Società | salto Gespräch

“Es braucht sehr viel Mut”

Was bleibt von der 68ern, von der Welle des Auf- und Ausbruchs? Grazia Barbiero über Kämpfe und Errungenschaften – und die Sorge über einen Rückfall.
Grazia Barbiero
Foto: Sonja Steger

Ihr Leben sieht sie wie einen Kreis. “La mia vita è un cerchio”, sagt Grazia Barbiero. 1968 ist die gebürtige Boznerin 17 Jahre alt. Später wird sie Lehrerin, ihre Stammrolle führt sie nach Meran. Dort zieht die engagierte Frauenrechtlerin mit 21 Jahren in den Gemeinderat ein. Für den Partito Comunista Italiano, “die KPI”. Den deutschen Namen ihrer Partei lässt sie nie weg wenn sie heute darüber spricht.
Die Welt verändern. Nicht weniger will die junge Frau – und mit ihr eine ganze Generation an jungen Menschen, die von der Geschichte “die 68er” getauft werden. Ihre Kämpfe will Maria Grazia Barbiero de Chirico, wie sie mit vollem Namen nach ihrer Hochzeit mit dem Künstler Jakob De Chirico heißt, von der Straße in die Gesellschaft, in die Politik und in die Institutionen tragen. Es ist ihr gelungen. Frauenhäuser, Familienberatungsstellen würde es ohne Grazia Barbiero und ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter in Südtirol erst viel später geben.

Bis heute treibt sie Themen, die ihr am Herzen liegen, voran. Menschenrechte, Frauenpolitik, Minderheiten. Im Präsidium der Abgeordnetenkammer, wo Barbiero seit ihrem Abgang aus dem Landtag 1988 tätig ist, betreut sie eine Vielzahl an Initiativen, unter anderem den Internationalen Alexander Langer Preis. Mit ihm, Alexander Langer, hat sie ein Stück ihres politischen Weges beschritten. Zum ersten Mal begegnet sich die beiden 1968.

1968. “Das ist nicht nur ein Jahr, sondern eine historische Phase”, beginnt Grazia Barbiero das Gespräch. “Die 68er beginnen vor 1968 und enden lange danach. Es war eine Bewegung gegen jegliche Form des Autoritarismus in der Gesellschaft: in der Familie, in der Schule, am Arbeitsplatz. Die andere wichtige Rolle der 68er lag darin, jenen Gehör zu verschaffen, deren Stimme innerhalb der Gesellschaft bis dahin kaum zählte: Studierende, Schüler, Frauen.”

salto.bz: Warum sind die 68er gerade für Frauen so wichtig?

Grazia Barbiero: Den Frauen wurde in der Arbeitswelt, aber auch im Verhältnis zu den Männern, der männlichen Kultur, keine Eigenständigkeit zugestanden. Die Leader der Bewegung waren zwar keine Frauen, aber die Kultur der 68er ist die Basis für die unterschiedlichen Frauenbewegungen, die unmittelbar danach entstehen. Das gemeinsame Ziel ist, den Frauen Ansehen und einen eigenständigen, nicht untergeordneten Platz in der Gesellschaft und in der Familie verschaffen. Über allem steht der Kampf für ein Bild der Frau als Mensch, als Person mit Rechten. Es galt, die Bürgerrechte der Frau, die bis dahin keinerlei Berücksichtigung gefunden hatten, in der Gesellschaft durchzusetzen.

’68 war wie ein Wasser, das vor nichts Halt machte und überall eindrang. Ein heilsames Wasser, kein zerstörerisches.

Von welchen Rechten ist die Rede?

