Società | Mobilität

„Doppelt so viele Passagiere“

STA-Direktor Joachim Dejaco über die Elektrifizierung der Vinschger Bahn, die Arbeiten und Kosten und eine mögliche Anbindung an die Schweiz und die Lombardei.
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Foto: Hannes Prousch

Salto.bz: Herr Dejaco, warum wird die Vinschger Bahn elektrifiziert?

Joachim Dejaco: Es gibt zwei zentrale Gründe. Erstens aus Gründen des Umweltschutzes, denn bei einem elektrischen Zug wird kein CO2 ausgestoßen. Zweitens haben wir ein großen Problem mit den überfüllten Züge. Wir haben einmal eine Zuschrift bekommen in der unter anderem stand: „Hier spielen sich katastrophale Szenarien ab. Tiere können beim Transport mehr Platz beanspruchen als Menschen. Die Transporte sind unwürdig.“ Als man die Vinschger Bahn reaktiviert hat, rechnete man mit 500.000 bis zu einer Million Fahrgästen. Bei der Eröffnung sprach der damalige Mobilitätslandesrat Widmann davon, dass man 1,5 Millionen Fahrgäste jährlich erreichen werde. Mittlerweile sind es zwei Millionen. Dieses Problem können wir mit der Elektrifizierung lösen.

 

Die Antriebsart erhöht die Kapazität?

Ja, indirekt. Denn wir können mit längeren Zügen fahren. Sie müssen wissen, die heutigen Züge sind 40 Meter lang und haben jeweils 100 Sitzplätze. Das bedeutet, dass momentan im Schnitt 150 Passagiere pro Fahrt befördert werden können. Bei 50 Zügen pro Tag kommen wir da auf 7.500 Passagiere. In Zukunft werden wir die Strecke aber mit 106 Meter langen FLIRT-Garnituren befahren. Diese haben knapp 300 Sitzplätze. Bei 60 Zügen am Tag kommt man da rechnerisch auf 18.000 Sitzplätze am Tag. Das bedeutet, die Kapazität wird mehr als verdoppelt. Es kann natürlich immer noch in der Früh oder zu Mittag einen Zug geben, wo die Leute stehen müssen, wenn die ganzen Schüler unterwegs sind. Aber wir schaffen es durch die Elektrifizierung die Kapazität der Vinschger Bahn entscheidend zu erhöhen.

 

Auch die Frequenz der Züge, das heißt der Fahrplan, wird sich ändern?

Heute haben wir alle Stunde einen Zug und dazwischen alle zwei Stunden einen Expresszug. Aber wir haben trotzdem im Fahrplan ein Loch drinnen. Außerdem muss ich in Meran umsteigen, wenn ich in Richtung Bozen will, oder von dort komme. In Zukunft wird es kein Loch mehr im Fahrplan geben, sodass wirklich jede halbe Stunde ein Zug fährt, der überall hält. Außerdem brauche ich in Meran nicht mehr umsteigen, sondern kann sitzen bleiben und bequem weiterfahren.

„Hier spielen sich katastrophale Szenarien ab. Tiere können beim Transport mehr Platz beanspruchen als Menschen. Die Transporte sind unwürdig.“

 

Für die Elektrifizierung braucht es aber umfangreiche Anpassungsarbeiten, die sich nachhaltig Wie auf die Landschaft und die alten Bahnhöfe auswirken?

Wir werden insgesamt 1500 Masten für die Oberleitung aufstellen. Die Strecke ist 60 Kilometer lang und wir brauchen alle 40 Meter einen Masten. Entlang der Linie lassen wir aber die jeweiligen Baufirmen selbst entscheiden, da mischen wir uns nicht ein. Das heißt sie entscheiden dort selbst wo die Masten gesetzt werden. Bei den Bahnhöfen hingegen geben wir vor, wo die Masten stehen sollen und haben Bannzonen ausgewiesen, in denen kein Masten stehen darf. Die Bahnhofsgebäude sind ja wirkliche Schmuckstückchen aus dem frühen 20. Jahrhundert. Wir möchten nicht, dass diese zugepflastert werden.

