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Große und kleine Esperantopläne

Vor über 100 Jahren starteten die ersten Esperanto-Treffen in Südtirol. Mit den Projekten „Amikejo“ und „Isola delle Rose“ gab es sogar kleine Esperantostaaten in Europa.
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Foto: Quelle: Wikipedia

Esperanto im Gasthaus
In der Bozner Zeitung stand Anfang März 1906 eine Pressemitteilung der Esperantisten-Gruppe Eppan. Sie hatten sich im Gasthaus „zum Rößl“ getoffen, um dort ihre Monatssitzung abzuhalten. Der Obmann der Esperantisten-Gruppe, der schottische Schriftsteller Robert Auerbach berichtete in seinem Tätigkeitsbericht über einen Kurs von rund 30 Teilnehmern und dass „täglich aus allen Teilen Tirols und Vorarlbergs Anfragen und Anerkennungsschreiben eingehen“ und mehrere neue Gruppen in Tirol geplant werden. Esperanto galt als moderne Weltsprache, wurde für Wissenschaft und Handel immer wichtiger. Knapp zwanzig Jahre vorher, im Jahr 1887, wurde die Plansprache Esperanto von Ludwik Lejzer Zamenhof erfunden. Heute, 130 Jahre später, ist Esperanto in keinem Staat Amtssprache.
Das war nicht immer so.

Amikejo – Der Esperantostaat
Altenberg, Kelmis oder Neutral-Moresnet. Drei Namen, ein Ort. Gut  10.000 Seelen wohnen an der  belgisch-deutschen Grenze – ein Fleck mit spannender Lokalgeschichte samt internationalem Beigeschmack. Dieser Landstrich, in Form eine Dreiecks, war fast 100 Jahre lang, bis 1919, ein eigenständiger Staat. Zahlreiche Grenzsteine des einstigen Staatsgebietes markieren heute noch die alte Grenze, inmitten der Länder Belgien, Niederlande und Deutschland. 

Ort der großen Freundschaft

Heute kann entlang der aufgelassenen Grubenfelder, nur mit viel Phantasie, die wirtschaftliche Blütezeit des Ortes rekonstruiert werden. Fast alles von früher ist verschwunden – außer, die einst diesen Ort bestimmende Sprache – Esperanto!
Die internationale Plansprache, hat die Bewohner von Kelmis Anfang des 20. Jahrhunderts zur Gründung eines Esperantostaates namens Amikejo animiert. Am 13. August 1908 wurde Kelmis zum Esperantostaat ausgerufen, im Select, dem heutigen Kulturhaus, und das im Beisein von rund hundertfünfzig Esperantisten aus Spanien, Frankreich und den drei Nachbarländern.
 

Auch der  Esperantoerfinder Ludwik Lejzer Zamenhof begrüßte die Entstehung des neuen Staates – denn mit einem eigenen Staat, würde Esperanto bald von der Sprache einer kleinen Minderheit zur Sprache aller werden. Sogar eine Hymne hatten die Esperantisten komponiert, für den  Ort „der großen Freundschaft“: Amikejo! In Gaststätten, Kaffees, am Theater und in den Gassen konnte man internationale Gäste in ihrer Einheitssprache kommunizieren hören.
 

Isola delle Rose – Die Esperantoplattform
Die Isola delle Rose (Insulo de la Rozoj) war der listige Einfall des Ingenieurs Giorgio Rosa aus Bologna. 1968 hält er mit seiner Insel-Plattform den italienischen Staat und die Polizei zum Narren. 11,6 Kilometer von der Küste Riminis war plötzlich eine künstliche Insel geboren, 400Quadratmeter groß, pochte auf Unabhängigkeit und war in wenigen Wochen weltbekannt. Nach 10 Jahren Vorbereitung war Giorgio Rosa am Ziel seiner Träume.
Nachdem 1965 der internationale Kongress der Plansprache Esperanto in Rimini ausgetragen wurde, bestand für die Inselmacher kein Zweifel, mit Esperanto eine Sprache für die neue Mikronation gefunden zu haben – eine Sprache die in jedem Land der Erde gesprochen wird. 

Spielcasino, Striptease, Geldwäsche oder militärscher Stützpunkt?

Eine Bar, ein Restaurant, das Postamt. Und dann sollte noch eine Bank dazu kommen. Das Phänomen der unabhängigen Isola delle Rose wurde ein Erfolg. Doch je mehr Touristen sich an der Plattform erfreuten, umso ängstlicher wurden Politik und Polizei. Die Gerüchteküche an der Küste brodelte: Spielcasino, Striptease, Geldwäsche oder militärscher Stützpunkt? Nichts davon entsprach der Wahrheit. Es war einfach nur ein Ort der Freiheit.
Der freie Inselstaat existierte vom 1. Mai bis zum 25. Juni 1968. Dann wurde die Plattform geräumt und im Februar 1969 von der Marinepolizei gesprengt bis die letzten Reste von einem Sturm davongetragen wurden und im Mehr versanken.
Andere Plattformen, jene der großen Öl- und Gaskonzerne stehen hingegen noch, auch wenn viele davon mittlerweile nutzlos sind. In den vergangenen Jahren stieg erneut das Interesse von Seiten des Tourismus und von Seiten einiger Architekten und Ingenieure, die alten leerstehenden Plattformen auf dem Meer neues Leben einzuhauchen.

Isola delle Rose - Trailer documentario / Quelle Youtube

Der Todestag des Esperanto-Gründers Zamenhof  jährt sich im April 2017 zum 100. Mal. Die UNESCO hat diesen Tag deshalb in die Liste der Gedenktage mit globaler Bedeutung aufgenommen.