Einer Vielzahl, darunter die Rechte, die auf eine Gleichstellung mit dem Mann abzielen, wie zum Beispiel gleiche Entlohnung. Aber nicht nur. Es geht auch um jene Rechte, die die Freiheiten und die Selbstbestimmung der Frau wahren. Ich denke an den Kampf für das Recht auf Scheidung, das Recht auf freiwilligen Schwangerschaftsabbruch, den Kampf für öffentliche Beratungsstellen und Frauenhäuser. Ich denke an den Kampf für das Recht, dass Gewalt an Frauen nicht als Verbrechen gegen die öffentliche Moral geahndet wird, sondern als Verbrechen gegen die Person. So weit wird es erst im Jahr 1996 sein.

Wie schwer war es, im katholisch-konsverativen Südtirol jener Zeit diese Kämpfe auszufechten?

Ich erinnere mich noch sehr gut an die Haushaltsdebatte 1973 im Meraner Gemeinderat. Und daran, wie der spätere Bürgermeister Franz Alber überrascht war, als ich die Forderung vorbrachte, die Geldmittel der Gemeinde gerechter, fairer und auch zugunsten der Frauen zu verteilen. Konkret verlangte ich, dass Strukturen für Frauen eingerichtet werden, die Opfer von Gewalt geworden sind: Frauen, die vergewaltigt, misshandelt, belästigt oder bedroht wurden. Der Haushalt ist ein sehr männliches Thema und es saßen damals nur zwei Frauen im Gemeinderat. Ich, mit meinen 21 Jahren für den Partito Comunista, und die um 40 Jahre ältere MSI-Vertreterin. Franz Alber wandte sich mir zu und meinte: Schau an! Es überraschte ihn, dass sich eine Frau auf diese Weise um die Anliegen der Frauen kümmert, nämlich auch in Bezug auf die Umverteilung von Ressourcen.

Ich würde sagen, dass wir heute den schwierigsten Moment in der Geschichte der Bewahrung der Demokratie erleben.

Ihr Vorschlag von 1973 im Meraner Gemeinderat war der Startschuss für ein Gesetz, das einzigartig für das damalige Italien war.

Das Landesgesetz vom 6. Dezember 1989 Nr. 101 war das erste seiner Art in Italien, ja. Mit ihm werden die Frauenhäuser eingerichtet. So haben wir beschlossen, diese Strukturen für Frauen, die Gewalt erfahren haben, zu nennen, “case delle donne”.
Doch eigentlich wurde das Südtiroler Gesetz sehr spät erreicht, wenn man bedenkt, dass der Vorschlag 1973 auf Gemeindeebene startet. 1984 habe ich gemeinsam mit Andreina Emeri einen entsprechenden Beschlussantrag im Landtag eingereicht. 1985 wird er diskutiert. 1989 wird das Gesetz endlich verabschiedet. Nichtsdestotrotz sind wir damit der Zeit voraus.

Emeri war bei den Grünen, Sie saßen ab 1979 für die Kommunistische Partei im Landtag. Kein Hindernis für ein gemeinsames Arbeiten?

Wir gehörten zwei unterschiedlichen politischen Strömungen an, aber wir haben uns beide als Trägerinnen der Forderung nach Emanzipation und Befreiung der Frauen verstanden. Das hat uns geeint. Zeitgleich mit diesen Kämpfen tut sich etwas anderes. 1968 lerne ich erstmals Alexander Langer kennen. Später wird er mit mir für zehn Jahre im Landtag und im Regionalrat sitzen.

Es braucht sehr viel Mut, um eine neue Gesellschaft zu denken.

Eine Begegnung, die wechselseitig Früchte trägt. Sie werden zu politischen Wegbegleitern.

Zum ersten Mal treffe ich Alexander Langer 1968 im Sitz von “Die Brücke” in der Bozner Goethestraße, wo er mit Josef Schmid und Siegfried Stuffer diese sehr innovative Zeitschrift herausgibt. 1979 treffen wir uns im Landtag wieder. Obwohl wir zwei unterschiedlichen politischen Formatierungen angehören, teilen wir viele Anliegen, wie etwa eine echte zweisprachige Gesellschaft. Gemeinsam legen wir auch den Gesetzentwurf zur Einsetzung des ersten Landesbeirates für Chancengleichheit vor. Ein Mann und eine Frau zweier unterschiedlicher Parteien machen den Vorschlag, den Beirat für Chancengleichheit zwischen Männern und Frauen einzurichten!