 

Welche Arbeiten sind für die Elektrifizierung noch notwendig?

Sämtliche Bahnsteige müssen verlängert werden. Die bisherigen Garnituren kommen mit einem 100 Meter langen Bahnsteig aus aber die neuen Züge brauchen eben längere. Deswegen werden jetzt alle Bahnsteige auf 150 Meter verlängert. Diese Arbeiten haben bereits begonnen. An den ersten drei Bahnhöfen wurden diese Arbeiten bereits abgeschlossen. In Schlanders und in Laas hatten wir zusätzliche Schwierigkeiten, weil wir eine Unterführung gebaut haben. Vor allem in Laas, wo ein hoher Grundwasserspiegel war, war das eine Herausforderung. Aber wir konnten die Bauarbeiten mit einem zufriedenstellenden Ergebnis beenden.

 

Sämtliche Bahnsteige müssen verlängert werden.

 

Wie gestalten sich die Arbeiten an den Strommasten?

Ein Strommasten braucht ein Fundament, dass mindestens genau so tief ist, wie der Mast hoch ist. Da gibt es zwei Möglichkeiten: entweder ich mache einen massiven Betonsockel oder ich grabe so tief, bis der Masten auf einem Felsen steht. Wie die Firmen dann vorgehen, bleibt ihnen überlassen. Wahrscheinlich werden beide Methoden angewandt werden. Je nach Baugrund.

 

Woher soll der Strom für den Betrieb kommen?

Dafür ist eigenes E-Werk in Goldrain vorgesehen. Dieses wird von den Gemeinden Schlanders und Latsch, gemeinsam mit der alperia-Gesellschaft Edyna errichtet. Dieses Werk ist notwendig, weil ich irgendwo eine Trafostation brauche, die den Strom von der Hochspannungsleitung von 130 Kilovolt auf 20 Kilovolt heruntertransformiert. Weil dieses Werk relativ zentral an der Strecke liegt, haben wir uns entschlossen uns daran zu beteiligen. In diesem Umspannungswerk werden dann zwei Transformatoren für die Bahn sein und jeweils einer für die Latscher und die Schlanderser. So brauche ich nur einmal bauen. Für uns ist das auch praktisch, weil sich da die Edyna für uns darum kümmert.

 

Und dieses E-Werk speist dann die ganze Vinschger Bahn?

Ja, es speist die ganze Vinschger Bahn. Es werden aber zusätzlich noch in Mals und Algund jeweils kleiner Umspannungswerke gebaut. Diese werden aber nur für den Notfall gebraucht. Wenn nämlich irgendwo ein Kabel reist muss sichergestellt sein, dass der Betrieb trotzdem aufrecht erhalten werden kann, wenn auch mit Beeinträchtigungen. Aber das wichtigste ist, dass die Züge damit weiterhin fahren können.

 

Wird auch die Streckenführung verändert?

Damit der Zug schneller fahren kann und der Halbstundentakt garantiert ist, muss die Strecke zwischen Schlanders und Laas begradigt werden. Wir sprechen hier konkret von einer Gleisverschiebung von drei bis fünf Metern. So kann dort der Zug dann 100km/h schnell fahren und nicht nur 70km/h, wie bisher. Damit werden zwischen 30 und 60 Sekunden Fahrtzeit eingespart. Dadurch wird dann der neue Fahrplan erst möglich.

 

Was ist mit den Anrainern?

Die Anrainer werden Baulärm erleben, das brauch man nicht schön zu reden. Wir versuchen aber möglichst viele Arbeiten während des Tages zu machen. Das bedeutet, dass wir den Bahnbetrieb zweimal unterbrechen werden. Wir werden aber auch Verbesserungen der Baufirmen bewerten. Wenn jemand etwa leisere Maschinen verwendet oder schneller voran kommt, werden wir das auch honorieren. Und wir werden die Bevölkerung vorab informieren.

