Politica | Richtung Koalition

Zwei sind noch zu haben

Drei Mal Ja, ein Mal Nein. Mit PD, Grünen und Lega will die SVP eine zweite Sondierungsrunde. Für Team Köllensperger endet die Hoffnung auf eine Regierungsbeteiligung.
Philipp Achammer, Arno Kompatscher
Foto: Salto.bz

Die Luft ist unsäglich dick als die Journalisten in den Raum gelassen werden. Zwei Stunden lang hat die Parteileitung der SVP gemeinsam mit ihren gewählten Landtagsabgeordneten beraten: Mit wem soll die Volkspartei in die nächste Runde der Verhandlungsgespräche gehen, um dem Landtag und der Bevölkerung am Ende eine herzeigbare Regierung präsentieren zu können?

“Wir haben einen klaren Wählerauftrag”, interpretiert Landeshauptmann Arno Kompatscher das Wahlergebnis vom 21. Oktober. 41,9 Prozent der Stimmen hat die SVP erhalten – und damit den Auftrag, eine Mehrheit und eine Landesregierung für die nächsten fünf Jahre auf die Beine zu stellen. Doch flotten Schrittes kann die SVP dieses Mal nicht voranschreiten. Sie muss das eine oder andere Schlagloch überwinden. Denn die Wähler haben sie vor eine harte Wahl gestellt: Mit der rechtspopulistischen Lega regieren – und damit mit der stimmenstärksten italienischen, aber zugleich offen rechtspopulistisch ausgerichteten Partei? Weiter auf das Bündnis mit dem bisherigen Verbündeten PD setzen – dazu aber die langjährigen Widersacher der Grünen ins Boot holen? Oder gar eine ganz neue Variante wählen und die Wahlsieger vom Team Köllensperger als Verbündeten ausprobieren? “Keine Experimente!” lautete der Wahlslogan der SVP vor den Landtagswahlen. Doch die wird sie jetzt wohl oder übel wagen müssen.

 

Drei in Runde Zwei

Am vorvergangenen Wochenende fanden die ersten Sondierungsgespräche mit allen in den Landtag gewählten Parteien statt. Gut eine Woche Zeit hat sich das Edelweiß genommen, um die Stimmung in den Parteigremien auszuloten.
Am Montag Nachmittag berichten schließlich die Verhandlungsführer, Parteiobmann Philipp Achammer und Arno Kompatscher als Spitzenkandidat von den Ergebnissen der ersten Sondierungsrunde – und stellen die versammelten Parteifunktionäre und -mandatare vor eine Entscheidung: Wen soll die SVP zu einer zweiten Gesprächsrunde laden?
Man habe einstimmig beschlossen, berichten Achammer und Kompatscher nach einer zweistündigen parteiinternen Beratung in schlecht belüfteten Räumen am späten Montag Nachmittag – und zwar, “mit zwei Optionen in die nächste Runde der Sondierungsgespräche zu gehen”.
Option Eins: eine Zweiparteien-Koalition SVP-Lega.
Option Zwei: eine Dreiparteien-Koalition SVP-PD-Grüne.

 

Das Kreuz mit der Lega

Mit diesen drei möglichen Koalitionspartnern – Lega einerseits, PD und Grüne andererseits – wollen sich Achammer und Kompatscher in den kommenden Tagen noch einmal zusammen setzen. “Jetzt geht es darum, einen Partner zu finden, mit dem wir unser Programm, das immerhin von den meisten Wählern – relativ gesprochen – gewählt wurde, bestmöglich umsetzen können”, meint Arno Kompatscher diplomatisch. In spätestens zwei Wochen sollen dem Parteiausschuss der bzw. die Wunschpartner vorgelegt werden, mit denen anschließend die effektiven Koalitionsgespräche geführt werden. Lega oder PD/Grüne – sowohl die eine als auch die andere Variante bescheren in der SVP Bauchschmerzen. Die Lega nicht etwa wegen ihrer Vorstellungen in der Wirtschafts- oder Mobilitätspolitik – “bei diesen Punkten würden wir sicherlich eine Übereinkunft finden”, meint Kompatscher –, sondern wegen ihres “populistischen Ansatzes”, wie es der Landeshauptmann ausdrückt. Jüngstes Beispiel: die angebliche Vergewaltigung einer Flüchtlingshelferin durch einen Asylwerber in Brixen, die Innenminister und Lega-Chef Matteo Salvini am Sonntag verbreitet und die sich später als Falschmeldung herausstellt. “Inakzeptabel”, kommentiert Kompatscher das Vorgehen Salvinis. Ebenso schließt er ein Abkommen mit Salvinis Lega für die Europawahlen aus. Mit den rechtspopulistischen und zum Teil rechtsextremen europäischen Parteien, mit denen sich die Lega nicht erst im Hinblick auf die EU-Wahlen verbrüdert hat, gemeinsame Sache machen? Das kommt für die SVP nicht in Frage.
Doch auch auf lokaler Ebene steht die Europa-Frage als großes Fragezeichen im Raum, will die SVP die von Wirtschafts- und Bauernkreisen favorisierte Koalition mit der Lega eingehen. “Keinesfalls werden wir einen Vertrag unterschreiben, mit dem wir die Europapolitik der Lega mittragen”, stellt Kompatscher klar.