Was verbindet den Landtagsabgeordneten der damaligen Neuen Linken Alexander Langer und die Landtagsabgeordnete des Partito Comunista Italiano Grazia Barbiero?

Ich war, wie er, eine “neue” Vertreterin innerhalb meiner Partei. Als ich in den Partito Comunista eintrete, bin ich mit dem Gesicht, das Sozialismus und Kommunismus in der Sowjetunion und in Osteuropa zeigen, nicht einverstanden. Ich habe nie mit einem Sozialismus oder einem Kommunismus sympathisiert, der den Menschen individuelle und kollektive Freiheiten abspricht. Auch das verbindet mich mit Alexander Langer, genauso wie der Umweltschutz. Ich kam aus einer sehr katholischen Familie und zu jener Zeit war es noch sehr unüblich, im PCI katholisch geprägte Vertreter wiederzufinden. Insofern war ich war “anders”, atypisch für den PCI. Auch, weil ich nicht als Arbeiterin, sondern als Universitätsstudentin 1973 in den Meraner Gemeinderat einziehe.
Alexander Langer und ich waren Kinder der 68er und teilten die Überzeugung: Politik machen bedeutet nicht nur, Forderungen an die Institutionen heranzutragen, Politik müssen wir machen, indem wir hier und heute unsere Gesellschaft verändern.

 

Von 1984 bis 1986 waren Sie Parteisekretärin des PCI in Südtirol. Haben Sie Ihre Partei verändert?

Ich hab mich meiner Partei absolut zugehörig gefühlt. Aber auch in der Politik habe ich immer versucht, mit denen zusammenzuarbeiten, die in der Gesellschaft etwas bewegen wollten. Ich bin nicht die, die sagt “Ho la verità in tasca”, sondern ich gehe hinaus und sammle neue, innovative Themen auf: Ich habe mich um die erste Generation von Drogenabhängigen gekümmert, um psychisch Kranke, um frühkindliche Mehrsprachigkeit. Der Gesetzentwurf zur Gründung der Frauenhäuser von Andreina Emeri und mir wurde nicht hinter verschlossenen Türen, in den Parteisitzen geboren. Er kommt aus der Zivilgesellschaft und ist die Frucht der Kämpfe, die wir vorher auf der Straße gefochten haben. Diese gemeinsamen Kämpfe für die weibliche Selbstbestimmung und die Bürgerrechte haben wir in die Gesellschaft getragen. Und infolge habe ich sie auch in meine Partei, in die Linke und in die Institutionen getragen. Die Kultur, die ich in meine Partei mitgebracht habe, war ganz neu für die Linke. Alexander Langer selbst hat mich, als er mich aus dem Landtag verabschiedet hat, mit folgenden Worten beschrieben: “A differenza di molti suoi compagni di partito mi è sempre sembrata un'ambasciatrice della società civile presso il PCI molto piú che una portavoce del PCI presso la gente.”

Heute, 50 Jahre später, kann man sich des Eindrucks nicht erwehren, dass viele Errungenschaften der 68er wieder in Frage gestellt werden.

Das stimmt. Wir leben derzeit in einer sehr sehr heiklen Phase. Ich würde sogar sagen, dass wir heute den schwierigsten Moment in der Geschichte der Bewahrung der Demokratie erleben, in unserem Land, aber auch in Europa. Aus diesem Grund habe ich mir heuer erlaubt, der Südtiroler Volkspartei an dem Oktobertag, an dem das Wahlergebnis feststand, einen Brief zu schreiben.

Darin mahnen Sie an, von einem Bündnis SVP-Lega abzusehen. Was hat Sie dazu bewogen?

