Ambiente | Natura 2000

Der Gülle-Mediator

Nach jahrelangem Kampf scheint im Güllestreit erstmals ein Kompromiss greifbar. Maßgeblich daran beteiligt: der Hessener Uniprofessor Matthias Gauly.

Es ist nicht so, dass sich Andreas Riedl nicht geärgert hätte beim Expertentreffen in Sachen Gülle. „Wozu müssen sich fast 20 Experten und zwei Landesräte zusammensetzen, wenn wir ohnehin schon in der Früh in der Tageszeitung Dolomiten lesen können, was sie beschließen sollen“,  kritisierte der  Geschäftsführer des Dachverbands für Natur- und Umweltschutz nach der ausführlichen Sitzung am Mittwoch Vormittag. „Bauer sag’ mir, wo deine Gülle endet“, hatte das Tagblatt gestern einen Artikel über den Kompromissvorschlag betitelt, den die beiden Landesräte Arnold Schuler und Richard Theiner zur Schlichtung des immer erbitterteren Streits um die Ausbringung von Gülle in Natura-2000-Gebieten vorlegten. Doch abgesehen von solch kleinen Irritationen ging auch der Vertreter des Umweltschutzes weit positiver gestimmt aus der Sitzung heraus als er hineingegangen war.  „Am Mittwoch war erstmals wieder das Gefühl da, dass alle in die selbe Richtung schauen“, erzählte Riedl. Das heiße zwar nicht, dass die unterschiedlichen Sichtweisen der Bauernvertreter und Umweltschützer auf viele Themen nicht fortbestehen würden. „Aber zumindest über die Vorgehensweise herrscht nun mehr oder weniger Einigkeit“, so der Geschäftsführer des Dachverbandes.

Zu verdanken ist das vor allem dem Hessener Tierarzt und Agrarwissenschafter Matthias Gauly, der seit 2014 an der Freien Universität Bozen das Fach Nutztierhaltung unterrichtet. Er hat einen Kompromissvorschlag ausgearbeitet, mit dem zumindest laut aktuellem Stand beide Streitparteien leben können. Der Ausgangspunkt: Es gibt immer noch viel zu wenige südtirolspezifische Daten, aus denen eindeutig abgeleitet werden kann, welche konkreten Auswirkungen die Ausbringung von Gülle auf Weiden und Wiesen haben.  Statt dessen habe sich bisher jede Partei die für ihre Argumentation passenden Ergebnisse aus Erhebungen gepickt, die vielfach nicht einmal mit der Südtiroler Situation vergleichbar sind. Als Alternative zu einem solchen Endlosstreit legte der Uniprofessor ein Viersäulenmodell vor: Berechnungsgrundlage, Managementpläne, Evaluierungsmaßnahmen und Begleitforschung – auf Basis dieser Schlagworte soll ein Kompromiss zwischen den Bedürfnissen der Landwirtschaft und den in Natura-2000-Gebieten EU-rechtlich abgesicherten Ansprüchen auf Naturschutz und Artenvielfalt gefunden werden.

Politische Parameter

Die Berechnungsgrundlage für die Ausbringung in den fünf verschiedenen Kategorien von Wiesen soll demnach wegen der dürftigen Datenlage vorerst politisch festgelegt werden. Nicht erspart bleiben den Bauern dagegen die Managementpläne für Natura-2000-Flächen, mit denen Zeiten, Mengen und Flächen der Ausbringung festgelegt werden. Begleitet werden sollen sie dabei vom Beratungsring für Berglandwirtschaft (BRING). Der darf aber zumindest laut den Vorstellungen des Professors nicht gleichzeitig für die kontinuierliche Kontrolle der pflanzensoziologischen Entwicklung sowie des Stickstoffbodengehalts auf den bewirtschafteten Flächen verantwortlich sein, der Gauly in seinem Modell besondere Bedeutung zumisst. Denn erst durch eine solche Evaluierung und eine Begleitforschung soll über die nächsten Jahre ein realistisches Bild  über die  tatsächliche Wirkung der Gülle auf die unterschiedlichen Typen von Wiesen entstehen.  Deshalb soll bereits vorab festgehalten werden, dass die nun politisch zu bestimmenden Berechnungsgrundlagen im Nachhinein bei Bedarf durch eine Expertengruppe angepasst werden können. 

Ein Paket, das aber nur Sinn macht, wenn alle vier Säulen umgesetzt werden, betonte bei der Vorstellung nicht nur Matthias Gauly. Auch Landesrat Richard Theiner ließ klar durchblicken, dass sich keine Interessengruppe daraus nur die Rosinen rauspicken könne. Zumindest am Mittwoch sah es ganz danach aus, als ob der Wille zum Kompromiss auch bei allen Teilnehmern vorhanden sei. Ob dies tatsächlich so ist. wird sich am 14. März zeigen. Dann nämlich soll der Arbeitsgruppe schwarz auf weiß vorgelegt werden, was die Landesregierung Ende März beschließen will.

Bauernbunddirektor Siegfried Rinner bereitete seine Klientel nach dem Treffen bereits darauf vor, dass sie Federn lassen werden muss. Rund 400 Viehbauern haben laut den Erhebungen des BRING Flächen in Natura-2000-Gebieten. Etliche von ihnen werden laut Rinner die Zahl ihrer Kühe verringern müssen, um den Vorgaben zu entsprechen.  Wie der Bauernbunddirektor auf RAI Südtirol erklärte, wird aber auch die bürokratische Mehrbelastung durch die Düngepläne für Ärger sorgen. Doch wie Riedl scheint auch er genug von weiteren Grabenkämpfen zu haben. "Es ist  notwendig und es wird so kommen - sei's drum", so Rinner. Mehr kann ein Gülle-Mediator bei der Ausgangslage wohl kaum erreichen.