Economia | Millionenstrafen für Raiffeisen

"Da ist einfach etwas schief gelaufen"

Erich Innerbichler, Direktor der Raiffeisenkasse Bozen, zu den von der Marktbehörde verhängten Geldbußen und den Erfolgschancen im Rekursverfahren.

Leistungsprämie ade: Was üblicherweise für die Belegschaft der Raiffeisenkassen aus besonderem Grund ein Wonnemonat ist, wird für Hunderte Mitarbeiter heuer wegen der von der Marktbehörde über Raiffeisen verhängten Geldstrafen ein magerer Mai. Bei mehreren Kassen rutscht die Bilanz 2015 wegen der unerwartet hohen Geldbußen ins Minus. Da sich die Leistungsprämie – eine Art 14. Monatsgehalt - nach dem Betriebsergebnis des Vorjahres berechnet, fällt das Extra-Geld für die Mitarbeiter dieser Kassen im Mai 2016 flach.

Hunderte Mitarbeiter betroffen

„Das ist bedauerlich, weil die Mitarbeiter für die Geldstrafen nichts können“, sagt Erich Innerbichler, Direktor der Raiffeisenkasse Bozen, neben dem Raiffeisenverband und der Raiffeisen Landesbank eine der 13 vom Kartellverfahren betroffenen Kassen. Die Leistungsprämie macht rund 80 Prozent eines Monatsgehaltes aus. Allein bei der Raika Bozen schauen in diesem Mai rund 90 Mitarbeiter durch die Finger. Innerbichler schätzt, dass  die Bilanz 2015 bei weiteren fünf Kassen negativ ausfallen wird. Damit sind auch die Leistungsprämien für die Mitarbeiter dieser Geldinstitute gestrichen.

Umstrittene Verbraucherschutz-Aktion

Im März hatte die Marktbehörde über Raiffeisen wegen wettbewerbsrelevanter Abreden  Strafen in der Höhe von insgesamt rund 26 Millionen Euro verhängt. Anlass für das Verfahren war eine Eingabe der Verbraucherzentrale Südtirol, die den von den Raiffeisenkassen einheitlich angewendeten Mindestzinssatz von drei Prozent für Privatkredite beanstandet hatte. Die Marktbehörde befand den Informationsaustausch zwischen den Raiffeisenkassen zu den Konditionen für Privatkredite für unzulässig. Am härtesten fiel die Strafe mit 3,2 Millionen Euro für die Raiffeisenkasse Bruneck aus. Beträge um die zwei Millionen Euro wurden hingegen für die Kassen von Bozen, Meran, Lana und Eisacktal festgesetzt. Für ihre Aktion im Interesse der Konsumenten hat die VZS in Südtirol nicht nur Applaus geerntet. Die Rechnung für die hohen Strafen werde schlussendlich der Bankkunde bezahlen, der mit höheren Preisen für die Bankdienstleistungen zu rechnen habe, hieß es an die Adresse von VZS-Chef Walther Andreaus. Der Direktor der Raika Bozen stimmt in diese Kritik nicht uneingeschränkt ein. Die VZS habe halt einfach „mit Waffen geschossen“, deren negative Wirkung nicht einkalkuliert worden sei, meint er. Grundsätzlich könne er deren Motivation jedoch nachvollziehen.

"Etwas übersehen"

„Wenn hinter dem Informationsaustausch, den uns die Marktbehörde vorwirft, eine betrügerische Absicht gesteckt hätte, dann könnte man wohl sagen, dass Raiffeisen hier stümperhaft vorgegangen ist“, sagt Innerbichler. Diese betrügerische Absicht habe jedoch nicht bestanden. Vielmehr habe man beim regelmäßigen, vom Raiffeisenverband koordinierten Informationsaustausch zwischen den Kassen „etwas übersehen“, nämlich dass es sich beim Gegenstand des Austauschs um „sensible Daten“ handelte, wie die Marktbehörde feststellte. „Da ist einfach etwas schief gelaufen“, resümiert der Bankdirektor. Raiffeisen hat 60 Tage Zeit, den Entscheid der Marktbehörde anzufechten, und hat bereits Rekurse beim Verwaltungsgericht Latium angekündigt. Innerbichler schätzt die Chancen, dass die Geldstrafen gestrichen werden, allerdings äußerst schwach ein. „Ich halte es aber immerhin für möglich, dass das Verwaltungsgericht die Höhe der Strafen nachträglich nach unten schraubt“, sagt der Direktor. Die Bußen mussten vorerst bezahlt werden - unabhängig vom Rekurs.

Stellenabbau dank Reform?

Aber auf die Mitarbeiter der Kassen rollt unter Umständen auch eine zweite Gewitterfront zu: Der  Zusammenschluss der Südtiroler Raiffeisenkassen zu einer regionalen Bankengruppe im Rahmen der Reform der Genossenschaftsbanken könnte innerhalb der Raiffeisen-Organisation einen Stellenabbau zur Folge haben. Die autonome Bankengruppe soll von einer Mutterbank angeführt werden, die Bereiche wie Risikomanagement, Revision und Compliance für alle angeschlossenen Institute übernimmt. Damit könnten „bei den Kassen und auch beim Raiffeisenverband möglicherweise qualifizierte Arbeitsplätze wegfallen“, schätzt Innerbichler. Wer innerhalb der regionalen Bankengruppe die Führungsrolle bekommen wird, ist noch nicht entschieden. Die umsatzstarke Raiffeisen Landesbank scheint aufgrund ihrer Sonderfunktion im Raiffeisen-Verbund dazu prädestiniert zu sein, es gibt jedoch auch Überlegungen, ein neues, möglichst schlank konzipiertes Geldinstitut zu schaffen, das diese Aufgabe übernimmt. In jedem Fall kommt auf die Raiffeisenkassen in nächster Zeit viel Arbeit zu.

 

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Sepp.Bacher Mar, 04/05/2016 - 11:48

Ich zweifle, ob der folgende Satz stimmt: "Da sich die Leistungsprämie – eine Art 14. Monatsgehalt - nach dem Betriebsergebnis des Vorjahres berechnet, fällt das Extra-Geld für die Mitarbeiter dieser Kassen im Mai 2016 flach."
Wenn sich nicht erst letztlich etwas geändert hat, beziehen die Bankangestellten, so wie die Angestellten im Handel u. ä. Kategorien das 14. Monatsgehalt als festen Bestandteil der Entlohnung. Leistungsprämien kämen dann eher einem 15. Monatsgehalt gleich.

Mar, 04/05/2016 - 11:48 Collegamento permanente