Ich habe an die schwierigen Jahre für Südtirol gedacht, die ich unmittelbar miterlebt habe – die Ausarbeitung und Verabschiedung des Pakets zwischen 1962 und 1969, das Zweite Autonomiestatut 1972 – und an all die Kämpfe gegen eine gespaltene Gesellschaft, die ich mit geführt habe. Wir haben gegen den damaligen Landesrat für deutsche Kultur Anton Zelger angekämpft, gegen diese schreckliche Vorstellung vom “Je besser wir trennen, desto besser verstehen wir uns”.

Ich appelliere an all die wachsamen und demokratischen Männer: Erhebt euch gegen die Gewalt an Frauen!

Sie fürchten, dass Südtirol mit der Lega an der Regierung in solche Zeiten zurückversetzt werden?

Meiner Meinung nach kann nicht einmal der reaktionärste Teil der SVP mit den propagandistischen, diskriminierenden, xenophoben Parolen der Lega und insbesondere ihres Leaders Matteo Salvini einverstanden sein.
Mir hat eine Opposition, wie sie heute gemacht wird, als permanente politische Propaganda, immer widerstrebt. Nein, ich wollte mich ernsthaft um das Land kümmern, indem ich die Entscheidungen der Regierung, mit denen ich nicht einverstanden war, beanstandete. Aber ich habe nie gegen eine politische Linie protestiert, ohne eine konkreten Alternative aufzuzeigen. Ecco, deshalb habe ich mich verpflichtet gefühlt, diesen Brief zu schreiben. Darin erinnere ich die SVP, wie sie auch in Zeiten wie denen von Zelger immer auf dem Weg der Demokratie, auf einem Weg der Autonomie, der zusammenführt und nicht trennt, geblieben ist. Wie also kommst du, SVP, jetzt dazu, ein Bündnis mit der Lega von Matteo Salvini einzugehen?

Was wäre Ihre Alternative?

Meiner Meinung nach hätte die Südtiroler Volkspartei den Veränderungen im Wahlverhalten Rechnung tragen müssen: Ein Teil der italienischsprachigen Bevölkerung hat nicht die Lega gewählt, die deutsche Rechte ist geschrumpft, das Team Köllensperger hat viele Stimmen sammeln können. All das hätte dazu führen können, dass die Volkspartei ihren Blick weitet anstatt Nein zu den drei politischen Kräften zu sagen, die sich neben der Lega bereit erklärt haben, mit ihr zu regieren: PD, Grüne, Köllensperger. Aber die Lega? Die ist das genaue Gegenteil der Leitsprüche, die die SVP nach wie vor ausgibt: Autonomie – friedliches Zusammenleben aller Menschen in Südtirol – mehr Europa.

Was von diesen Werten übrig bleibt, wird sich zeigen, sobald die Verhandlungen abgeschlossen sind. Nach dem Eklat dieser Woche wird es länger dauern als geplant.

Roberto Calderoli ist der wahre Mittelsmann zwischen SVP und der Lega-Führungsspitze in Südtirol. Er war es auch, der sofort gesagt hat, wir werden diesem Wertekatalog nicht zustimmen. So ist es auch gekommen. Allerdings glaube ich auch, dass die Lega und Matteo Salvini einen derart großen Appetit auf die Sessel der Landesregierung, auf die poltrone haben, dass sie sich am Ende trotzdem draufsetzen werden. Die Lega von Salvini hat jegliches Interesse, auch diesen kleinen Teil des Nordens zu besetzen, der unsere Provinz ist. Allerdings dürfen wir nie vergessen, dass Südtirol nicht “leghista” ist. Im Gegensatz zum Trentino, wo die Lega eine tatsächliche Mehrheit hat, hat sie bei uns nur 11,1 Prozent erreicht hat. Das dürfen wir nie vergessen! Und deshalb dürfen wir die Lega auch nicht hochspielen. Natürlich, wir dürfen das Ergebnis auch nicht klein reden. In Bozen hat die Lega immerhin fast 30 Prozent erhalten.

Was sagt Ihnen das?

