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Versuch einer Demontage

Philipp Achammer soll aufgebaut und Arno Kompatscher demontiert werden. Der Plan einflussreicher Kreise innerhalb der SVP nach dieser Landtagswahl. Die Hintergründe.
SVP Kompatscher Achammer
Foto: SVP Mediendienst
Ein Bild sagt mehr als tausend Worte.
Am Morgen nach der Landtagswahl lädt Arno Kompatscher im Pressesaal des Palais Widmann zur Pressekonferenz. Während der Landeshauptmann umrahmt vom Nordtiroler Amtskollegen Günther Platter seine Wahlanalyse abgibt, sitzt mitten unten den Medienleuten Philipp Achammer. Der SVP-Obmann und Kulturlandesrat ist nicht alleine gekommen. Mit dabei auch Achammers Ehefrau Nicole Uibo.
Kaum ist der offizielle Teil der Kompatscher Pressekonferenz vorbei, gibt nicht nur der SVP-Obmann bereitwillig Interviews. Auch seine Frau, die als Miss Südtirol 2016 durchaus Medien erprobt ist, wird in diesem Moment vor den Mikrophonen und Kameras zur gefragten Politikanalystin.
Es ist fast schon eine surreale Situation: Ein Parteichef nutzt die offizielle Pressekonferenz des Regierungschefs am Regierungssitz als Bühne für sich selbst und seine Ehefrau. Dabei hatte Philipp Achammer keine zweieinhalb Stunden zuvor am SVP-Sitz bereits eine Pressekonferenz abgehalten. Dort kommentierte er als SVP-Chef und Hausherr den Ausgang der Landtagswahlen umfassend.
 
Achammers Auftritt im Palais Widmann ist kein Zufall. Am selben Abend stellt der SVP-Obmann auch im Fernsehen sein neues Selbstbewusstsein zur Schau. In der „Elefantenrunde“ von RAI Südtirol nimmt der SVP-Obmann im Vergleich zum ebenfalls anwesenden Landeshauptmann einen solchen Raum ein, dass sich der unbeteiligte Zuseher ernsthaft fragen muss, wer hier eigentlich der Regierungschef und Landeshauptmann ist.
Dabei ist Achammers selbstbewusstes Auftreten nach der Landtagswahl 2018 alles andere als ein Zufall.
 

Unbequemer Kompatscher

 
Landeshauptmann Arno Kompatscher ist einflussreichen Kreisen innerhalb der SVP seit langem ein Dorn im Auge. Der Völser Regierungschef, dem mangelnde Bürgernähe vorgeworfen wird, ist immun gegen die traditionellen Seilschaften unterm Edelweiß. Vor allem aber ist Kompatscher in seinen ersten fünf Jahren als Landeshauptmann mit seinen Entscheidungen mehrmals den wirtschaftlichen Interessen  mächtiger Interessensgruppen im Weg gestanden.
Allen voran dem Koloss Athesia oder etwa dem Unternehmen SAD AG von Ingomar Gatterer. Zur letzteren Interessensgruppe muss man auch Kompatschers Vorgänger Luis Durnwalder zählen. Eine Tatsache, die Durnwalders latente Kritik an seinem Nachfolger in ein anderes, bezeichnendes Licht rückt.
Der Athesia-Konzern behandelt Arno Kompatscher nach seiner erprobten Taktik: Zuckerbrot und Peitsche.
 
So veröffentlichen die „Dolomiten“ am Tag vor der Landtagswahl ein großes Kompatscher-Interview, das in Wirklichkeit schon Tage zuvor geführt worden war. Es ist ein klarer Bruch aller demokratischen Spielregeln, die am Samstag vor dem Urnengang eine Wahlruhe vorschreiben.
Auf der anderen Seite hat der Athesia-Direktor und amtierende Handelskammerpräsident Michl Ebner die Dreistigkeit dem Landeshauptmann ein detailliert ausgearbeitetes Dossier vorzulegen, das beweisen soll, dass der Athesia Konzern 80 Prozent des Medienmarktes Südtirols beherrscht, aber nur 70 Prozent der Werbemittel und Ausgaben des Landes in diesem Bereich bekommt.
Deutlicher konnte der Wink mit dem Zaunpfahl vor einigen Monaten kaum sein.
 

