Politica | Tag der Autonomie

Sigmundskroner Gipfel

Der Tag der Autonomie war kein pompös-schwülstiges Hochamt, sondern eine seriöse historische Tagung mit einem für Südtirol wichtigen Treffen der zwei Außenminister.

Arno Kompatscher sagt es gleich am Anfang seiner Rede. „Es ist ein Tag zum Feiern,“ und er legt im nächsten Satz gleich nach: „Diese Autonomie ist zum Feiern.“ Es ist eine politische Standortbestimmung. Und eine klare Absage an die Stänkereien aus der rechten Südtiroler Ecke. Man will sich das Jubiläum „70 Jahre Pariser Vertrag" nicht vermiesen lassen.
Die Landesregierung hat am Montag auf Schloss Sigmundskron zum „Tag der Autonomie“ geladen. Und was man an diesem Tag am historischen Ort des „Los von Trient“ sieht und hört, ist ein neues, anderes Südtirol. Der Generationswechsel ist in der Politik, aber auch in den Reihen der Historiker langsam angekommen.
Hier wird nicht wie in der Vergangenheit nur allzu oft ein pompöses Hochamt zelebriert, man braucht weder die Fahne des Volkstums, noch den Wimpel der Partei hochzuhalten. Dass es zum Pariser Vertrag keine Zeitzeugen mehr gibt, tut der Sache dabei nur gut. Es nimmt dem Thema und diesem Tag die schicksalshafte Schwere, die sonst immer auf solchen Jubiläen lastet.
Auch wenn es am Nachmittag auf Sigmundskron zu einem der wichtigsten politischen Treffen der letzten Jahre kommt, herrscht im Schloss eine wohltuende Lockerheit und Unaufgeregtheit.
Dass Hausherr Reinhold Messner trotz der Tagung und des Besuchs von zwei Außenministern nebenher seinen Museumsbetrieb weiterlaufen lässt, so als wäre nichts gewesen, tut diesem Klima besonders gut. Die am Auflauf völlig uninteressierten Touristen führen den Akteuren und Zuhörern deutlich vor Augen, dass Südtirol und seine Geschichte nicht der Nabel der Welt sind.

Paolo Gentiloni, Reinhold Messner, Sebastian Kurz: Keine schicksalshafte Schwere.

Die am Auflauf völlig uninteressierten Touristen führen den Akteuren und Zuhörern deutlich vor Augen, dass Südtirol und seine Geschichte nicht der Nabel der Welt sind.

Die Historiker

Der gesamte Vormittag ist der historischen Aufarbeitung des Gruber-Degasperi-Abkommens gewidmet. Eva Pfanzelter, Andrea Di Michele, Michael Gehler und Rolf Steininger beleuchten den Pariser Vertrag, die Akteure und die politischen Folgen aus völlig verschiedenen Blickwinkeln.
Es sind jene Referate, die man in den vergangenen Tagen auf salto nachlesen konnte. Allen vier Historikern ist dabei eine seriöse, analytische Vorgangsweise gemeinsam. Andrea Di Michele ist derjenige, der mit seinem Referat am deutlichsten den Pfad der bisherigen Geschichtsaufarbeitung verlässt. Der junge Bozner Historiker bettet die Vorgänge in den italienischen und gesamteuropäischen Kontext der unmittelbaren Nachkriegszeit ein. Di Michele mahnt nicht nur eine klare Entpersonalisierung dieser Vertragsgeschichte an, sondern er fordert durchaus auch selbstkritisch eine Sicht der Dinge aus dem damaligen politischen Kontext und nicht aus der Kanzel danach. Zudem räumt er mit einigen Mythen in der Südtiroler Geschichtsschreibung auf und scheut weder davor zurück, den damaligen Deutschenhass in Italien noch den Rassismus der Trentiner gegen die Süditaliener zu thematisieren.

Historikerin Eva Pfanzelter: Völlig verschiedene Blickwinkel.

Rolf Steininger liebt die Polemik und der emeritierte Innsbrucker Uniprofessor schafft es immer, etwas oder jemanden zu finden, gegen den er verbal angreifen kann. Das ist auch in Sigmundskron so. Opfer ist sein Vorredner und langjähriger Mitarbeiter in Innsbruck Michael Gehler.  Die feine akademische Art ist das nicht. Der Historikerzwist befeuert aber die Tischgespräche in der Mittagspause.

