Politica | nach dem 4. märz

Süd-Tiroler Fantasien

Der Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer fordert die EU auf, eine Troika nach Rom zu entsenden. Nach den Wahlen sorgt man sich um die Stabilität in Italien.
Bernhard Zimmerhofer
Foto: STF

Bei den Parlamentswahlen wollte man nicht antreten. Auch weil, “die Selbstbestimmung und das Los von Rom das Hauptanliegen der Süd-Tiroler Freiheit ist und bleibt”. In die Angelegenheiten des verhassten Staates wolle man sich nicht einmischen, so der Tenor. Doch so ganz will das nicht klappen. Bereits am 5. März lud die Süd-Tiroler Freiheit (STF) zu einem Pressegespräch, um sich über den Wahlausgang auszulassen. Und nun, knapp zwei Wochen nach dem Wahlsonntag, meldet man sich erneut zu Wort – mit einer abenteuerlichen Forderung.

Der STF-Landtagsabgeordnete Bernhard Zimmerhofer fordert – in einer Aussendung – die EU-Kommission in Brüssel auf, eine Troika nach Rom zu entsenden. Die EU-Troika – bestehend aus Europäischer Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds – solle ihre Aufgabe wahrnehmen, “Länder zu überwachen, die sich in ernsten wirtschaftlichen Schwierigkeiten befinden und Kredite von der EU und dem IWF bekommen, um wieder auf die Beine zu kommen”, schreibt Zimmerhofer. Wie in Irland, Portugal, Zypern und Griechenland solle nun auch in Italien dafür gesorgt werden, “dass der Euro und insgesamt die EU nicht weiter destabilisiert wird”.

Das Szenario nach dem 4. März verleitet Zimmerhofer zu einer beunruhigenden Analyse:

“Wie zu erwarten, wird es in Italien auch nach den letzten Parlamentswahlen keine stabile Regierung geben, die imstande sein wird, notwendige und tiefgreifende Reformen durchzusetzen. Am dringendsten ist eine Wahlrechtsreform, um mehr Stabilität in das ganze Politsystem Italiens zu bringen. Es braucht eine höhere Prozenthürde für Kleinstparteien und insgesamt eine Reduzierung des Politapparates, z.B. durch die Abschaffung des Senats. Statt sich für diese Reformen einzusetzen, haben sich die wahlwerbenden Parteien und deren Spitzenkandidaten mit unhaltbaren und oft wahnwitzigen Versprechen nur so gegenseitig übertrumpft. Wie dies alles finanzierbar sein soll, darüber verschwendete man wenige Gedanken, obwohl der EU-Fiskalpakt (Maastricht-Kriterien) eine zusätzliche Verschuldung Italiens eigentlich verbietet. Italien ist Mitglied im Euroraum und müsste somit auch die Maastricht-Stabilitätskriterien einhalten, was es aber nicht tut! Die EU kann sich jetzt, nach dem Brexit und den damit zusammenhängenden Problemen durch den Wegfall eines Nettozahlers und darüber hinaus mit der anhaltenden Migrationskrise, nicht auch noch eine weitere Baustelle mit Italien leisten. Mit der Lega und der 5-Sterne-Bewegung wurden EU-skeptische Parteien gewählt, die öffentlich sogar mit dem EU- bzw. Euro-Austritt drohen. Dies wiederum hätte für Süd-Tirol fatale politische und wirtschaftliche Folgen!”

Die Süd-Tiroler Freiheit wird der EU-Kommission zur Hand gehen, verspricht Zimmerhofer und “eine Auflistung erstellen, aus der hervorgeht, wo der Staat überflüssige Ausgaben tätigt und wo es vermeidbare Doppelgleisigkeiten mit der Landesverwaltung gibt. Damit würde ersichtlich, wie viel Steuergeld eingespart werden könnte, etwa durch die Abschaffung des Regierungskommissariats oder des Regionalrates. Die Liste soll dann der EU-Kommission bzw. der Troika überreicht werden”.

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Manfred Klotz Ven, 03/16/2018 - 15:34

Interessant: 2016 aufrufen gegen die Verfassungsreform zu stimmen mit der der Senat praktisch abgeschafft worden wäre und jetzt für die Abschaffung des Senats plädieren... Der Begriff "Kohärenz" fehlt anscheinend im Wörterbuch der STF.