Bleibt das Szenario, auf ein politischen Pakt zu verzichten und ein  Regierungsabkommen, einen “accordo tecnico” mit der Lega abzuschließen. “Das ist Kaffeesatzlesen”, wimmelt Parteiobmann Philipp Achammer ab. Zunächst gelte es, herauszufinden, wer sich mit SVP-Programm und -Zielen als am ehesten kompatibel erweist: Lega oder PD/Grüne? “Besonders wichtig als Zielsetzung für die nächste Regierung ist, dass möglichst alle Südtiroler von dem Aufschwung unseres Landes profitieren, dass sich für alle mehr Zukunftsperspektiven, mehr Lebensqualität und mehr Chancengleichheit eröffnen”, steckt Arno Kompatscher den vagen Rahmen für die Koalition ab.

 

Teamgeist ist nicht Zeitgeist

Alle anderen Parteien bekommen noch am Montag Abend aus der SVP-Parteizentrale eine höfliche, aber entschiedene (Standard-)Absage per Mail. Auch Paul Köllensperger als Leader des gleichnamigen Teams. Denn: “Eine andere Variante als Lega oder PD und Grüne gibt es nicht”, sagt Parteiobmann Achammer. Und wiederholt: “Es gibt keine Möglichkeit, mit dem Team Köllensperger zu regieren.” Warum? “Wir haben von vornherein klar gestellt, dass wir nur mit aktuellen Landtagsvertretern verhandeln.” Und da das Team Köllensperger sechs deutschsprachige Vertreter stelle, “könnten sie keinen Italiener, der vom Autonomiestatut aber vorgesehen ist, für die Landesregierung stellen”. Deren zwei benötigt die SVP aufgrund des Wahlergebnisses für das nächste Kabinett.

“Die Italiener als Vorwand zu nehmen, um uns von der Regierungsbeteiligung auszuschließen, ist eine billige Ausrede”, reagiert Paul Köllensperger am Montag Abend auf die Absage.
Tatsächlich erfährt man in Hintergrundgesprächen in der SVP-Zentrale den wahren Grund für das Nein zu weiteren Gesprächen mit dem Team Köllensperger: “Wir werden uns hüten, unseren größten Konkurrenten groß zu machen.”
Paul Köllensperger findet ganz ähnliche Worte: “Der SVP geht es ganz offensichtlich um ihren Machterhalt – sie will uns nicht, weil wir ihr größter Konkurrent sind.” Dabei habe er bereits beim ersten Treffen betont, dass es ihm in erster Linie um Inhalte “und nicht um Posten” gehe, erinnert Köllensperger. Dennoch war er es gewesen, der Francesca Schir zu den Sondierungsgesprächen mitgenommen hatte – und der SVP damit signalisierte, mit der ersten nicht Gewählte seines Teams ein italienischsprachiges Ass für eine eventuelle Beteiligung in der Landesregierung im Ärmel zu haben. Die Frage, ob einer der sechs Team-Köllensperger-Abgeordneten den Platz für Schir räumen wird, hat sich nun wohl endgültig erledigt. “Wir werden fünf Jahre eine beinharte Opposition machen”, kündigt Köllensperger an. Wer ihn in den vergangenen Wochen und Monaten erlebt hat, weiß, dass dem Ex-Grillino das keine sonderliche Freude bereitet.

