Ambiente | Gemüseanbau

Ohne Glashaus

Den Salat auch im Winter bei uns anbauen, anstatt ihn durch halb Europa zu karren. Der Gemüseexperte Wolfgang Palme von der City Farm Schönbrunn Wien zeigt, wie das geht.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Zinsenhof Wolfgang Palme

Seit wann arbeiten Sie am Projekt „Versuchsanlage Zinsenhof“ und worin besteht es genau?

  • Seit ca. 10 Jahren forschen wir an der Höheren Bundeslehr- und Forschungsanstalt für Gartenbau in Wien-Schönbrunn und an unserer Versuchsstation Zinsenhof in Niederösterreich zu alternativen Produktionsentwürfen für den Bio-Gemüsebau. Es geht dabei um die Förderung eines kleinstrukturierten, ökologischen, ressourcenschonenden, regionalen und im wahren Sinn des Wortes saisonalen heimischen Gemüsebaus. Auch soll damit ein Gegengewicht zur Agrarindustrie entstehen, die sich im Falle des Gemüsebaus auf eine erdelose Produktion in investitions- und ressourcenintensiven High-Tech-Gewächshausanlagen konzentriert.

Wie könnte ein bisheriges Fazit Ihrer Forschungsarbeit lauten?

  • Eigene Versuche in einfachen, ungeheizten Folientunnels haben gezeigt, dass viele Gemüsearten wesentlich frostfester und winterhärter sind, als es in unseren Lehrbüchern steht. Neben Klassikern wie Feldsalat, Grünkohl und Zuckerhutsalat haben wir auch mit Radieschen, Bundkarotten oder gängigen Gartensalaten erfolgreich experimentiert.

Worauf ist bei Wintergemüse besonders zu achten?

  • Schlüssel für eine gelungene Winterfrischernte ist die Wahl des geeigneten Anbau- bzw. Pflanzzeitpunktes im Sommer oder Herbst, denn Winter ist Erntezeit, aber kaum Wachstumszeit. In den letzten Jahren konnten wir Anbautabellen entwickeln, die zeigen, wann ausgesät bzw. gepflanzt werden muss, damit man während des Winters, also in der Zeit von Anfang November bis Ende März (so haben wir den Winter gemüsebaulich definiert), frisch ernten kann.

Und welche Gemüsesorten kommen für den Winteranbau in Frage?

  • Tisch und Beet sind auf diese Weise im Winter reich gedeckt, denn wir haben eine Liste von 77 Gemüsearten zusammengestellt, die dafür geeignet sind. In 10 Unterkategorien geht es um Endivien/Zichorien (Zuckerhut, Radicchio, italienische Zichorien), Gartensalate (Pflücksalate, Batavias, Babyleaf-Salate), Salatkräuter (Feldsalat, Winterportulak, Asia-Salate, Rucola, Gartenkresse, Ampfer etc.), Gewürzkräuter (Petersilie, Gartenkerbel, Schnittsellerie), Kohlgewächse (Kohlsprossen, Butterkohl, Zierkohle, Blattkohle), Spinate (Spinat und Mangold), Wurzel- und Knollengemüse (Radieschen, Rettiche, Speiserüben), Zwiebel-und Lauchgewächse (Lauch, Winterheckenzwiebel, Jungzwiebel), Wildgemüse (Vogelmiere, Löwenzahn) und Sonstige (Erbsentriebe, Stridolosalat), um jeweils nur Beispiele zu nennen.

Wie aufwändig ist nun der Anbau dieser Sorten, was kann im Freien angebaut werden, was braucht Schutz?