 

Was kommt auf die Fahrgäste zu?

Es wird verschiedene Unterbrechungen im Fahrbetrieb geben. Zweimal wird der Betrieb für drei Monate eingestellt. In dieser Zeit wird aber ein Schienenersatzdienst eingerichtet. Das ist aber eine ziemlich planbare Sache. Insofern wird das auch keine Schwierigkeiten machen.

 

Warum wird der Bahnverkehr zweimal unterbrochen?

Im Wesentlichen geht es darum die Masten aufzustellen. Wenn ich das in den bewohnten Gebieten unter Tags mache, dann brauche ich dort nicht in der Nacht arbeiten. Außerhalb der Dörfer kann ich auch in der Nacht arbeiten. Aber in einem Dorf geht das nicht, die Lärmbelästigung wäre zu groß. Ein zweites Mal wird der Fahrbetrieb für die Inbetriebnahme ausgesetzt. Es wird nämlich ein neues Signalsystem installiert. Wir möchten in diesen Zeitfenstern soviel Arbeiten wie möglich durchführen.

 

Zweimal wird der Betrieb für drei Monate eingestellt. In dieser Zeit wird aber ein Schienenersatzdienst eingerichtet.

 

Es wird auch ein völlig neues Signalsystem installiert?

Heute ist das Signalsystem über die Geleise in kleine Abschnitte unterteilt. In Meran wird dann angezeigt in welchem Abschnitt sich der Zug befindet und es wird ihm das Kommando gegeben, wie schnell er dort fahren darf. Das System an sich funktioniert gut, wir werden in Zukunft aber auf das europäische Signalsystem umsteigen. Dort bekommt der Zug nicht mehr über das Gleis die Information, sondern über Funk. Wir werden ein GSM-R (Global System for Mobile Communications – Rail(way), Anm. d. Red.) Netz aufbauen. Bei diesem Signalsystem meldet der Zug per Funk seine Position und die Zentrale in Meran sagt dem Zug wie schnell und wie weit er fahren darf. Somit berechnet der Zug dann automatisch seine Bremskurve und versucht einen optimalen Bremsvorgang durchzuführen. Mit dem neuen System kann ich außerdem auch zwei Züge hintereinander fahren lassen. Zudem braucht sich der Fahrer im Wesentlichen nur noch auf den Tacho zu konzentrieren.

 

Ist dieses System für die Vinschger Bahn wirklich notwendig?

Gerade auf der Bahnstrecke Bozen–Meran kommt es immer wieder zu Verspätungen. Da ist es hilfreich, weil sich durch dieses System die Züge nicht mehr so lange aufeinander warten lassen muss und so Verspätungen besser händeln kann.

 

Bis wann soll die Elektrifizierung der Vinschger Bahn abgeschlossen sein?

Wir befinden uns momentan in der Planungsphase. Erste Ausschreibungen und Arbeiten wurden bereits durchgeführt. Bis Anfang 2019 sollen die Arbeiten abgeschlossen sein.. Dann folgt die Inbetriebsetzung. Die neuen System müssen natürlich zuerst getestet und eingestellt werden, bis alles funktioniert. Zum Schluss kommen noch die ganzen Abnahmen und dann können wir in Betrieb gehen. Unser Ziel war immer der Fahrplanwechsel 2019. Wir sind momentan recht gut in der Zeit, eventuell verzögert sich das ganze um ein paar Monate.

 

Unser Ziel war immer der Fahrplanwechsel 2019. Wir sind aber momentan recht gut in der Zeit, eventuell verzögert sich das ganze um ein paar Monate.

 

Die obligate Frage nach den Kosten?

Wir rechnen mit Gesamtkosten von 65 Millionen Euro. Der Erlös aus dem Verkauf der elf Dieselzüge ist hier mit einberechnet.

 

Rechnet sich die Elektrifizierung finanziell?