Die Demontage

 
Vor diesem Hintergrund arbeitet man seit langem an einem einfachen Plan. Philipp Achammer soll gepusht und Arno Kompatscher demontiert werden.
Achammer, dessen Ehefrau als Miss Südtirol vertraglich an die Athesia gebunden war, wird seit langem in den Athesia-Medien als Lichtgestalt präsentiert. Geschickt lanciert der SVP-Obmann dabei Homestorys und Exklusivnachrichten aus der Brennerstraße über den Ebner-Verlag.
Das klare Ziel: Arno Kompatscher sollte bei dieser Wahl von den Wählern abgestraft und Philipp Achammer belohnt werden. Doch der Plan ging nur halb auf. Kompatscher hat am Sonntag zwar 12.907 Vorzugsstimmen verloren und Achammer gleichzeitig  18.810 Stimmen gewinnen und damit seine Stimmenanzahl im Vergleich zu 2013 mehr als verdoppeln können, das ganz große SVP-Fiasko blieb aber aus. Die Volkspartei blieb deutlich über 40 Prozent. Damit ist der laute Ruf nach einem neuen Landeshauptmann kaum umsetzbar.
Deshalb rechnet man jetzt publizistisch ab.
 
Zwei Tage nach der Landtagswahl schreibt Dolomiten-Chefredakteur Toni Ebner in einem Kommentar auf der Titelseite:
 
„Der mit viel Aufwand gepushte Spitzenkandidat Arno Kompatscher konnte weder die effiziente Wahlmaschinerie der Volkspartei noch seinen Landeshauptmann-Bonus voll nutzen. Ein Verlust von 12.907 Stimmen kann auch nicht mit einem gleichnamigen Mitkandidaten erklärt werden. Der kompetente, immer gut vorbereitete und stets lächelnde Landeshauptmann erzielt zwar ein ordentliches Stimmenpolster für sich selbst. Er ist aber kein Zugpferd für die SVP. Er ist ein Verwalter und kein Volkstribun. Den SVP-Wahlkampf auf eine Person zuzuschneiden, war ein Fehler. Die SVP hätte mehr profitiert, sich als Mannschaft mit dem Kapitän Kompatscher zu präsentieren, die das Match gewinnen will.“
 

Falsches (Zahlen)Spiel

 
Im Blattinneren derselben Zeitung geht die bewusste Demontage des Landeshauptmannes bei gleichzeitiger Überhöhung des jungen SVP-Obmannes dann weiter.
Neben dem schmeichelnden Titel „Für Philipp Achammer geht es in der Politik weiter steil nach oben“, findet sich ein Artikel mit der Überschrift „Kompatschers Flugkurve bekommt deutlichen Knick“.
Die Analyse über die Verluste von Kompatschers ist dabei mit einer schön aufgemachten Grafik garniert, die alle Vorzugsstimmen zeigen, die Südtirols Landeshauptleute seit 1960 bei Landtagswahlen bekommen haben. Auf dem ersten Blick sieht Arno Kompatschers Vorzugsstimmen-Ergebnis im Vergleich zu Silvius Magnago und Luis Durnwalder wirklich mager aus.
Natürlich ist es klar, dass Stimmenverluste - wie sie die SVP bei den Landtagswahlen erlitten hat - auch dem Spitzenkandidaten, der bei dieser Landtagswahl Arno Kompatscher hieß, zugeschrieben werden müssen.
Doch in Wirklichkeit sagt die Dolomiten-Grafik genau das Gegenteil jener Botschaft, die man vermitteln will.
Das Tagblatt der Südtiroler gibt die Vorzugstimmen für den Landeshauptmann und die Anzahl der gesamten gültigen Stimmen der jeweiligen Landtagswahl wieder. Dabei gibt es für die Beliebtheit und das persönliche Vorzugsstimmen-Ergebnis eines Landeshauptmannes nur einen mathematisch-logischen Vergleich.
Man setzt die Vorzugsstimmen des Landeshauptmannes in Relation zu den Stimmen, die die Volkspartei bei den entsprechenden Landtagswahlen erhalten hat. Tut man das, so sieht die „Flugkurve Kompatschers“, deutlich anders aus.
 