Das ist ein Signal dafür, dass die italienischsprachige Bevölkerung von Bozen Angst hat, in einem zwei- bzw. mehrsprachigen Land, in dem die Volkspartei nach wie vor noch eine starke Partei ist. In dieser Realität verspüren die Italiener in Bozen das Bedürfnis, von einer Partei beschützt zu werden, die wie der MSI in den 80er und 90ern “Schutzmauern” errichtet. In Südtirol war die italienischsprachige Bevölkerung in den Städten immer schon etwas von den rückwärts heulenden Sirenen angezogen. Daran muss man arbeiten, alle müssen die Ängste und Verunsicherungen in der italienischsprachigen Bevölkerung ernst nehmen. Um zu verhindern, dass sie allein der Lega überlassen werden, jenen Kräften, die diese Ängste anfachen und damit Stimmen sammeln.

Mit der Einrichtung der Frauenhäuser sind wir der Zeit damals voraus.

Dennoch darf nicht vergessen werden, dass die Lega bei den Landtagswahlen einen großen Konsens eingefahren hat. Stellt die Lega tatsächlich eine ernsthafte Alternative für jene dar, die bis gestern vielleicht links gewählt haben?

An der Linken gibt es sicher viel zu kritisieren: wie sie unser Land regiert hat und auch, wie sie innerhalb des Bündnisses mit der SVP aufgetreten ist. Womöglich hat es ihr an Projekten gemangelt, sie war zu unterwürfig. Es braucht sehr viel Mut, um eine neue Gesellschaft zu denken. Und man muss diesen Mut für Neues und die Möglichkeit, die das Neue mit sich bringt, auch vermitteln. Wenn dir dieser Mut fehlt, folgen dir die Menschen nicht. Dazu kommt, dass wir uns in einer sehr schwierigen Phase befinden, europa- und weltweit. Die Globalisierung hat viel Positives mit sich gebracht, aber leider auch Negatives. Arm und Reich entfernen sich immer weiter voneinander, auch in einem Land wie dem unseren, wo es kaum Arbeitslosigkeit gibt, wo es keine “unkontrollierte Immigration” gibt. Doch es gibt Angst vor der Zukunft, Verunsicherung. Und viele haben die Lega gewählt, weil sie dachten, dass die Politik der Lega etwas Ruhe bringen würde. Aber, ohne den legitimen Ausgang der Wahlen in irgendeiner Weise schmälern zu wollen, wir wissen, dass die Lega aufgrund ihrer Propaganda, der defensiven Art und Weise, wie sie die Angst steuert, diese Stimmen erhalten hat. Die Antworten, die die Lega gibt – sie verspricht, alle Gefahren von den Bürgern fern zu halten, angefangen bei den Migranten – sind weder nützlich noch werden sie am Ende zu etwas führen. Das können wir bereits an den ersten Manövern sehen: Das “decreto sicurezza” hätte für mehr Sicherheit und weniger Angst sorgen sollen. In der Praxis jedoch bringt es mehr Unsicherheit, mehr Migranten und Flüchtlinge auf der Straße. Deshalb möchte ich sagen, passt auf auf die Sirenen der Propaganda, passt auf auf diese so antisolidarischen, diese so – unter Anführungszeichen – “bösen” Parolen.

Was bleibt vom ’68? Was bleibt vom Zeitgeist von damals, dem Drang nach Veränderung, nach Gerechtigkeit, danach, alte Strukturen zu überwinden? Was bleibt von der Zuversicht? Sind wir wirklich stehengeblieben – und riskieren gar, wie Sie es sagen, zurückzufallen?

