sich auch in aktuellen Debatten gut beobachten, wenn es um Fragen der Sicherheit geht. Inwiefern ein Lehrer nur marginal mit der Wirklichkeit konfrontiert ist, müssten Sie mir bitte erklären. Abgesehen davon ist David Augscheller schon lange politisch tätig, ist diese Sphäre für Sie ebenfalls realitätsfern? Welche Berufe (außer Notarzt) bieten Ihrer Meinung nach realitätsnahe Erfahrungen?
@ Mensch ärgere dich... danke, dass Sie mir die Geschichte der Linken in Italien so ausführlich in 3 Sätzen erklärt haben. Das lässt auf eine differenzierte Sichtweise schließen. Bei Marx führt die Ungleichheit und Unzufriedenheit der Masse fast automatisch, ja reflexartig zur Revolution, die in der Diktatur des Proletariats mündet. Alles darüber hinaus ist Neomarxismus und Marx war kein Marxist. Oder hat er die Antistreichelzoodiktatur näher beschrieben? Ich lasse mich gerne eines Besseren belehren. Vielleicht in 3 Sätzen?

Lun, 12/14/2015 - 23:15 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mar, 12/15/2015 - 09:41

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Bitte, keine Ursache! Man könnte höchstens noch ein wenig über der Inkompetenz und Unfähigkeit des linken Haufens berichten, sehen Sie sich mal im Internet um was Frührentner und heutiger SEL-Chef Vendola alles so verbockt hat.
Meines Wissens erläutert Marx nicht im Detail wie seine Diktatur des Proletariats auszusehen hat, wahrscheinlich war ihm das dann doch zu unangenehm. Nennen wir es mal intellektuelle Schüchternheit (wahrscheinlich wäre aber Feigheit angebrachter).

Mar, 12/15/2015 - 09:41 Collegamento permanente
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Kommentar Komm… Mar, 12/15/2015 - 12:02

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Dann muss ich mich ja erneut für dieses fundierte Psychogramm von Marx bedanken.
Sie empfehlen mir also das Internet für eine unvoreingenommene Recherche? Was soll ich denn dann als Suchbegriff eingeben?
Was ich noch ergänzen möchte: Die Rassenlehre zielt auf eine Hierarchisierung und Herrschaft der einen über die andere Rasse ab. Die Klassenlehre ist ein analytisch theoretisches Konzept und bei Marx geht es konkret um die Aufhebung der Klassen. Die Revolution - und da muss ich mich selbst korrigieren - mündet nicht in der Diktatur des Proletariats, sondern führt letztlich zu einer klassenlosen Gesellschaft.
PS: korrekt wäre DIE "Inkompetenz und Unfähigkeit des linken Haufens", wobei Inkompetenz und Unfähigkeit eigentlich dasselbe bedeuten. Die Formulierung "linker Haufen" lässt durchblicken zu welchem Haufen Sie gehören.

Mar, 12/15/2015 - 12:02 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mar, 12/15/2015 - 12:35

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Wie die Aufhebung der Klassen dann vollzogen worden ist wissen wir ja alle. Keiner behauptet dass die Rassenlehre auch nur ansatzweise richtig ist, aber jeder Mensch mit Verstand sieht ein, dass die Schlussfolgerung der Klassenlehre nichts anderes als Gewalt hervorbringen kann. Letztendlich unterscheiden sich die beiden Lehren nicht groß von einander: der andere, ob mit anderer Hautfarbe oder hohen Kontostand, gehört weck weil er nicht würdig ist Teil der angestrebten perfekten Gesellschaft zu sein.
Ich habe von linken Haufen gesprochen nur weil das gerade hier Thema war, bei Gelegenheit können wir uns auch gerne über den rechten Haufen austauschen, da gibt es auch allerhand zu lachen.

Mar, 12/15/2015 - 12:35 Collegamento permanente
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Sepp Bacher Mar, 12/15/2015 - 14:36

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Nicht nur die sozialistische Revolution ist im Vergleich zu ihren Idealen gescheitert, sondern ebenso z. B. die französische. Greueltaten und Gewalt zu Beginn; Diktatur, Kaiserreich, Kriege über den ganzen Kontinent, erneute Revolutionen. gewaltsame Unterwerfung eines Drittels des schwarzen Kontinents, Versklavung und Ausbeutung der betroffenen Völker. Da hat wohl kaum jemand etwas von Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit mitgekriegt. Das kapitalistische System ist eben wirtschaftlich erfolgreicher; viel besser ist es wohl nicht!

Mar, 12/15/2015 - 14:36 Collegamento permanente
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gorgias Mar, 12/15/2015 - 12:45

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Inwiefern ein Lehrer nur marginal mit der Wirklichkeit konfrontiert ist, müssten Sie mir bitte erklären.

Wenn ich das Buch Anna, die Schule und der liebe Gott von Richard David Pracht fertig gelesen habe, dann mache ich vielleicht noch ein Statement.

Was ich aber schon jetzt dazu sagen kann ist, dass die Schule im Grunde ein hermetisch abgeschlossenes Soziotop ist, das seine eigene Logik verfolgt und nicht fähig ist auf das Leben vorzubereiten.

