Politica | SVP

Måwes Schatten

Die Vinschger Landtagskandidatin Elfi Kirmaier und die SVP haben ein ernsthaftes Problem. Der SVP-Kandidatin fehlt (noch) die italienische Staatsbürgerschaft.
Kirmaier, Elfi
Foto: vinschgerwind
Elfi Kirmaier ist gescheit und geschickt. 
Die designierte Vinschger SVP-Landtagskandidatin sitzt vor ein paar Wochen in der Redaktion des „VinschgerWind“. Chefredakteur Erwin Bernhart hat sie zum Interview geladen. Dabei stellt Bernhart auch eine Frage, die man im Nachhinein als provokanten Nadelstich sehen kann: „Haben Sie selbst eine Doppelstaatsbürgerschaft?
Elfi Kirmaiers antwortet - laut Abschrift - mit einem Lachen:
 
„Ich bin Europäerin. Meine Kinder haben beide Staatsbürgerschaften. Gerade weil ich eine bin, die zwei Staatsbürgerschaften haben kann, stelle ich fest, dass das nichts bringt. Zugehörigkeit passiert nicht über ein Dokument. Bei mir hat sich Identifikation und Zugehörigkeit entwickelt, weil die Menschen mit mir nett sind und mich respektvoll behandeln.“
 
Diese Antwort ist ein Kunststück. Elfi Kirmaier umschifft darin verbal äußerst geschickt, ein ernsthaftes Problem. Ein Problem, das selbst innerhalb der SVP seit Wochen wie ein Staatsgeheimnis gehütet wird.
Denn die SVP-Landtagskandidatin muss derzeit noch zittern, ob sie am Ende wirklich auf der Landtagsliste stehen wird. Der Grund dafür: Ihr fehlt bisher eine Grundvoraussetzung für die Kandidatur: Die italienische Staatsbürgerschaft.
 

Die Bayerin

 
Elfi Kirmaier redet in einem so breiten Vinschger Dialekt, dass man erst gar nicht auf die Idee kommt, sie sei keine Südtirolerin. In Wirklichkeit ist die SVP-Kandidatin aber deutsche Staatsbürgerin.
Anna Elfriede „Elfi “ Kirmaier wird 1962 auf einen Hof in Bayern geboren. „Ich bin als Hopfenbauerstochter mit angebundener Viehwirtschaft aufgewachsen. Ich habe melken gelernt und ausgemistet und bin in einer Jägerfamilie groß geworden“, beschreibt sie im VinschgerWind-Interview ihre Kindheit.
Mitte der Achtziger Jahre verschlägt es Kirmaier nach Südtirol. Der Liebe wegen. Sie heiratet einen St.Paulser, gründet eine Familie, bekommt zwei Kinder. Sie arbeitet zuerst im Altersheim St. Pauls, dann in Auer.
Die als äußerst zielstrebig geltende gelernte Krankenschwester mit Management-Zusatzausbildung arbeitet sich im Südtiroler Sozial- und Sanitätssystem schnell nach oben. Zuerst wird Kirmaier Bereichsleiterin für Obdachlose bei der Caritas in Meran, dann Direktorin des Bildungshauses Lichtenburg in Nals. Seit einigen Monaten leitet sie als Direktorin die private chirurgischen Fachambulanz „Cityklinik“ in Bozen.
Seit Jahren ist Elfi Kirmaier mit dem ehemaligen Laaser FF-Journalisten und Ex-Direktor der „Stiftung Vital“ Franz Plörer liiert. Beide leben zusammen in Laas. Plörer gilt als enger Freund von Richard Theiner und er hat in den vergangenen Jahren auch für das Theiner-Ressort gearbeitet.
 
In diesem Netzwerk um den ehemaligen SVP-Obmann legt Kirmaier dann innerhalb der Volkspartei in wenigen Monaten einen rasanten Aufstieg hin. Im April 2017 wird sie in Laas zur stellvertretenden Vinschger SVP-Frauenchefin gewählt. Bei den SVP-Vorwahlen im Jänner 2018 tritt Kirmaier im Vinschgau an und sticht dabei die favorisierte Latscher Vizebürgermeisterin Sonja Platzer deutlich aus. Am 19. Mai 2018 nominiert der SVP-Bezirk Vinschgau seine bindenden Landtagskandidaten. Auf der Bezirksausschuss-Sitzung auf Schloss Goldrain werden Elfi Kirmaier und Sepp Noggler für die Landtagsliste designiert.
 