’68 strebte die ganze Welt nach Freiheit, lehnte sich gegen Kriege, Autoritarismen, Ungerechtigkeiten auf. Es war eine globale Bewegung einer ganzen Generation. Und obwohl die jungen Menschen verschiedenen Nationalitäten angehörten, gingen sie alle in dieselbe Richtung: mehr Freiheit, mehr Autonomie, mehr Bürgerrechte, mehr Menschenrechte, weniger Barrieren, weniger Mauern, mehr Brücken. Die jungen Menschen fühlten sich nicht alleine. Heute hingegen ist die Einsamkeit das prägende Merkmal unserer modernen Gesellschaft. Wir haben uns damals nicht alleine gefühlt, sondern wie auf einer großen Welle. ’68 war wie ein Wasser, das vor nichts Halt machte und überall eindrang. Ein heilsames Wasser, kein zerstörerisches. Wir hatten große Hoffnung und große Lust, Neues zu bewirken. Und wir haben es auch geschafft. Die heutige Welt ist eine andere.

In den USA, wo die 68er im Jahr 1964 ihre Anfänge genommen haben, haben wir heute einen Trump.

Eine Welt, in der die Gewalt an Frauen zunimmt. Welche Erklärung haben Sie, nach einem langen Kampf für Frauenrechte, dafür?

Die Gewalt an Frauen hat nicht abgenommen, sie artet geradezu aus. Von den 68ern an sind sich immer mehr Frauen und Mädchen ihrer Subjektivität, ihrer Stärke, ihrer Energien bewusst geworden. Mädchen und Frauen entscheiden, ob sie heiraten oder zusammenleben wollen und wenn sie unglücklich sind, sind sie auch in der Lage, diese Beziehungen zu beenden. Aber mit diesem neuen weiblichen Bewusstsein geht kein entsprechendes Bewusstsein der Männer einher. Was so weit führt, dass in Italien alle zweieinhalb Tage ermordet wird. Der Feminizid heute ist kein Erbe der Vergangenheit, sondern ein Resultat der modernen Gesellschaft. Gerade weil Frauen und Mädchen stärker geworden sind, selbstbewusster, fähiger, zu entscheiden – genau deshalb kehren sich viele Männer aller sozialen Klassen gegen die Frauen. Weil sie diese Veränderung, unsere Stärke nicht zu akzeptieren wissen. Deshalb appelliere ich an all die wachsamen und demokratischen Männer: Erhebt euch gegen diesen Feminizid, gegen die Gewalt an Frauen!

Haben Sie auch einen Appell für jene jungen Menschen, die sich heute verloren und alleine fühlen?

Blickt auf die positiven Erfahrungen, die junge Menschen wie ihr gemacht haben, die sich nicht für die Einsamkeit, sondern für Solidarität und einen Gemeinschaftsgeist entschieden haben und dieser Einsamkeit entkommen sind, auf jene, die ein Ehrenamt leisten, die auch in unserem Land in laizistischen und religiösen Vereinen zugunsten der Schwächeren und Schwächsten der Gesellschaft tätig sind. Das würde ich mir sehr wünschen. Und Mut. Denkt nicht, dass alles unmöglich ist! Auch wenn ich weiß, dass es heute viel schwieriger ist, mutig zu sein als es damals war. Es gibt viel zu viele negative Beispiele für Gewalt, für den Willen, Mauern zwischen Menschen, die verschieden sind, zu errichten, den Willen nach nationaler Überlegenheit gegen die schöne Idee von Europa. Weltweit entwickelt sich die Geschichte in eine sehr gefährliche Richtung. Und gerade deshalb: Wer damit nicht einverstanden ist, wer kann, muss alles tun, um das zu verhindern.

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gorgias Dom, 12/23/2018 - 06:23

Le vittime straniere salgono di oltre il 40%
>Die Gewalt an Frauen hat nicht abgenommen, sie artet geradezu aus. Von den 68ern an sind sich immer mehr Frauen und Mädchen ihrer Subjektivität, ihrer Stärke, ihrer Energien bewusst geworden. Mädchen und Frauen entscheiden, ob sie heiraten oder zusammenleben wollen und wenn sie unglücklich sind, sind sie auch in der Lage, diese Beziehungen zu beenden. Aber mit diesem neuen weiblichen Bewusstsein geht kein entsprechendes Bewusstsein der Männer einher.<

Diese Theorie haben Sie sich wohl aus den Fingern gesaugt.

