Società | Debatte

Aufgezeichneter Monolog

Es hätte eine Diskussion über die Verluste der Südtiroler Sparkasse, die Verantwortlichen und die Zukunft der Bank werden sollen. Am Ende sprach (fast) nur einer.

Wie lange Gerhard Brandstätter exakt redete, ist nicht bekannt. Für alle Zuschauer, die am Montag Abend um 20.20 Uhr den Fernseher andrehten, um auf dem Lokalsender der Rai die Diskussion über die Südtiroler Sparkasse zu verfolgen, dürfte deren Präsident aber wohl eine gefühlte Stunde lang gesprochen haben. So lange dauerte die Diskussion “Am Runden Tisch”, die am Montag über die Bildschirme flimmerte. Aufgezeichnet wurde sie bereits am Nachmittag – aus Termingründen, so die offizielle Mitteilung. Neben Gerhard Brandstätter waren der Journalist, salto-Autor und Verfasser des Buches “Bankomat”, Christoph Franceschini, der Sparkassen-Kleinaktionär und ehemalige -Angestellte Sebastian Felderer sowie der Wirtschaftsprofessor Alex Weissensteiner anwesend.


Einmal rundum geschlagen

Geladen hatte die Rai, um über die Millionenverluste, deren Verantwortlichen, die Kapitalaufstockung und die Zukunft der Sparkasse zu diskutieren. Doch gleich zu Beginn waren es die Fernseh-Macher selbst, die einen Rüffel einkassierten. Und zwar vom Sparkasse-Präsidenten höchstpersönlich. Im Haus sei man überrascht, so Brandstätter, dass die Rai demjenigen, der ein Buch über die Bank geschrieben habe, derart viel Platz einräume, anstatt über die eigentliche Priorität, die erfolgreiche Kapitalerhöhung der Sparkasse zu sprechen. “Die Aufgabe eines öffentlich-rechtlichen Senders ist es nicht, Werbung für ein Weihnachtsgeschenk des Herrn Franceschini zu machen”, rügte Brandstätter. Unkommentiert ließ der Moderator die Schelte über sich und seinen Arbeitgeber ergehen. Und erlaubte es Brandstätter beinahe ungehindert und ohne Unterbrechungen, seine Sicht der Dinge darzulegen.

Was folgte, war – zumindest eingangs – ein verbaler Schlagabtausch zwischen dem Banker und dem Buchautor, bei dem beide das Publikum zu überzeugen versuchten, dass der jeweils andere Unrecht habe. Franceschini habe ein “unfaires” und “absolut unwürdiges mediales Spektakel” rund um die verschobene Buchveröffentlichung veranstaltet, wetterte der Sparkasse-Präsident und bekannte Rechtsanwalt – einzig und allein, um “das Weihnachtsgeschäft” zu retten. Dabei hätten es die Rücksicht auf die laufende Kapitalerhöhung und die berufliche Ethik geboten, auf ein Erscheinen des Buches Anfang Dezenber zu verzichten. Man habe den Autor extra darum gebeten, den Termin später anzusetzen, doch davon habe dieser nichts wissen wollen. Auch von einer Klage gegen Verlag und Autor sei nie die Rede gewesen, es sei lediglich eine “klare persönliche Bitte” gewesen, mit der er, Brandstätter, an Franceschini herangetreten sei.

Gerhard Brandstätter: “Wir werden wissen, entsprechende Konsequenzen zu ziehen.”

Neben der Kritik an der Vorgangsweise in Sachen Buchveröffentlichung lieferte der Präsident der Sparkasse auch gleich eine eigene Rezension des Werkes mit: “Viele Unwahrheiten”, “voller Fehler” und “schlampig recherchiert” (“Ich hoffe, nicht wissentlich, fürchte aber, gezielt”), so das vernichtende Urteil. “Das weise ich entschieden zurück”, entgegnete Franceschini, als er zwischen einem Redeschwall und dem nächsten zu Wort kam. Es gebe Belege für das, was in seinem Buch steht, so der Autor. Außerdem habe er, im Gegensatz zu dem, was Brandstätter behaupte, keinerlei Interpretationen in sein Werk gelegt. “Dem Leser werden lediglich die Informationen bereit gestellt. Ein jeder kann dann selbst seine Schlüsse ziehen”, so Franceschini.


Das “Drei-Mann-Ding”

Über lange (Sende-) Zeit schien es, als sei das eigentliche Thema, das Sparkasse-Fiasko samt Ursachen und Folgen, aus der Diskussion verschwunden. An den Rand gedrängt auch die anderen Teilnehmer am Runden Tisch. Immerhin einig war man sich, als es schließlich darum ging, Gründe für das 230-Millionen-Loch, das 2014 in den Sparkasse-Kassen klaffte, zu benennen: eine zu aggressive, falsch kalkulierte und zu rasante Expansion im norditalienischen Markt; eine in diesem Ausmaß nicht vorhersehbare Finanz- und Bankenkrise; aber auch Fehler der alten Führungsriege der Sparkasse (der ehemalige Bankpräsident Norbert Plattner hatte die Einladung der Rai an den Runden Tisch ausgeschlagen).