Die Vorzugsstimmen*

 

Silvius Magnago

1960    31,54%
1964    42,37%
1968    26,33%
1973    40,96%
1978    43,84%
1983    43,90%
 

Luis Durnwalder

1988    41,51%
1993    50,31%
1998    60,69%
2003    65,76%
2008    66,78%
 

Arno Kompatscher

2013    61,80%
2018     57,28%
 
* Prozent der SVP-Wähler, die dem Landeshauptmann bei den Landtagswahlen eine Vorzugsstimme gegeben haben.
 

Vor Magnago und Durnwalder

 
Bei den Landtagswahlen 2018 haben 119.108 Wählerinnen und Wähler das Edelweiß angekreuzt. 68.201 davon haben Arno Kompatscher eine Vorzugsstimme gegeben. Das heißt: Kompatscher wurde von 57,28 Prozent der SVP-Wähler gewählt.
Es ist ein Prozentsatz, den Silvius Magnago bei insgesamt sechs Landtagswahlen nie erreicht hat. Magnagos bestes Ergebnis war zugleich seine letzte Landtagswahl 1983, bei der 43,90 Prozent der SVP-Wähler ihm als Landeshauptmann die Vorzugsstimme gaben.
Aber auch Luis Durnwalder hat bei seinen ersten beiden Wahlen als Spitzenkandidat bzw. Landeshauptmann diesen Wert nicht erreicht. 1988 schaffte Durnwalder 41,51% und bei seiner Wiederwahl 1993 gaben ihm 50,31% der SVP-Wähler auch ihre Vorzugsstimme. Nur bei den Landtagswahlen 1998 (60,69%), 2003 (65,76%) und 2008 (66,78%) war die Zustimmung für Landeshauptmann Durnwalder deutlich höher.
Legt man dasselbe Raster auf das Vorzugsstimmen-Ergebnis von Philipp Achammer, wird auch klar, wohin die Reise des amtierenden SVP-Obmannes gehen soll. 2008 trat Elmar Pichler-Rolle als SVP-Obmann bei den Landtagswahlen an. 16,58 Prozent der SVP-Wähler gaben ihm eine Vorzugsstimme. Fünf Jahre später wurde SVP-Obmann Richard Theiner von 20,31 Prozent der SVP-Wähler gewählt.
Am Sonntag haben 27,95 Prozent der SVP-Wähler auch den Namen von SVP-Obmann Philipp Achammer auf den Stimmzettel geschrieben.
Doch die Operation Philipp dürfte jetzt nach den Wahlen erst richtig beginnen.
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Klemens Riegler Sab, 10/27/2018 - 15:38

Danke Landes Diener ! dem "Basta" ist nichts hinzu zu fügen! Und schlussendlich ist auch mir ein guter, vernünftiger "Verwalter" wie es Arno Kompatscher ist lieber als ein "Volkstribun". Zumindest wenn man den Begriff Volkstribun negativ sieht, was er von seinem Ursprung her ja gar nicht wäre. Ohne Kompatscher wäre die derzeitige SVP (gemeint sind die aktuell gewählten Landtagsabgeordneten) schlussendlich zu 70 % ein ziemlich armseliger Haufen, der von Verwaltung, Politik, Justiz und vom Regieren selbst sehr wenig Ahnung hat. Aber Demokratie und Wahlen lassen eben auch das zu. Schönes Wochenende und eine gute Zeit!

Sab, 10/27/2018 - 15:38 Collegamento permanente
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Hermann Wenter Sab, 10/27/2018 - 20:43

Die subtilen Intrigen von Athesia- Medien, unterstützt von Wirtschaft und Alt L. H. - gegen Arno Kompatscher, ist seit der Wahlkampfzeit in Südtirol wohl kein Geheimnis mehr.
Sein weises Schweigen, sein Rückgrad und Gradlinigkeit - ist Grund für sein gutes Wahlergebnis - das sich nicht schlecht reden lässt.

Sab, 10/27/2018 - 20:43 Collegamento permanente