Le vittime straniere salgono di oltre il 40%
Oltre un quarto delle donne uccise in Italia nel 2016 (38, pari al 25,3%) risulta di nazionalità non italiana, con un incremento del 40,7% rispetto al 2015 (quando rappresentavano il 19% dei femminicidi totali). L'aumento dei casi complessivamente registrato nel 2016 (+5,6%) è quindi attribuibile alla sola componente straniera, mentre diminuiscono leggermente i femminicidi di donne italiane (da 115 a 112, pari a -2,6%). Complessivamente tra il 2000 e il 2016 sono state 649 le donne straniere uccise (pari al 22,4% del totale

https://www.agi.it/cronaca/femminicidinumeri_dati_statistiche_violenza_…

Dom, 12/23/2018 - 06:23 Collegamento permanente
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W. C. Karcher Dom, 12/23/2018 - 08:34

Das ist halt leider alles total verklärt:
„’68 strebte die ganze Welt nach Freiheit, lehnte sich gegen Kriege, Autoritarismen, Ungerechtigkeiten auf.“
Die ganze Welt? Nein, ein Teil der bessergestellten Bürgerkinder in einem Teil der sog. ersten Welt.

„Heute hingegen ist die Einsamkeit das prägende Merkmal unserer modernen Gesellschaft. Wir haben uns damals nicht alleine gefühlt, sondern wie auf einer großen Welle. ’68 war wie ein Wasser, das vor nichts Halt machte und überall eindrang. Ein heilsames Wasser, kein zerstörerisches. Wir hatten große Hoffnung und große Lust, Neues zu bewirken. Und wir haben es auch geschafft. Die heutige Welt ist eine andere.“
Da steckt tatäschlich ein großer Teil dessen drin, was man für eine Diagnose braucht. Dass es darum ging, sich „nicht alleine“ zu „fühlen“, ok, jeder hat halt seine besonderen Bedürfnisse... Es passt aber zu dem anderen infantilen Zug, der tatsächlich damals wie heute viele der Leute kennzeichnet, die da mitgemacht haben: Man will sich die Errungenschaften des eigenen Tuns zuschreiben, nicht aber die negativen Konsequenzen desselben.
Erst die traditionalen Strukturen zerschlagen (wollen) und sich dann wundern und beklagen, dass die Sicherheit und der Halt, den diese boten, nicht mehr da sind — priceless.

Dom, 12/23/2018 - 08:34 Collegamento permanente
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Robert Tam... Dom, 12/23/2018 - 16:03

"Ich habe nie mit einem Sozialismus oder einem Kommunismus sympathisiert, der den Menschen individuelle und kollektive Freiheiten abspricht."
Haha! Der Witz ist gut (wenn auch uralt und schon viel zu oft gehört). Es gibt eben nur den totalitären Sozialismus/Kommunismus. Sowjetunion, Nordkorea, Kambodscha, Venezuela, DDR usw. docent.
Ich muss zugeben: ich bin immer noch eher unschlüssig, wie Medien mit radikalen Politextremisten wie beispielsweise Casapound oder eben Kommunisten, wie hier die Interviewte, umgehen sollte. Ignorieren? Kritischer interviewen?

Dom, 12/23/2018 - 16:03 Collegamento permanente
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Michi Hitthaler Mer, 12/26/2018 - 20:08

In risposta a di Robert Tam...

Es gab den Sozialismus mit menschlichem Antlitz im Ostblock, es gab den demokratischen und gewählten(!) Sozialismus in Chile und dem Iran (beide von den USA vernichtet, man wollte ja kein positives Vorbild sich etablieren lassen) ganz zu schweigen vom eurokommunismus in Frankreich und Italien. Beim Faschismus (welcher art auch immer, gibt es nie ein posives Beispiel, es gibt ja auch keine gute Mafia!) Lustig, dass ich den überlegenen Kommentatoren hier solch simple historische Fakten beibringen muss... eben viel heiße Luft, aber wenig Substanz dahinter!