730 Tage

 
Was aber kaum jemand weiß: Elfi Kirmaier ist deutsche Staatsbürgerin und kann deshalb gar nicht zu den Landtagswahlen antreten. Dazu braucht sie die italienische Staatsbürgerschaft. 
Mit dem Maastricht-Vertrag wurde allen EU-Bürgern das aktive und passive Wahlrecht in den Mitgliedsstaaten gewährt, in denen sie ansässig sind. Doch mit einer wichtigen Einschränkung. Die Bestimmungen gelten nur für die EU-Wahlen und die Gemeindewahlen. Will ein EU-Bürger bei den Landtagswahlen antreten, muss er zuerst die italienische Staatsbürgerschaft beantragen. Dazu müssen er oder sie, mindestens 4 Jahre in Italien ansässig sein. Danach kann er den Antrag auf Erhalt der italienischen Staatsbürgerschaft stellen. 
Was auf den ersten Blick problemlos wirkt, könnte aber durchaus zum Stolperstein werden. Denn die Behandlung des Antrages dauert laut offizieller Auskunft bis zu 730 Tage, also über zwei Jahre. Denn es ist eine zweifache Kontrolle und Bearbeitung vorgesehen. Zuerst kontrolliert das Regierungskommissariat die gesamten eingereichten Dokumente und gibt ein Gutachten ab. Danach folgt eine zweite Begutachtung durch das Innenministerium. 
 
Wird die Staatsbürgerschaft erteilt, so hat das Regierungskommissariat 90 Tage Zeit, dem neuen Staatsbürger das Dekret zuzustellen. Dieser muss dann mit dem Dekret in seiner Wohnsitzgemeinde vorstellig werden und dort den Eid auf die Verfassung und die Republik Italien schwören. Erst dann ist man effektiv, italienischer Staatsbürger.
Dazu kommt noch, dass Elfi Kirmaier - ist sie italienische Staatsbürgerin - für die Landtagswahlen auch noch eine Ad-Hoc-Sprachgruppen-Erklärung machen muss. 
 

Déjà vu

 
So dürfte sich eine Geschichte wiederholen, die unterm Edelweiß bereits vor fünf Jahren für einigen Wirbel gesorgt hat.
Bei den Landtagswahlen 2013 hatte die Parteiführung im allerletzten Moment die damals 36jährige Akademikerin, BLS-Angestellte und Sängerin Marie Måwe als Kandidatin aus dem Zylinder gezaubert. Måwe stammt aus Lappland, ist schwedische Staatsbürgerin und auch ihr fehlte damals die italienische Staatsbürgerschaft.
Weil in Südtirol auch EU-Ausländer zwischen zwei und 4 Jahre auf die italienische Staatsbürgerschaft warten, hat damals die SVP ihre politischen Netzwerke in Rom spielen lassen. Mehrere Parlamentarier intervenierten. Marie Måwe bekam eine Vorzugsbehandlung und damit rechtzeitig die Staatsbürgerschaft. Die junge Schwedin schaffte einen Riesenerfolg. Sie ist heute die erste Nichtgewählte auf der SVP-Landtagsliste. 
 
Genauso will man es jetzt auch bei Elfi Kirmaier machen. Kirmaier hat dabei aber einen Vorteil. „Ich habe bereits 2016 um die Staatsbürgerschaft angesucht“, sagt Kirmaier zu salto.bz. Erst im vergangenen Jänner musste sie Übersetzungen und Dokumente dazu nachreichen. „Zudem bin ich wieder verheiratet“, sagt sie, „was die Anerkennung wesentlich beschleunigt“. 
Elfi Kirmaier selbst gibt sich gelassen. „Mir wurde gesagt, dass ich die italienische Staatsbürgerschaft bis Juni bekommen dürfte“, meint die designierte SVP-Landtagskandidatin.
Vertrauen auf den italienischen Amtsschimmel vorausgesetzt.