Ven, 03/16/2018 - 15:34 Collegamento permanente
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Harald Knoflach Ven, 03/16/2018 - 19:53

In risposta a di Manfred Klotz

in der verfassungsreform ging es noch um mehr als um die abschaffung des senates. andere punkte mögen für einige schwerwiegender gewesen sein (zentralisierung, nationales interesse usw.). man kann also durchaus für die abschaffung des senates sein und gleichzeitig die verfassungsreform von damals ablehnen, oder nicht?
man sollte bei allem widerstand redlich bleiben. z.b. mit der hofer-aktion am kongress mit rechtsextremen teilnehmern kann man der stf einen saftigen strick drehen. die von dir andeutete "inkohärenz" taugt nicht dazu.

Ven, 03/16/2018 - 19:53 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Sab, 03/17/2018 - 07:40

In risposta a di Harald Knoflach

Doch, tut sie schon, denn die anderen Aspekte der Verfassungsreform, das muss ich dir wohl nicht erklären, hätten Südtirol nicht tangiert, Das wurde eigentlich schon ordentlich breitgetreten, aber, wie man in Italienisch so treffend sagt, "Non c'è peggior sordo di chi non vuol sentire". Die STF hat die Verfassungsreform damals nur als rotes Tuch für Patrioten benutzt, um Zuspruch zu gewinnen. Das was du ins Feld führst "Verfassungsreform ablehnen und doch Senat abschaffen" ist typische Südtiroler Rosinenpickerei.

Sab, 03/17/2018 - 07:40 Collegamento permanente
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Harald Knoflach Sab, 03/17/2018 - 11:27

In risposta a di Manfred Klotz

1. ok. das trifft jetzt vielleicht nicht auf die stf zu, aber ich kann als südtiroler schon auch prinzipiell gegen zentralisierung sein - auch wenn es für mich sonderregelungen gäbe. aus solidarität, aus prinzip. aus anstand, den anderen gegenüber.
2. die ominöse schutzklausel ist völlig unpräzise und kann - sag ich mal - flexibel interpretiert werden, wie das - je nach regierung in italien der fall ist.
"Le disposizioni di cui al capo IV della presente legge costituzionale non si applicano alle Regioni a statuto speciale e alle Province autonome di Trento e di Bolzano fino alla revisione dei rispettivi statuti sulla base di intese con le medesime Regioni e Province autonome. [...] a seguito della suddetta revisione, alle medesime Regioni a statuto speciale e Province autonome si applicano le disposizioni di cui all’articolo 116 [...], della Costituzione, come modificato dalla presente legge costituzionale."
3. mit rosinenpickerei hat das meines erachtens gar nichts zu tun, da da völlig unterschiedliche thematiken zur diskussion gestanden sind.

Sab, 03/17/2018 - 11:27 Collegamento permanente
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Manfred Klotz Sab, 03/17/2018 - 12:12

In risposta a di Harald Knoflach

Bezüglich der Schutzklausel, die du als flexibel interpretierbar erachtest zitierst du selbst: "sulla base di intese con le medesime Regioni e Province autonome". Da gibt es keine Flexibilität. Da müsste schon das Verfassungsgesetz geändert werden und dass man keine Zwei-Drittel-Mehrheit dafür findet müsste auch klar sein.

Sab, 03/17/2018 - 12:12 Collegamento permanente
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Ludwig Thoma Ven, 03/16/2018 - 18:10

Hoffentlich erzählt dem Herrn Zimmerhofer niemand, dass auch andere Kernländer wie Frankreich und Belgien die Maastrichter Kriterien nicht immer einhalten, sonst würde er womöglich noch draufkommen, dass diese "Stabilitätskriterien" jeglicher wirtschaftswissenschaftlicher Grundlage entbehren. Aber Jemandem der bei solchen Fragen die Migrationskrise mit ins Spiel bringt, hilft das wahrscheinlich auch nicht groß weiter.

Ven, 03/16/2018 - 18:10 Collegamento permanente