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“Irgendwann ist Schluss”

Mit ihrer Facebook-Seite scheint Sudabeh Kalantari Lun offene Türen beim Kindergartenpersonal einzurennen. Inzwischen haben sich zwei Landesräte eingeklinkt.

Seit einigen Wochen geht es hoch her auf Sudabeh Kalantari Luns Facebook-Seite. Neben unzähligen Posts von Privatpersonen werden auch Stellungnahmen von Gewerkschaftsvertretern sowie der Landesräte Achammer und Deeg veröffentlicht, die sich in die Debatte auf der Seite “KAS Kindergarten Aktuell Südtirol” einklinken wollen. “Ich komme fast nicht mehr vom Computer weg”, gesteht Kalantari Lun im Gespräch mit salto.bz. Seit 25 Jahren lebt die gebürtige Deutsche in Südtirol. Warum und was hinter dem Engagement der Burggräfler Kindergärtnerin steckt, verrät sie im Interview.

salto.bz: Frau Kalantari Lun, woher rührt die plötzliche Prominenz, zu der es Ihre Facebook-Seite in jüngster Zeit geschafft hat?

Sudabeh Kalantari Lun: Der richtig große Wirbel ist losgegangen, als vergangene Woche bekannt wurde, dass beim Kindergartenpersonal Kürzungen vorgenommen werden sollen. Und zwar bei den Arbeitszeiten. Ein praktisches Beispiel: Im Kindergarten Dorf Tirol, wo ich arbeite, wird eine 100-Prozent-Stelle auf eine 75-Prozent-Stelle gekürzt. Das bedeutet, dass sich die Kinder bis zur Mittagszeit in ihrer Gruppe aufhalten, anschließend aber auf andere Gruppen verteilt werden müssen.

Ist das ein Problem?

Das ist ein großes Problem! Weil es zur Folge hat, dass bei gleichbleibender Belegung sich weniger Fachkräfte um die Kinder kümmern. Um zum praktischen Beispiel zurückzukommen: Zwei Fachkräfte müssen am Nachmittag bis zu 30 Kinder betreuen. Das hat nichts mehr mit einem Bildungsauftrag zu tun, sondern dadurch verkommt der Kindergarten wahrhaftig zu einer reinen Verwahrungsanstalt.

Sie haben angedeutet, dass diese Kürzungen nur ein letzter Tropfen gewesen sein könnte, der das Fass schließlich zum Überlaufen gebracht hat…

Das Kindergartenpersonal hat viel mitgemacht, ja. Oft sind wir still gewesen und haben ja und amen zu allem gesagt. Doch irgendwann ist Schluss.

Daher Ihre Entscheidung, sich auf Facebook zu vernetzen?

Die Seite habe ich eigentlich schon im Spätsommer 2015 gegründet. Aus dem einfachen Grund, dass es zwar viele Möglichkeiten gab, sich in den sozialen Netzwerken über Basteltipps und ähnliches auszutauschen. Aber keine, um über Problematiken, die uns betreffen oder politische Anliegen zu diskutieren. Eine erste größere Bewegung hat es dann vor drei, vier Wochen gegeben nach der meiner Meinung nach diskriminierenden Entscheidung, die Zulassung für deutschsprachiges Kindergartenpersonal zur Eignungsprüfung von 2 auf 7 Jahre anzuheben. Mein Verdacht ist ja der, dass man dadurch den Stellenmarkt bereinigen will.

Es steht ein Streik im Raum

Die angeregten Diskussionen auf Facebook sind nicht unbeobachtet geblieben…

Ich habe keinerlei Pressearbeit betrieben, und doch sind einige Medien bereits auf uns aufmerksam geworden.

Nicht nur die. Seit kurzem sind auch immer wieder E-Mail-Korrespondenzen mit Bildungslandesrat Philipp Achammer zu lesen, in denen ausdrücklich darum gebeten wird, sie mit den Fans der Seite zu teilen. Auch mit Personallandesrätin Waltraud Deeg scheint es Kontakt zu geben.

Die beiden Landesräte sind auf mich zugekommen, ich habe sie nicht kontaktiert. Achammer hat mich bereits zwei Mal zu einem Gespräch eingeladen, Deeg ein Mal.

Haben Sie die Gelegenheit genutzt, um Ihre Anliegen vorzubringen?

Nein, ich habe jedes Mal abgesagt.

Warum?

Erstens bin ich keine offizielle Vertreterin des Kindergartenpersonals, sondern biete nur eine Plattform zum Austausch. Und zweitens finde ich es nicht seriös, wenn sich die politischen Vertreter nur mit einer Person treffen wollen.

Man könnte den Eindruck haben, dass die Politik einen etwas unbequemen Störenfried ruhig stellen möchte?

Ich finde es ja toll, wenn abseits offizieller Treffen Disponibilität an den Tag gelegt wird. Aber ja, es scheint etwas, als wolle man die Sache kalt stellen.

Gestern (Freitag, 29. April, Anm.d.Red.) hat es ein solches offizielles Treffen mit Gewerkschaftsvertretern, weiteren offiziellen Repräsentanten und den beiden Landesräten gegeben. Sind Sie dort auch nicht hin?

Wir, also die Facebook-Gruppe, waren zu dem Treffen eingeladen. Aber ich habe schließlich abgelehnt. Ein Sprachrohr zu sein, das geht für mich in Ordnung. Doch wir haben etwas anderes vor.

Oft sind wir still gewesen und haben ja und amen zu allem gesagt, doch irgendwann ist Schluss

Nämlich?

Am Montag findet ein Treffen statt, bei dem zahlreiche Personen, die sich über die Facebook-Seite vernetzt haben, zusammen kommen. Dann werden einmal von Angesicht von Angesicht einige Dinge geklärt werden und vielleicht auch ein Papier aufgesetzt. Erst danach werden wir uns mit den Gewerkschaftlern und den offiziellen Kindergarten-Vertretern zusammensetzen.

Wird es bei einem Papier bleiben?

Ich muss ehrlich sagen, dass derzeit ein Streik im Raum steht. Vielleicht wird auch deshalb versucht, der Sache im Vorfeld den Wind aus den Segeln zu nehmen.

Ein Wind, der vollem auf Facebook rau bläst…

Ich hätte nie mit einer solch riesigen Resonanz gerechnet, das habe ich mir absolut nicht erwartet. Ich habe nur die Seite eingerichtet. Daher finde ich es jetzt umso toller. Und ich bin stolz, weil es scheint als hätte ich zum richtigen Zeitpunkt die richtigen Sachen gepostet. Freuen tue ich mich auch, dass wir jetzt alle gemeinsam auftreten, denn die Probleme betreffen alle Kindergartendirektionen im Land. Vorher hat es nie einen wirklichen Zusammenhalt gegeben, jetzt gehen wir gemeinsam.

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Sepp.Bacher Dom, 05/01/2016 - 14:48

Hallo liebe Sudabeh Kalantari, schön zu erfahren, dass du immer noch in Südtirol bist. Wir hatten uns kennen gelernt, als du beim Jugend-Telefon warst und ich bei Centaurus. Dir alles Gute! Du hast Recht anzunehmen, dass die Kontakte der Landesräte*innen nur der Beschwichtigung dienen. Ich habe diese Erfahrung auch gemacht. Das scheint eine kluge Strategie zu sein. Du hast sie zum Glück durchschaut!

Dom, 05/01/2016 - 14:48 Collegamento permanente