  • Einige dieser Gemüsearten können über den Winter im Freiland kultiviert werden, für die meisten ist aber ein Folientunnel von Vorteil, weniger wegen der Kälte, als aus Schutz vor unkontrollierter Feuchtigkeit, die Winterkulturen bedroht. Als besonders vorteilhaft erweist sich unser Rollfolientunnel, den wir als Prototyp an unserer Versuchsstation vor 5 Jahren aufgebaut haben. Dies ist ein Foliengewächshaus, das auf Schienen fährt und  so mobil ist, dass es über bestehende Kulturen geschoben werden kann. Es bietet Lösungen für viele Probleme im geschützten Gemüsebau wie Bodenmüdigkeit, Versalzungen oder eingeschränkte Fruchtfolge, unter denen auch Biobetriebe leiden.

Wie teuer sind diese Folientunnel bzw. wann rechnet sich die Anschaffung?

  • Folientunnel, die man für den Winter nutzen möchte, dürfen verständlicherweise auch im Sommer nicht leer stehen. Wir beobachten bei uns allerdings den umgekehrten Fall. In vielen Anbaugebieten bleiben beachtliche Folientunnelkapazitäten nach dem Räumen der Hauptkultur im Spätherbst und Winter ungenutzt. Um diese im buchstäblichen Sinn brach liegenden Potenziale ist es eigentlich schade. Im laufenden Wintergemüseprojekt erheben wir deshalb die Deckungsbeiträge ganzer Fruchtfolgen im Jahresverlauf – mit und ohne zusätzlicher Winterkultur, um den Winter nicht so isoliert zu betrachten und die Wirtschaftlichkeit optimierter Kulturabläufe zu dokumentieren.

Wie stark ist der Anteil des biologischen Gemüseanbaus am Zinsenhof?

  • Seit einigen Jahren arbeiten wir auch in einem nationalen Projekt gemeinsam mit dem Bioverband Bio Austria mit 6 Biobetrieben und mit anderen Versuchsstationen in Österreich zusammen. In diesem Winter haben wir einen Ringversuch angelegt: Salate, Radieschen und Bundkarotten wurden zum selben Zeitpunkt gesät bzw. gepflanzt und schon vor Weihnachten ausgewertet. Ein 2. Satz wird Februar/März ausgewertet werden. Die Versuchsstandorte reichen vom alpinen Westen über den pannonischen Osten bis in den illyrischen Süden unseres Landes. Wir gewinnen damit einen guten Einblick in die Kulturdauer und das Winteranbaupotenzial wichtiger heimischer Gemüseanbaugebiete.

Auf welchen Höhenlagen haben Sie außerdem experimentiert, wäre es auch auf Südtiroler Verhältnisse anwendbar, wir sprechen hier von Lagen 500 bis 1500 Höhenmetern…

  • Teil des landesweiten Projekts in Österreich sind auch Biobetriebe, die in alpinen und voralpinen Klimagebieten beheimatet sind, sodass wir auch schon Erfahrungen unter rauen Bedingungen gesammelt haben. Ich bin deshalb überzeugt, dass eine erfolgreiche Anwendung auch in Südtiroler Höhenlagen möglich ist. Mit der Wahl geeigneter Gemüsearten und richtiger Anbauzeiten kann auf die ungünstigen Klimabedingungen reagiert werden.

Wie ertragreich sind die Winterernten im Vergleich zum Sommer?

  • Der Winter ist naturgemäß keine Jahreszeit gemüsebaulicher Höchsterträge, vor allem wenn man ihn so extensiv nutzt, wie wir das in unserem heizungsfreien Konzept vorsehen. Nach unseren Erfahrungen werden die Mindererträge aber durch die hohe Wertigkeit der gewonnenen Produkte wettgemacht. Konsument/inn/en sind bereit, für frische regionale und saisonale Ware auch (auf das Gewicht bezogen) höhere Preise zu bezahlen. So lassen sich Sommer und Winter durchaus vergleichen: zwar bringt ein Stück Salat im Sommer fast einen halben Kilogramm auf die Waage, im Winter kann der 150-200 g schwere Kopf aber um mindestens den gleichen Preis verkauft werden. Und letztlich geht es für den Betrieb ja um den erwirtschafteten Erlös .