Die Frage, ob und in welcher Form es auch in Südtirol einen “Filz zwischen Politik und Wirtschaft” gebe, brach dann die Gräben wieder auf. “Das ist auch auf andere Regionen übertragbar und nicht die Ursache des Problems”, meinte etwa Weissensteiner. Brandstätter dementierte, dass er sein Amt als neuer Präsident der Sparkasse bekommen habe, weil er der Politik genehm gewesen sei. Es gebe sehr wohl Interessenkonflikte, entgegnete Franceschini. Das Bild dazu malte Sebastian Felderer: “Die Sparkasse ist ein Ein-Mann-Ding, mit dem Stiftungspräsidenten wird es ein Zwei-Mann-Ding und mit dem Landeshauptmann ein Drei-Mann-Ding.” Der Kleinaktionär erinnerte daran, wer das eigentliche Nachsehen gehabt habe, wenn in den oberen Etagen Fehlentscheidungen getroffen worden seien: Seinesgleichen, sprich, die über 20.000 Kleinaktionäre der Sparkasse. “Wir haben nichts zu sagen gehabt, tragen jetzt aber den Schaden”, so Felderer. Er sei einer jener gewesen, die mit Stolz bei der Sparkasse eingestiegen seien: “Die Aktie war eine Möglichkeit, Südtirol das Vertrauen zu schenken. Das Vertrauen war da und ist heute missbraucht worden”, so sein Fazit.


Nach der Diskussion ist vor der Diskussion

Der Unmut und der Frust der Kleinaktionäre kam anschließend auch in den Zuschauerfragen, die im Vorfeld der Sendung eingeschickt werden konnten, zutage. Es war wieder Gerhard Brandstätter, der das Wort ergriff und die enttäuschten Anleger zu beruhigen versuchte. Zu Hilfe zog er zum wiederholten Male Diagramme, Tabellen und Berichte, um seine Argumentation zu untermauern. Die Sparkasse habe es mit der gelungenen Kapitalerhöhung geschafft, die Wende einzuläuten und blicke nun gestärkt in die Zukunft. Daher riet er der verärgerten Tochter einer Sparkasse-Aktionärin, die die Aktien nur mehr los werden wollte: “Auf keinen Fall verkaufen.” “Wir tun alles Mögliche, um den Kurs zu heben”, versicherte der Banker. Auch Christoph Franceschini zeigte sich am Ende der Sendung zuversichtlich, dass die Sparkasse das schon wieder hinbekommen werde.

Was die Interessenkonflikte und Verflechtungen auch zwischen Wirtschaft und Medien anbelange, sei er sich allerdings nicht so sicher: “Die Tatsache, dass die Athesia in Bozen mein Buch hinter der Kasse, mit dem Cover nach unten aufliegend verkauft, deutet in eine andere Richtung.” Und so ging ein Fernsehabend, der mehr Monolog als Dialog, mehr ein Übereinander-hinweg als miteinander Diskutieren war, zu Ende. Bei manchen Zuschauern hat die Sendung und deren Verlauf einen fahlen Nachgeschmack hinterlassen. Bereits am späten Montag Abend fanden sich erste Kommentare in den sozialen Netzwerken, wo man sich einerseits wunderte, dass Brandstätter beinahe ohne Unterbrechung reden durfte und andererseits die Frage auftauchte, ob mit der Aufzeichnung statt Live-Sendung “unliebsame Fragen” verhindert und Zuschauern und Teilnehmern “eine Art Maulkorb” verpasst werden sollte. Die Diskussion (nach der Diskussion) ist eröffnet.

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alfred frei Mar, 12/15/2015 - 08:50

Peinlich, peinlich, wenn sich die Macht-Dreifaltigkeit der Südtiroler
Gesellschaft, RA Brandstätter, in einer Person > Banker - Staranwalt - ehm. Vorsitzender des SVP Wirtschaftsausschusses - so gehen läßt. Laut dem Vertreter der Kleinaktionäre ist dabei die Sparkasse ist ein Ein-Mann-Ding, mit dem Stiftungspräsidenten wird es ein Zwei-Mann-Ding und mit dem Landeshauptmann ein Drei-Mann-Ding. Unbeantwortet bleibt die Frage im Raum: sind Aktien nach der neuen Gesetzgebung etwa nicht Schuldscheine ?
Der Moderator, der "Vertreter der öffentlichen Meinung" wird dabei total
überrollt, während Prof. Alex Weissensteiner sich dialektisch mit den
Aufgaben der Feuerwehr im Geldverkehr auseinandersetzt. Franceschini, der Ideator der Vorstellung, war mit den Gedanken sichtlich mehr bei den Umsatzzahlen als bei dem Zahlenumsatz der Sparkasse.
Um Südtirol wird es immer spannender.

