Economia | Banken-Reform

Die Demontage

Die Raiffeisen-Landesbank wird zur Großmacht. Der Raiffeisenverband wird aufgestückelt. Exklusiv: Die Pläne wie Südtirols Raiffeisenwelt umgebaut werden soll.

Kleinigkeiten sagen manchmal mehr als tausend Worte.
Italien ist dabei das System der Genossenschaftsbanken nach europäischen Vorgaben zu reformieren. Die Vorgaben sind klar: Die Genossenschaftsbanken müssen sich zu Bankengruppen mit einem sogenannte „capogruppo“ zusammenschließen. Auch Südtirols Raiffeisenwelt ist direkt von dieser Reform betroffen. Lange versuchte man politisch in Rom eine Ausnahmebestimmung für Südtirol auszuhandeln, bevor klar wurde, dass es diese Ausnahme nicht geben wird.
Seit fast einem Jahr diskutiert man in der Führungsetage der Südtiroler Raiffeisenwelt deshalb die konkrete Umsetzung dieser Reform. Dabei hat sich eine eigenmächtige Übersetzung flächendeckend eingeschlichen, die weit mehr sagt, als vielen lieb ist.
Der italienische Terminus „capogruppo“ wird in den internen Diskussionen inzwischen ganz offen mit „ Landesbank“ übersetzt.
Diese Feinheit macht deutlich, wohin die Reise geht. Und wie Südtirols Raiffeisenwelt demnächst auf den Kopf gestellt wird

Der Raiffeisen-Kosmos

Der Raiffeisenverband wurde 1960 aus dem Zusammenschluss des Landesverbandes der Südtiroler Landwirtschaftlichen Genossenschaften und des Verbandes der Raiffeisenkassen gegründet. Der Verband, dem inzwischen 365 Genossenschaften und Körperschaften angehören, darunter die 47 Südtiroler Raiffeisenkassen, ist eine wirtschaftliche und politische Macht in Südtirol.
Der Raiffeisenverband war jahrzehntelang das strategische Leitungsorgan der Südtiroler Raiffeisenwelt. Das liegt auch daran, dass der Verband einen großen Dienstleistungsbetrieb aufgebaut hat, der für alle Raiffeisenbanken arbeitet.
Allen voran das Rechenzentrum RIS, das für (fast) alle Kassen die EDV-Arbeit erledigt. Aber ebenso die Rechtsabteilung, die in den für kleine Banken immer schwieriger werdenden Gesetzesdschungel juridische Beratung leistet. Eine eigene Abteilung im Verband ist die Revision, die für die Überwachung der Genossenschaften zuständig ist. Der Raiffeisenverband hat heute über 300 Mitarbeiter und wird vorwiegend von den Raiffeisenbanken finanziert, die für die Dienstleistungen den Verband zahlen.
1973 wurde die Raiffeisen Landesbank Südtirol als Zentralinstitut der Raiffeisenkassen Südtirols gegründet. Sie solle die Geschäftstätigkeit der Raiffeisenkassen Südtirols am Kredit- und Finanzmarkt durch Beratung und Übernahme von Gemeinschaftsaufgaben fördern und koordinieren.

Der Machtkampf

Das Sagen in den Südtiroler Raiffeisenkassen hatte jahrzehntelang der Verband. Vor allem unter seinem Direktor Konrad Palla war der Raiffeisenverband die Dachorganisation, in der alle strategischen und geschäftlichen Entscheidungen vorbereitet und verabschiedet wurden. Die Raiffeisen Landesbank wurde lange als eine Art Hilfskörperschaft abgetan.
Spätestens mit dem Palla-Abgang sah die Führung der Landesbank um Präsident Michael Grüner und Direktor Zenone Giacomuzzi aber endlich ihre Zeit gekommen. Unterstützt von den größten Raiffeisenkassen des Landes hat sich die Führung der Landesbank emanzipiert und den Machtkampf mit dem Verband aufgenommen.
Unter dem Palla-Nachfolger, Paul Gasser, hat sich in den letzten Jahren dann das Machtgefüge eindeutig in Richtung Landesbank verschoben.