Mer, 12/26/2018 - 20:08 Collegamento permanente
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19 amet Gio, 12/27/2018 - 00:07

Wie nett, diese heutige Zusammenrottung der rechten Salto Foristen. Nicht einmal heute sind sie von der Pflicht befreit den linken Gutmenschen, Kommunisten und Kinderfressern ihre Verachtung zu bezeugen. Der Stubenruss der von der Rolex und vom Kindersex träumt, der Tammerle der sich sogar fragt wie die Medien Interviews führen sollten. Die Gestapo lässt grüssen. Und der Kärcher erinnert sich gar an zerschlagene Strukturen die heute fehlen würden. Wem denn ? Der Muff unter den Talaren und der ganze Rest an Unterdrückung und Ungerechtigkeit fehlt wohl nur dem Kärcher. Wo der Herr H. hier eine Bagatellisierung von Linksextremen sieht könnte er einmal ausführen. Denn Bagatellisierung der rechten Extremisten haben wir ja schon zur Genüge auf diesen Seiten.

Gio, 12/27/2018 - 00:07 Collegamento permanente
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19 amet Gio, 12/27/2018 - 11:27

Wenn Sie schon glauben mit der, von einem Historiker, erfundenen Zahl von 100.000.000 Toten herumposaunen zu müssen, habe ich kein Problem die offiziellen Zahlen der Toten in den beiden von den Rechten angezettelten Weltkriegen vorzustellen. Im 1. Weltkrieg 19,7 Millionen Tote . Im 2. Weltkrieg 65 Millionen Tote. Durch deutsche Verbrechen Unbeteiligte ermordet: 23Millionen.Insgesamt offiziell 108 Millionen. Aber das ist die sinnlose Aufrechnung, die alle Schuldigen immer versuchen um von den eigenen Taten abzulenken .Der Unterschied ist aber folgender. In der ganzen westlichen Welt ist der Kommunismus richtigerweise untergegangen, und man braucht die Kommunistischen Parteien nicht als "normal einstufen" denn es gibt sie nicht mehr. Es sei denn Sie fürchten sich vor ein paar Restidealisten. Aber die Söhne und Enkel derer, die grundlos die größten Verbrechen der Neuzeit begangen haben, versuchen jetzt wieder an die Macht zu kommen und Sie Herr H. applaudieren, und beklagen sich sogar dass man diese Faschisten schlecht behandelt. Das Schamgefühl ist heutzutage leider rar geworden.

Gio, 12/27/2018 - 11:27 Collegamento permanente
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19 amet Gio, 12/27/2018 - 17:40

Jetzt weiß der Herr H.nicht mehr weiter und da kommt die übliche Masche. Leugnen was man geschrieben hat,( bei der Afd durchdrehen) den Gegner der Lüge bezichtigen, (solltest bei der Wahrheit bleiben), den Gegner beleidigen (Märchenonkel), dem Gegner schlechte Moral vorwerfen (Todesopfer aufrechnen) obwohl Herr H. genau dies als Aufhänger benutzt hat.
Aber es ist ja nur der übliche kalte Kaffee dieser Kameraden. Hier auf Salto hat man diese Leute schon erkannt, da nützt das ganze logorrhoische tägliche Blabla über immer die gleichen Themen nichts. Sie überzeugen nur ihresgleichen.

Gio, 12/27/2018 - 17:40 Collegamento permanente
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19 amet Gio, 12/27/2018 - 19:23

Auch das wissen wir hier alle schon zur Genüge. Dass sie hier stolz über alle Anderen mit Ihrem außergewöhnlichen Intellekt thronen. Sie erinnern uns jeden zweiten Tag daran. Aber es gibt ja den alten Tiroler Spruch: Dummheit und Stolz wachsen auf einem Holz..

Gio, 12/27/2018 - 19:23 Collegamento permanente