Mar, 12/15/2015 - 08:50 Collegamento permanente
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kurt duschek Mar, 12/15/2015 - 12:21

Habe vergeblich auf konkrete Antworten betreffend den entstandenen "Schulden" der Sparkasse gewartet. Rechtsanwalt Brandstätter argumentierte mit Beschuldigungen, berief sich auf die Wirtschaftskrise die nie enden wollte und war der Meinung, so hab ich es verstanden, daß andere Banken noch schlechter dran sind. In der Schule würde man sagen: "Leider das Thema verfehlt! Ungenügend!"Habe nun entschieden, das Buch Bankomat zu Ende zu lesen, dort erfahre ich vielleicht mehr als vom Präsidenten der Sparkasse.

Mar, 12/15/2015 - 12:21 Collegamento permanente
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Joe Meola Mar, 12/15/2015 - 12:31

Habe sehr interessant gefunden, dass Brandstätter erzählt hat, dass er als Vertreter irgendwelcher Bankenvereinigung nach Irland gefahren ist und mit wem er alles Essen gegangen ist.
Da dachte ich schon, wann macht der das alles? Nebenher verteidigt er ja noch alle SVPler & Angehörige des "Establishments" vor Gericht, ist Präsident von zig Vereinigungen...
Hat der auch eine "richtige" Arbeit oder nur seine 100 Posten? Kann das mal jemand recherchieren, welche Ämter er alle innehat?

Mar, 12/15/2015 - 12:31 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Mer, 12/16/2015 - 17:42

Der Stuhl am Runden Tisch, der alles eher als "rund" war, wurde für mich zu einem Folterstuhl.
Habe nach der Sendung trotzdem viele Komplimente geerntet, wie z.B.
" Hallo Sebastian, wenn ein Nichtbeteiligter etwas verstanden hat, dann waren es nur deine wenigen, aber klaren Worte. Gratuliere. "

Mer, 12/16/2015 - 17:42 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Mer, 12/16/2015 - 17:53

Lese zur Zeit das Buch von Christoph Franceschini. Ist ganz gewiss die beste Möglichkeit, sich über den Verlauf des "Runden Tisches" hinwegzusetzen. Der Einblick, den das Buch gewährt, ist ganzheitlich, klar formuliert und übersichtlich gestaltet. Sachliche Information ist für alle weitaus besser, als Vermutungen und Spekulationen. Deshalb verstehe ich die Reaktion der Bank in keiner Weise. Ein Gutschein für das Buch an alle Kleinaktionäre wäre die richtige Geste gewesen, speziell jetzt nach der erfolgreichen Kapitalerhöhung.

Mer, 12/16/2015 - 17:53 Collegamento permanente
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Johann Gruber Gio, 12/17/2015 - 17:30

Für mich hat die Tatsache einen schalen Beigeschmack, dass die beiden Herren Brandstätter und Franceschini "privat" offensichtlich per du sind. Gleich zu Anfang hat nämlich Beandstätter, mit Bezug auf ein gemeinsames Treffen, zu Franceschini gesagt, "wir haben uns geduzt", aber Franceschini hat nicht darauf reagiert und weiter ganz auf "Sie" gemacht.
Die Sache mit dem "Filz" ist anscheinend komplexer, als es auf den ersten Blick erscheint.

Gio, 12/17/2015 - 17:30 Collegamento permanente
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Christoph Fran… Gio, 12/17/2015 - 17:55

In risposta a di Johann Gruber

Sehr, geehrter Herr Gruber,
ich bin der Überzeugung, dass ein Journalist im öffentlichen Rahmen mit seinem Gegenüber per SIE sein sollte. Und ich halte es auch so. Was den private Umgang betrifft, ist das eine andere Sache. Aus dem DU aber irgend einen Filz oder eine Komplizenschaft abzuleiten, geht doch etwas zu weit. Denn das DU vernebelt einem keineswegs das Hirn. Mir jedenfalls nicht.
mfg

Gio, 12/17/2015 - 17:55 Collegamento permanente
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Johann Gruber Gio, 12/17/2015 - 18:31

In risposta a di Christoph Fran…

Sehr geehrter Herr Franceschini,
es geht nicht so sehr um das SIE oder das DU, sondern um die Tatsache, dass Sie auf Brandstätters "Vorlage" überhaupt nicht reagiert haben; Sie hätten ja in der Sendung sagen können - so wie Sie jetzt schreiben -, "dass ein Journalist im öffentlichen Rahmen mit seinem Gegenüber per SIE sein sollte".
Abgesehen davon geht "es" auch anders: Ihr (Fernseh-)Kollege Markus Frings z.B. weist in seiner Sendung jedes Mal, wenn er mit seinem Gegenüber per du ist (also fast immer), eigens darauf hin und führt dann die Unterhaltung per du. Ich finde dies korrekter und ehrlicher, hauptsächlich dem Publikum (Leser/innen, Zuseher/innen usw.) gegenüber.
Deshalb bleibe ich dabei, dass Ihr Verhalten einen schalen Beigeschmack hinterlässt; aber vielleicht bin ich ja der Einzige, dem das so ergeht.

Gio, 12/17/2015 - 18:31 Collegamento permanente