Der neue Konzern

Mit der geplanten Reform folgt jetzt für den Verband aber der Gnadenstoß. Denn das Modell, das man umsetzen will, stellt die bisherige Struktur völlig auf dem Kopf.
Es soll ein Genossenschaftskonzern entstehen, in dem die Landesbank als Mutterunternehmen operiert. Konkret heißt das, dass die Landesbank der strategische Kopf der neuen Raiffeisengruppe sein wird. Weit deutlicher wie es bisher der Verband war. Denn die Landesbank wird in Zukunft Koordinierungs- und Weisungsbefugnis über die Raiffeisenkassen haben.
Dass dieses Modell eine breite Mehrheit gefunden hat, liegt auch daran, dass manche Bank mit dieser Lösung eigene Probleme vermeiden kann. So haben mehrere große Südtiroler Raiffeisenkassen, etwa die Raika Eisacktal, die Raika Lana, die Raika Überetsch oder die Raika Ritten massive Probleme mit der inzwischen vorgeschriebenen Eigenkapitalausstattung. Der Umbau zum Genossenschaftskonzern löst diese Probleme.
Gleichzeitig aber verliert der Raiffeisenverband nicht nur die Rolle als Raiffeisen-Mutter, sondern weit mehr. Der geplante Umbau kommt einer Zerschlagung des heutigen Raiffeisenverbandes gleich.

Ausgegliedertes RIS

Das Herzstück des Verbandes ist das Rechenzentrum „Raiffeisen Informations System“ (RIS). Die EDV-Abteilung mit rund 130 Mitarbeitern und Mitarbeiterinnen bringt dem Verband das meiste Geld. Gleichzeitig ist diese Abteilung aber auch der größte Kostenfaktor. Denn die Kassen zahlen ordentlich für die Dienstleistungen.
Seit langem kritisieren deshalb die einzelnen Raiffeisenkassen den Verband. „Es ist ein Wasserkopf, der viel zu teuer ist“, beschreibt ein Obmann das Rechenzentrum. Einzelne Raiffeisenkassen haben deshalb dem Verband bereits den Rücken gekehrt. Sie greifen auf auswärtige EDV-Anbieter zurück.
Das jetzt diskutierte Modell – es hat eine breite Mehrheit in der Südtiroler Raiffeisenwelt – sieht vor, dass das Rechenzentrum aus dem Verband ausgegliedert wird. Es soll ein neues eigenständiges Unternehmen entstehen, das für die Kassen weiterhin die EDV-Arbeit erledigt.
Landesbank-Präsident Michael Grüner und die Spitze der Landesbank hat diese Lösung schon vor Jahren vorgedacht. Man wollte damit die Macht des Verbandes schwächen. Jetzt soll das Modell Realität werden.


Landesbank-Direktor Zenone Giacomuzzi und Präsident Michael Grüner: Gewinner im Machtkampf.

Schmackhaft gemacht wird diese Operation den Raiffeisenkassen durch eine einfache Rechnung. Die Raiffeisenbanken arbeiten zum Großteil mehrwertsteuerfrei. Das heißt die Kassen könne keine Mehrwertsteuer absetzen.
Das RIS und der Verband stellen für ihre Dienstleistungen aber Rechnungen mit Mehrwertsteuer. Demnach kostete den Kassen eine Dienstleistung 22 Prozent mehr. „Eine mittlere Kasse zahlt für die RIS-Dienstleistungen jährlich 500.000-600.000 Euro, da machen das Einiges aus“, sagt ein Raika-Obmann.
Das RIS arbeitet derzeit zwar vorwiegend aber nicht ausschließlich für die Banken. Das Rechenzentrum bietet seine Dienstleistungen auch auf dem freien Markt an und arbeitet auch für die Südtiroler Genossenschaften. Deshalb auch die Mehrwertsteuerpflicht.
Der Plan ist es, das neue Unternehmen ausschließlich für die Raikas arbeiten zu lassen. Demnach soll der neue Betrieb eine Tochter des Raiffeisenkonzerns werden. Das Ziel: Die Dienstleistungen sollen mehrwertsteuerfrei erbracht werden.

Die Rochade

Mit dem RIS wird dem Raiffeisenverband aber das Machtzentrum genommen. Der Verband schrumpft zu einem Rumpf zusammen. Ihm verbleibt nur mehr ein kleiner Teil des Rechenzentrums, jener der die Genossenschaften und die externen Kunden betreut, sowie die Genossenschafts- und die Revisionsabteilung.
Dass der amtierende Verbandsdirektor Paul Gasser bei dieser Demontage relativ emotionslos zuschaut, interpretieren im Verband viele, als klares Zeichen. Im Frühjahr ging die langjährige RIS-Leiterin Alberta Egger in Rente. Ihr Nachfolger wurde der Meraner Alexander Kieswetter, der erst zu Jahresende zum Raiffeisenverband gestoßen ist.

Verbandsdirektor Paul Gasser: Direktor des neuen EDV-Unternehmens?

Nach Informationen von salto.bz wird im Hintergrund mit der Reform auch eine Personalrochade angedacht. Demnach soll Vizedirektor Christian Tanner in Zukunft den Verband führen oder das was vom Verband übrig bleibt. Paul Gasser hingegen soll an die Spitze des neuen externen Unternehmens wechseln, das das neue Rechenzentrums führt.
Damit sind wenigsten die Hauptpersonen im Machtkampf bestens versorgt.