Das ursprüngliche Zitat war von Seneca, das später verdreht wurde : Non vitae, sed scholae discimus

Das haben wir doch alle schon geahnt als wir selbst in der Schule waren, oder?

Mar, 12/15/2015 - 12:45 Collegamento permanente
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Kommentar Komm… Mar, 12/15/2015 - 13:14

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Die Theorie des geschlossenen Soziotops lässt sich auf sehr viele gesellschaftliche Sphären anwenden, leider können wir hier jetzt nicht ausführlich über das Schulsystem diskutieren. Den (teils sehr großen) Schwächen des Systems sind sich sehr viele Lehrerinnen und Lehrer aber sehr wohl bewusst. Danke für Ihre Antwort, ich war an Ihrer Meinung interessiert. Von Richard David PrEcht halte ich leider nicht sehr viel.

Mar, 12/15/2015 - 13:14 Collegamento permanente
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Kommentar Komm… Mar, 12/15/2015 - 20:53

In risposta a di gorgias

Ich fand das Ende seines Buchs "Wer bin ich und wenn ja wie viele" absolut unbefriedigend. Warum er das letzte Kapitel dem Film "Matrix" gewidmet hat, war mir völlig unverständlich. Für mich war ab der Mitte des Buches eindeutig ein herannahender Abgabetermin beim Verlag herauszulesen. Er hat zu jedem Thema etwas zu sagen, bleibt aber immer ziemlich oberflächlich. Einen "Philosophen", der sein Geld hauptsächlich durch Fernsehauftritte verdient, kann ich als solchen nicht ganz ernst nehmen. Ist aber nur meine Meinung.

Mar, 12/15/2015 - 20:53 Collegamento permanente
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gorgias Mar, 12/15/2015 - 23:26

In risposta a di Kommentar Komm…

Nehmen Sie dann Peter Sloterdijk, Rüdiger Sarandon, Konrad Paul Lissmann und Slavoj Zizek dann auch nicht ernst?
Was dem Film Matrix angeht, können über diesen philosophische Probleme erörtert werden. Besonders Erkenntnistheoretische.

Was das Buch an sich angeht, kann ich leider nichts sagen, weil ich es selbst nicht gelesen habe. Ich gebe Ihnen aber gerne Kredit, dass die zweite Hälfte zu wünschen übrig lässt. Ich habe mir schon länger mal gedacht es zu lesen. Ich bin gespannt, ob ich Ihnen dann zustimmen kann.

Mar, 12/15/2015 - 23:26 Collegamento permanente
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Sepp Bacher Mar, 12/15/2015 - 14:42

In risposta a di gorgias

Zu dem Satz "..dass die Schule im Grunde (....) nicht fähig ist auf das Leben vorzubereiten" folgende Frage oder Bemerkung. Anscheinend sind es die Eltern bzw. Familien in zunehmendem Maße auch nicht mehr, obwohl oft beide Eltern berufstätig und folglich nicht "..nur marginal mit der Wirklichkeit konfrontiert.."sind.

Mar, 12/15/2015 - 14:42 Collegamento permanente
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Sepp Bacher Mar, 12/15/2015 - 15:27

Was ich mich Positives von der Linken und von der Ital. Kommunistischen Partei erinnere: Die Aufbruchstimmung nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil und vor allem nach der Achtundsechziger Bewegung war auch in Südtirol, auch in kirchlichen Kreisen, wo ich in der Werktätigen Jugend aktiv und Sepp Stricker einer unserer Kapläne war, zu spüren. Als ich dann Ende der 70-iger Jahre nach Bozen kam, lernte ich durch einen Arbeitskollegen per Zufall die damalige links-alternative Szene kennen. Ich wurde gut aufgenommen, obwohl ich aus einer ganz anderen Welt kam. Ich lernte andere Denk- und Sichtweisen kennen, habe mich aber nie mit den linken und kommunistischen (marxistischen, leninistischen, maoistischen) Ideen und Lehren auseinandergesetzt. Ich habe aber trotzdem bei verschieden Projekten - wie z. B. die Volkszeitung mitgearbeitet. Im Rahmen dieses linken Ambientes entstanden z. B.: Frauenbewegung, Schwulen- und Lesben-Bewegung, wurden andere gesellschaftliche Minderheiten gefördert und unterstützt. Vertreter/innen genannter Bewegungen kandidierten nicht nur bei den Radikalen sondern auch im PCI und wurden auch gewählt. Übrigens hat der PCI immer - sei es auf römischer wie auf lokaler Ebene die Belange der Südtirol-Autonomie unterstützt. Dank der linken Parteien konnten auch einige gesellschaftliche Reformen durch Referenden erwirkt werden: Ehescheidung, Abtreibung, usw.
Auch arbeitsrechtlich gab es viele Fortschritte z. B. durch das Arbeiterstatut. Die Machtspiele der Parteien - speziell in Rom - habe ich nie verstanden und sie haben mich bald auch nicht mehr interessiert. Ganz schlecht fällt die Bilanz aus meiner Sicht also nicht aus.