Kompatschers Kunstgriff

Seine Eröffnungsrede am Nachmittag nutzt Arno Kompatscher durchaus geschickt in eigener Sache. Der Landeshauptmann zitiert immer wieder jene Rede, die sein Vorgänger Luis Durnwalder zum 60. Jubiläum des Gruber-Degasperi-Abkommens vor zehn Jahren gehalten hat. Durnwalder sitzt in der zweiten Reihe und sein Nachfolger bescheinigt ihm, dass seine Worte auch heute noch Geltung haben. Es ist mehr als eine ausgestreckte Hand in der Öffentlichkeit.
Dass Kompatscher Durnwalders Störfeuer endlich beenden will, zeigt sich auch, als er in der Rede direkten Bezug auf den aktuellen Autonomiekonvent nimmt. „Es geht mir darum ein Missverständnis auszuräumen“, sagt der Landeshauptmann in Richtung Durnwalder.

Landeshauptmann Arno Kompatscher: Ausgestreckte Hand in Richtung Durnwalder.

Am Ende dann eine Überraschung. Es werden zwei aufgezeichnete Grußbotschaften der beiden heuer zurückgetretenen Staatspräsidenten Giorgio Napolitano und Heinz Fischer per Video eingespielt. Napolitano nimmt nicht nur mehrmals das Wort „Sudtirolo“ in den Mund, sondern seine Botschaft ist deutlich: Es wird keine einseitige Änderung der Autonomie geben. Auch Heinz Fischer betont den Rückhalt, den Südtirol in Österreich jederzeit habe. Und die besonders guten Beziehungen zu Italien.

Die Bergfreunde

Die Ankunft der beiden Außenminister gerät dann zum Schaulauf der Politprominenz. Der Magnetismus der Macht hat seine eigenen Spielregeln. Dass Paolo Gentiloni in dem ganzen Getümmel es schafft, die 93-jährige Lidia Menapace besonders herzlich zu begrüßen, zeugt von einem menschlichen Feingefühl, das so vielen Lokalpolitikern fremd zu sein scheint.
Dabei ist das Treffen von Paolo Gentiloni und Sebastian Kurz auf Schoss Sigmundskron ein politisches Bravourstück, das weit über den Rahmen der Feier und den Anlass hinausgeht. Im italienischen Außenministerium gab es lange große Vorbehalte gegen das Treffen, am Ende hat sich aber Minister Gentiloni durchgesetzt.
Auch der Umgang der beiden Minister miteinander macht deutlich, dass hier eine andere, neue Politikergeneration am Werke ist. Unbelasteter, freier und auf andere Themenkomplexe – wie etwa die Migration – fokussiert.

Sebastian Kurz und Paolo Gentiloni: Wie zwei alte Bergfreunde.

Paolo Gentiloni und Sebastian Kurz benehmen sich in Sigmundskron wie alte Bergfreunde. Man duzt sich und jeder der beiden streicht mehrmals die Freundschaft und die gute Zusammenarbeit mit dem anderen heraus. Nicht der zurückgelegte Weg ist das Thema, sondern die gemeinsame Bergtour, die Italien und Österreich im europäischen Kontext in Angriff nehmen muss.

Das Treffen von Paolo Gentiloni und Sebastian Kurz auf Schoss Sigmundskron ist ein politisches Bravourstück, das weit über den Rahmen der Feier und dem Anlass hinausgeht.

In diesem Klima sind selbst politische Botschaften, die bis vor ein paar Jahren zu energischen diplomatischen Protestnoten geführt hätten, plötzlich kein Problem mehr.
Österreich wird auch in Zukunft seine Schutzfunktion für Südtirol wahrnehmen“, sagt Sebastian Kurz klar und deutlich. Paolo Gentiloni widerspricht nicht. Der italienische Außenminister appelliert hingegen dafür, dass auch Südtirol die Verfassungsreform als Chance für die Weiterentwicklung der eigenen Autonomie sehen soll.

Ironie der Geschichte

Dass der Politgipfel auf Sigmundskron so glatt über die Bühne geht, liegt auch am Hausherrn Reinhold Messner. Messner hat die Erfahrung, die Professionalität und die Autorität hohe Gäste mit einer Selbstverständlichkeit zu empfangen, die jedes Eis zum Schmelzen bringt.

Dass ausgerechnet im Messner-Mountain-Museum gleich zwei Außenminister auftauchen, kann man durchaus auch als späte Genugtuung ansehen.

Dass im Messner-Mountain-Museum gleich zwei Außenminister auftauchen, kann man durchaus auch als späte Genugtuung ansehen. Im Publikum sitzt an diesem Tag auch Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner. Im Schatten der Außenminister darf am Nachmittag auch Handelskammerpräsident und Athesia-Chef Michl Ebner nicht fehlen.
Dabei waren es Michl und Toni Ebner, die jahrelang alles getan haben, um zu verhindern, dass Reinhold Messner Sigmundskron bekommt. Ausgerechnet in diesem Schloss wird jetzt höchste Politik gemacht und die Brüder sitzen nur auf der Zuschauertribüne.
Südtirol scheint wirklich anders zu werden.