 

Wie die SVP nun weitergeht

16 Oppositionsvertreter wird es in der anlaufenden Legislaturperiode geben. Denn sowohl mit der Lega als auch mit PD/Grünen kommt die SVP in der Mehrheit jeweils auf 15 plus 4 der 35 Stimmen.
Am morgigen Mittwoch tritt der neue Landtag erstmals zu seiner konstituierenden Sitzung zusammen. Auf der Tagesordnung steht die Bildung des Landtagspräsidiums – “des provisorischen Präsidiums”, präzisiert Kompatscher. Denn da sich die Koalitionsbildung in die Länge ziehen wird, wird die SVP den übrigen Fraktionen den Vorschlag für ein “Gentlemen’s Agreement” unterbreiten: Die Präsidiumsmitglieder samt Präsident und Vize werden zurücktreten sobald die neue Landesregierung steht. Umso genauer gilt es am Mittwoch hinzuschauen, wer das vorläufige Postenkarussell besteigt.

Drei der fünf Präsidiumsmitglieder sollen von der SVP als stimmenstärkste Partei kommen. Vorläufiger Landtagspräsident könnte Thomas Widmann werden – um nach seinem absehbaren Wechsel in die Landesregierung von Helmuth Renzler oder Maria Hochgruber Kuenzer abgelöst zu werden. Als vorläufiger Vizepräsident könnte Daniel Alfreider eingesetzt werden. Denn den Ladinern steht ein Platz im Präsidium zu – worauf die SVP bislang aber stets verzichtet hat, weil sie ihren einzigen Ladiner-Vertreter in die Landesregierung setzte. Dieses Mal gibt es mit Alfreider und Manfred Vallazza erstmals zwei Ladiner-Landtagsabgeordnete der Mehrheit. Was die Möglichkeit eröffnet, das Präsidium von den bislang fünf auf sechs Mitglieder aufzustocken. Vallazza könnte somit als Landtags-Vizepräsident auf Alfreider folgen, sobald dieser als Landesrat offiziell feststeht.

Ein weiterer Posten im Präsidium wird an die Lega als stimmenstärkste italienische Partei gehen. Für den letzten würde eigentlich die stärkste Oppositionspartei und damit ein Vertreter des Team Köllensperger in Frage kommen. “Dazu müssen wir uns mit den anderen Landtagsfraktionen beraten”, meint Arno Kompatscher am Montag.
À propos beraten: Wie am Montag durchgesickert ist, wird Lega-Senator Roberto Calderoli in Kürze in Bozen erwartet, um für die Lega die Verhandlungsgespräche mit der SVP zu führen. “Bis jetzt habe ich nichts von ihm gehört”, versucht Kompatscher am Montag Nachmittag einen Termin mit Calderoli zu dementieren. Gemeinsam mit Parteiobmann Achammer soll Kompatscher den Vizepräsidenten des Senats und langjährigen Südtirolkenner Calderoli treffen – laut Informationen von salto.bz noch diese Woche, möglicherweise bereits am heutigen Dienstag. Kompatscher wehrt ab: “In meinem Terminkalender steht Calderoli für Dienstag jedenfalls nicht.”
Nun ja, das haben geheime Treffen so an sich.

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Martin Daniel Mar, 11/13/2018 - 08:14

Viel wurde gewarnt vor einer Koalition mit der Lega wegen deren Haltung in Europa- und Migrationsfragen. In einer Regierungsbeteiligung der Lega besteht aber auch eine besondere Gefahr für die Umwelt. Die Lega hat unmittelbar nach dem Wahlerfolg in der Region ihre Steckenpferde 3. Autobahnspur und Alemagna in Erinnerung gerufen und es ist davon auszugehen, dass sie keiner Erschließungsversuchung seitens des Edelweißes etwas entgegensetzen wird, sei es bei Zusammenschlüssen von Skigebieten, Neuerschließungen, Ausweisung neuer touristischer Zonen etc. Generell könnte die Abwägung zwischen wirtschaftlichen und ökologischen Interessen in vielen Fällen reine Formsache werden. Die Lega war mit ihren Ministern stets Lobbyistin der Frächter und der Straßenbauer, sie wird sich einer einheitlichen Brennerkorridormaut querlegen und mit einer Blockade der Querfinanzierung des (Eisenbahn-) Basistunnels drohen. Kurioserweise wird es die SVP sein müssen, die ihren Koalitionspartner in manchen Fällen in umweltpolitische Schranken weist, aber grundsätzlich ließe diese Konstellation bei Raumordnung, Mobilität und Wirtschaftsweise wenig Gutes erwarten. Erwartungsgemäß heißt es aus der Brennerstraße denn auch: bei den "... Vorstellungen in der Wirtschafts- oder Mobilitätspolitik ... würden wir sicherlich eine Übereinkunft finden".

Mar, 11/13/2018 - 08:14 Collegamento permanente