Mar, 12/15/2015 - 15:27 Collegamento permanente
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Klaus Griesser Mar, 12/15/2015 - 16:40

Die „linken“ wie die „rechten“ Parteiprogramme sind zwar unterschiedlich ausgerichtet, aber jeder Parteiführer tut am Ende was er will. Er ist dabei nicht allein, hat um sich eine ausgewählte Beratergruppe, unter allerhöchster Wahrscheinlichkeit sind das die wahren Entscheider, die Creme der Auftraggeber der Lobbysten. So z.B. eliminiert der "linke?""rechte?" Renzi mal die Linke mal die Rechte seiner Partei, mit raffinierten Taktiken, und bleibt fest am Ruder. Dabei ist er gewählter Bürgermeister und nur vom "linken" Napolitano als Ministerpräsident gewählt worden.
Der Wähler darf sich eine tolle Wahlbroschüre aussuchen, kann sich aber auf kein Parteiprogramm stützen, wenn er sich überlegt was er eigentlich will. Er wählt am Ende wem er am ehesten vertrauen kann. Seine Herzenswahl ist vergeblich, da braucht er gar nicht wählen zu gehen, kann genausogut ein Stück mortadella in den Wahlzettel legen: „Neben meinem Vertrauen könnt ihr die auch haben!“.
Bei diesem Spielchen können die Bürger nur zufällig einmal gewinnen. Erst wenn sie miteinander reden , unabhängig von linken und rechten Anschauungen, Sachfragen besprechen und nach Klärung abstimmen, erst dann kann sich was in ihrem Interesse ändern.

Mar, 12/15/2015 - 16:40 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mar, 12/15/2015 - 18:40

In risposta a di Klaus Griesser

Renzi wurde von Napolitano nicht gewählt sondern ernannt und das nur weil im Parlament eine Mehrheit hinter ihm gestanden hat und heute noch steht. Wir leben in einer parlamentarischen Republik, da stimmt der Bürger für das Parlament und nicht für den Regierungschef wie viele Menschen aus Hollywood-filmen zu wissen glauben.
Aber wir schweifen hier recht weit vom Thema ab, oder?

Mar, 12/15/2015 - 18:40 Collegamento permanente
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Klaus Griesser Mar, 12/15/2015 - 20:50

In risposta a di Mensch Ärgerdi…

@Mensch ärgerdichnicht, Sie haben recht, ich habe das etwas flapsig, ironisierend formuliert, Napolitano hat Renzi als Premier auserwählt und das Parlament hat das abgesegnet. Was ändert das aber an der Sache? Ein Staatspräsident wählt einen nicht-vom-Volk-gewählten Parlamentarier aus und das Parlament segnet das ab? Ist das ein Muster an Demokratie oder an verfahrener Situation? Meiner Meinung nach eine Konkurserklärung für die Parteienherrschaft!

Mar, 12/15/2015 - 20:50 Collegamento permanente
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Mensch Ärgerdi… Mar, 12/15/2015 - 22:41

In risposta a di Klaus Griesser

So funktioniert eine parlamentarische Republik nun mal. Der Staatspräsident sucht sich nicht aus wer ihm gerade so in den Kram passt, sondern ernennt den Regierungschef der seinerseits das Vertrauen der Kammern benötigt um regieren zu können. Würden wir in Italien bei jeder Regierungskrise neu wählen, dann könnten wir den Wahlausweis in der Brieftasche mit uns rumtragen und letztendlich wären wir sowieso von einer Wahl zur anderen von "technischen" oder "übergangs" Regierung regiert. Am Ende ändert sich herzlich wenig. So oder so liegen wir in den Händen der Parteien, ohne ihnen funktioniert Politik wie wir sie betreiben nicht. Das eigentliche Problem liegt ja nicht bei den Parteien, sondern viel mehr bei den Leuten die darin sitzen!
So kommen wir wieder zum Thema des Artikels. Gorgias hat schon recht bei dem was er realitätsferne Politiker sagt. Das sind eben meist junge und jung gebliebene Menschen aus den mittleren und oberen Schichten mit einem humanistischem Studium die irgendwo, meist in der Schule, in öffentlichen Stellen arbeiten. Sie halten gern in ihrer Oppositionsrolle intellektuell angehauchte Reden und können sich ihre (bei allen gebührenden Respekt) Hochnäsigkeit kaum verkneifen. Ob solche Leute regierungsfähig sind? Eher weniger. Sehen wir nur aufs gelaufene Jahr in Bozen zurück. Ideologisch akzeptieren sie wenig Kompromisse. Sitze stellen sie letztendlich doch zu wenige und bei praktisch ein und den selben Programm gibt es wie viele Parteien? Drei? Vier, oder gar Fünf? Nicht mal den Trumpf des inter-etnisch Sein bringt ihnen etwas. Bei allem was gut und recht ist: diese Leute kann man alle samt vergessen.

Mar, 12/15/2015 - 22:41 Collegamento permanente