Società | Digitales Rezept

Schlusslicht Südtirol

Weil Südtirols Hausärzte zuwenig auf die digitale Verschreibung von Medikamenten zurückgreifen, winkt Sanitäts-Generaldirektor Thomas Schael jetzt mit dem Zaunpfahl.
Ärzte
Foto: upi
Die Aufregung ist groß.
Das Tagblatt der Südtiroler veröffentlichte am Freitag ein Rundschreiben von Thomas Schael an die Südtiroler Hausärzte. Der Generaldirektor des Südtiroler Sanitätsbetriebes kündigt darin an, dass in Zukunft die Hausärzte nur mehr 5 sogenannte rote Rezeptblöcke im Monat für die Verschreibung von Medikamenten bekommen werden. Auch vor dem Hintergrund, dass die Staatsdruckerei in Foggia im Auftrag des Sanitätsministeriums den Druck dieser Rezeptblöcke und deren Lieferung nach Südtirol deutlich reduziert hat. „Es ist eine Vorsichtsmaßnahme, damit wir plötzlich nicht ohne solcher Blöcke dastehen“, rechtfertigt Thomas Schael salto.bz gegenüber diese Vorgaben.
Das Rundschreiben hat nicht nur zum Ärger mancher Südtiroler Allgemeinmediziner beigetragen. Auch politisch rumort es. „Man soll die Verwaltung im Sanitätsbetrieb rationalisieren anstatt der Rezeptblöcke“, poltert der Landtagsabgeordnete der BürgerUnion Andreas Pöder. Auch der Kopf der Süd Tiroler Freiheit und Mediziner in spe Sven Knoll sieht es ähnlich: „Es ist ein Armutszeugnis für ein zivilisiertes Land, wenn inzwischen schon Rezeptblöcke rationiert werden müssen, nur weil der italienische Staat nicht mehr in der Lage ist ausreichend Blöcke zu drucken.
Doch ganz so einfach dürfte es nicht sein.
 

Verschlafene Digitalisierung

 
Vor genau 15 Jahren 2003 hat der italienische Staat ein Gesetz erlassen, das die vollständige Digitalisierung der Verschreibungen durch das Sanitätssystem vorsieht. Wirklich eingeführt wurde die sogenannte „ricetta dematerializzata“ aber erst 2011. Weil in vielen, italienischen Regionen sehr lange nichts in diese Richtung passiert ist, hat das Gesundheitsministerium 2017 ein Ultimatum lanciert. Bis März 2018 muss in ganz Italien diese Digitalisierung umgesetzt werden.
Südtirol prahlt gern mit seiner Vorreiterrolle in Italien. In diesem Bereich ist das Land aber absolutes Schlusslicht. Im November 2017 wurden Italienweit 83,99 Prozent aller Rezepte digital ausgestellt und versandt. Am fleißigsten ist dabei die Region Kampanien mit 93,83%, gefolgt von Molise (91,11%) und Trient (90,99%. Auf dem vierten Platz liegt Sizilien mit 90,50%.
 
Südtirol liegt in dieser Statistik weit abgeschlagen auf dem letzten Platz. Mit mickrigen 64,62 Prozent. Demnach wird bei uns jedes dritte Rezept noch auf dem Papierblock ausgestellt. Selbst Kalabrien, das lange auf dem letzten Platz lag hat Südtirol mit 84,85 Prozent inzwischen abgehängt.
 

Die Südtiroler Zahlen

 
Dass Südtirol in der Umsetzung des digitalen Rezeptes so deutlich nachhinkt, hat mehrere Gründe. Zum einen liegt die Verspätung in dem politische lange geduldeten Chaos rund um das EDV-System des Südtiroler Gesundheitswesen, das jahrelangen einen Stillstand bei der Vernetzung von Krankenhäusern, Abteilungen und Ärzten hervorgerufen hat.
Inzwischen wurde aber mit dem SIS ACCESS eine telematische Plattform geschaffen, über die die digitale Verschreibungen durchaus gut laufen. Das System betreut von der Südtiroler Informatik AG (SIAG) ist flächendeckend verbreitet. In Südtirol gibt es 343 Haus- und Kinderärzte. 331 davon, das sind 96,5 Prozent haben ein direkten Zugang zum SIS und damit auch die Möglichkeit Rezepte digital auszustellen.Weil die Ärzte in den Praxen verschiedene Systeme und unterschiedlichste Software benutzen, gibt es bei einigen wenigen, objektive technische Probleme“, sagt SIAG-Direktor Stefan Gasslitter.  Für diese will Thomas Schael bei der 5-Blöcke-Verordnung auch notfalls eine Ausnahme machen. Bei 307 Südtiroler Haus- und Kinderärzten funktioniert das System aber einwandfrei.
 

Schaels Verordnung

 
Wir sind italienweit abgeschlagen und wir müssen hier etwas tun“, rechtfertigt Thomas Schael sein Rundschreiben an die Ärzte. Der Südtiroler Sanitätsbetrieb hat 2017 4 Millionen rote Rezepte bestellt und auch verbraucht. Für das laufende Jahr hat man aber 35 Prozent weniger rote Rezeptblöcke bestellt. Genau 2,6 Millionen Rezepte. Generaldirektor Schael: „Mit denen müssen wir wohl oder übel auskommen.
 
Gleichzeitig soll die Sparankündigung Schaels aber auch die Hausärzte aufrütteln. Während die digitale Verschreibung bei den Südtiroler Kinderärzten fast flächendeckend angewandt wird (über 85 Prozent), liegt sie bei den Hausärzten weit darunter. Der Grund: Manche Ärzte scheren sich einfach nicht darum. „Es gibt viele, die es könnten und auch den Zugang und das System haben“, sagt Thomas Schael, „es aber ganz einfach nicht tun“.
Die Depesche soll genau diese Ärzte jetzt aufwecken. Und das scheint gelungen zu sein.