Economia | Arbeitnehmer

„Leicht pessimistisch“

Erstmals hat das Afi ein Stimmungsbaromter der Südtiroler Beschäftigten erstellt. Die meisten halten ihren Arbeitsplatz nach wie vor für sicher, sehen die künftige Entwicklung aber eher düster.

Das Arbeitnehmerbarometer ist ein Novum für Südtirol. Bislang wurden lediglich die Unternehmer zur Einschätzung der konjunkturellen Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft befragt. Dreimal jährlich erstellte das Wirtschaftsforschungsinstitut der Handeslkammer aus den Antworten der rund 1.200 befragten Unternehmen das Wirtschaftsbarometer.

Heuer wurde zum ersten Mal eine repräsentative Auswahl von 500 der rund 200.000 Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen Südtirols befragt. Das Arbeitsförderungsinstitut bat sie um eine Einschätzung ihrer eigenen aber auch der allgemeinen wirtschaftlichen Situation und der Zukunftsaussichten für Südtirol.

Wie beurteilen Sie die Zukunft der Südtiroler Wirtschaft? Wie hoch ist das Risiko, den eigenen Arbeitsplatz zu verlieren? Wie schwierig würde sich die Suche nach einer gleichwertigen Arbeitsstelle gestalten? Welchen Problemen muss sich Südtirol heute stellen? Dies nur einige der Fragen, die in der ersten Junihälfte an 500 Südtiroler ArbeitnehmerInnen gestellt wurden.

Die Antworten, die am Donnerstag präsentiert wurden, zeigen, dass sich die Südtiroler Arbeitnehmer des Umstands bewusst geworden sind, längst nicht mehr auf einer Insel der Seeligen zu leben. Zwar empfinden 85 Prozent der Befragten kein unmittelbares und akutes Risiko, den Arbeitsplatz zu verlieren. Gleichzeitig ist man sich aber mehrheitlich (72%) bewusst, dass es aktuell schwierig wäre, eine gleichwertige Arbeitsstelle zu finden.

 

 

Auch die Prognosen für die Entwicklung der Südtiroler Wirtschaft zeigen eine leicht fallende Tendenz: Fast die Hälfte (46%) der befragten ArbeitnehmerInnen erwartet eine konstante Entwicklung und fast ebenso viele (44%) sogar eine Verschlechterung der Situation. Nur zehn Prozent erwarten eine Verbesserung in den nächsten zwölf Monaten.

Befragt nach dem Lebensstandard, geben knapp zwei Drittel der Beschäftigten an, mit ihrem Gehalt über die Runden zu kommen. Das restliche Drittel tut sich hingegen schwer, das Monatsende zu erreichen. Entsprechend differenziert sind auch die Sparmöglichkeiten. Die Hälfte der Südtiroler ist zuversichtlich, in naher Zukunft Geld auf die hohe Kante legen zu können, die andere Hälfte verneint die Möglichkeit, sich ein finanzielles Polster anlegen zu können.

Das AFI-Barometer wird als repräsentative, telefonische Umfrage von nun an viermal im Jahr erstellt und zwar im März, Juni, September und Dezember. „Mit dieser Umfrage schließt das Arbeitsförderungsinstitut eine Forschungslücke“ erklärt Afi-Chef Stefan Perini. Während das Wirtschaftsbarometer bereits seit Mitte der 80er Jahre eingefangen wird, fehlte bis auf heute ein regelmäßiges Stimmungsbild auf Arbeitnehmerseite.

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Alfred Ebner Gio, 07/11/2013 - 17:58

Die Studie des AFI/IPL ergibt eine gutes Bild von der lokalen Realität und wie sie von den Arbeitnehmern empfunden wird. Grundsätzlich kann man die Studie des AFI nur begrüßen und auch die Tatsache, dass sie nicht eine Eintagfliege sein wird, denn nur periodische Erhebungen können Trends genauer definieren. Aus wissenschaftlicher Sicht ist die Studie sicherlich korrekt und auch aussagekräftig, trotz einer relativ geringen Anzahl von Befragten. Solche Umfragen können sicherlich nur momentane Wahrnehmungen und zukünftige Trends wiedergeben, was natürlich unterschiedliche Interpretationen zulässt.
Das Ergebnis ist ein Gesamtbild, das nicht so dramatisch ist, wie man aufgrund der andauernden Wirtschaftskrise vermuten könnte. Die Arbeitnehmer beurteilen die gegenwärtige Situation in Südtirol mit viel Hausverstand. Es gibt zweifelsohne Schwierigkeiten, aber trotzdem herrscht noch Zuversicht. Die Beurteilung der eigenen Beschäftigungssituation als positiv, (85%) ist ein Zeichen, das weder die Sozialpartner, noch die Politik unterschätzen sollten. Nicht zu vergessen, dass nebenbei eine große Anzahl von Personen Saisonarbeiten verrichtet, die alles andere als stabil sind. Ziel muss es somit sein so zu handeln, dass diese insgesamt gesehen recht gute Stimmung nicht ins Gegenteil umschlägt.
Auch die grundsätzlich positive Beurteilung der eigenen Arbeitsbedingungen sollte man berücksichtigen, handelt es sich doch oftmals um qualitativ nicht gerade hochwertige Arbeitsplätze, wie man von verschiedenen Kommentatoren immer wieder zu hören bekommt. Die Schwierigkeiten die beklagt werden sind auch nicht neu, auch wenn in Krisenzeiten der Druck auf die Arbeitnehmer sicherlich zunimmt.
Ebenso verwunderlich ist die Beurteilung der wirtschaftlichen Situation und der zukünftigen Perspektiven seitens der Befragten, besonders vor dem Hintergrund katastrophaler Nachrichten aus anderen Ländern und Regionen. Natürlich ist die Zuversicht im Schwinden und auch Südtirol braucht zusätzliche Maßnahmen um nicht ins Trudeln zu kommen. Besondere Aufmerksamkeit muss man zum Beispiel jenen Familien widmen, deren Einkommen nicht bis ans Monatsende reicht. Wenn man trotz Arbeit und einem normalen Leben nicht mit dem Geld auskommt ist Eile geboten. Für die restlichen Familien hat das Sparschwein anscheinend zum größten Teil seine Schuldigkeit getan. Auch dies sollte nicht unterschätzt werden.
Zuversicht ist ein wichtiger Faktor für den Wirtschaftskreislauf. Hier gibt es zwar Aufholbedarf und sicherlich sind die Sozialpartner und die Politik stärker gefordert, als in der Vergangenheit. Es hat aber wenig Sinn Vergangenem nachzutrauern oder nur über die zukünftigen Risiken zu diskutieren. Wir leben in der Gegenwart und diese müssen wir meistern. Natürlich müssen wir auch an die Zukunft denken und sie auch planen. Dies bedeutet aber nicht unser ganzes Handeln nur auf Vorhersagen aufzubauen, die oftmals nach den jeweiligen Interesse erstellt werden, wie die Rating Agenturen zur Genüge belegen. Alfred Ebner

Gio, 07/11/2013 - 17:58 Collegamento permanente