Wir haben dazu schon vorab Berechnungen angestellt. Das Ergebnis ist, dass durch die viel geringeren Instandhaltungskosten der Betrieb von elektrischen Zügen mit zirka 5 Millionen Euro gegenüber 13 Millionen Euro sehr viel günstiger ist. Daher wird diese Investition in relativ kurzer Zeit amortisiert werden.

 

Wir rechnen mit Gesamtkosten von 65 Millionen Euro.

 

Hat diese Elektrifizierung auch mit den geplanten Verbindungen der Vinschger Bahn mit der Rhätischen Bahn in Graubünden und der Ferrovia Alta Valtellina zu tun?

Das Thema Schweiz steht auf der Tagesordnung und es werden Gespräche zwischen der Landesregierung und dem Kanton Graubünden geführt. Es gibt hierfür aber mehrere Optionen und man muss schauen, auf welche man sich einigt. Ich denke, dass es in ferner Zukunft auch zu dieser Verbindung kommt. Dafür müssen wird aber auf jeden Fall elektrisch unterwegs sein.

 

Und die angedachte Verbindung ins Veltlin?

Das ist wesentlich aufwändiger. Es gibt da eine Absichtserklärung zwischen Südtirol und der Lombardei, eine Tunnelverbindung zu machen. Für das Land Südtirol kommt hier nur ein Bahntunnel in Frage. In der Schweiz wurden bereits mehrere vergleichbare Projekte umgesetzt. Deswegen könnte es schon sein, dass diese Tunnelverbindung realisiert wird. Ich denke aber hier wird noch viel Wasser die Etsch hinunterfließen, bis dieses Projekt konkreter wird.

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Gregor Beikircher Sab, 08/19/2017 - 14:05

Der Artikel enthält ziemlich viele Rechtschreib- und Interpunktionsfehler, die inhaltsfremd und störend wirken. Dazu noch eine Frage: Gibt es auch "halbe" Schüler, weil sie von "ganzen" Schülern schreiben?

Beste Grüße für eine zukünftige Verbesserung

Sab, 08/19/2017 - 14:05 Collegamento permanente
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Albert Mairhofer Dom, 08/20/2017 - 20:31

Die gleichen baulichen Maßnahmen, die die Elektrifizierung erfordert, wären für die Einschienen-Hängebahn nötig, nur mit stärkeren Trägern und stärkerer Aufhängung der Multifunktionsschiene. Auf dem darunterliegenden Bahnkörper könnte der Geh- und Fahrradweg verlaufen, der die Verkehrsinfrastruktur bereichert und kein Hindernis darstellt, wie etwa die bestehende Eisenbahn. Eine Fahrschiene je Fahrtrichtung ermöglicht den Aerobussen in kurzen Abständen zu verkehren und somit sehr komfortables Reisen. Die EHB könnte über den Reschen und durch das Inntal bis St. Moritz verlängert werden, da diese auch größere Steigungen als eine Eisenbahn überwinden kann. Auch für die Verbindung ins Überetsch, für die Dolomitenerschließung und nicht zuletzt auch für das Tauferer- und Ahrntal hat die Hängebahn nicht zu übertreffende Vorteile.
Die zusätzlichen Möglichkeiten der Einschienen-Hängebahn als Container oder Aerobus oberhalb von Autobahn oder Straße sind geradezu bahnbrechende Neuerungen, die völlig neue Perspektiven eröffnen! Ist es doch die Straße selbst, die dadurch den Güterverkehr auf die Schiene bringt. Ein entsprechender Vorschlag zur photovoltaik-Überdachung, Elektrifizierung und Automatisierung der Brenner Autobahn wurde vorgebracht.

In Südtirol, auf Kohlern, wurde die erste Personenseilbahn der Welt errichtet und jetzt könnte mit der Einschienen-Hängebahn ein neues Verkehrsmittel eingesetzt werden, das 1/3 einer Eisenbahn kostet und unsere Gebirgstäler nicht zerschneidet!

Dom, 08/20/2017 - 20:31 Collegamento permanente