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Entmündigtes Ehrengericht

Der Fall des Innichner Vizebürgermeisters Arnold Wisthaler macht deutlich, wie die SVP ihr eigenes Statut aushöhlt. Das Ehrengericht wurde ganz einfach übergangen.
Justiz
Foto: upi
 
Gunther Vinatzer arbeitete 43 Jahre lang als Rechtsanwalt. Er war Präsident der Rechtsanwaltskammer Bozen, Mitglied des Consiglio Nazionale Forense in Rom und Kanzleipartner des SVP-Vizeobmannes Karl Zeller.
Am Dienstag muss sich der renommierte Meraner Rechtsanwalt aber vorkommen wie ein Trottel.
Denn Günther Vinatzer übt seit Jahrzehnten auch eine wichtige Funktion innerhalb des SVP aus. Vinatzer ist Präsident des Ehrengerichts der SVP. In dem Partei-Schiedsgericht sitzen derzeit mit ihm Christine Mayr (Stellvertreterin) und Ivo Tschurtschenthaler. Ersatzmitglieder sind Iris Giacomozzi, Günther Oberhuber und Erich Ohrwalder.
In der Vorstellung des Ehrengerichtes auf der SVP-Homepage heißt es:
 
„Das interne Ehrengericht der Südtiroler Volkspartei entscheidet, auf Antrag, über ein eventuelles Fehlverhalten von Mitgliedern - und verhängt entsprechende Sanktionen. Das im SVP-Statut vorgesehene Ehrengericht (Art. 156 bis 164-bis) verfügt über eine eigene Geschäftsordnung.“
 
Im SVP-Statut sind die Aufgaben des Ehrengerichtes dann genau aufgelistet: Dort heißt es:
 
„Das Ehrengericht entscheidet über:
a) Streitigkeiten betreffend die Auslegung, Anwendung und Einhaltung des Parteistatuts und der  Geschäftsordnungen
b) Streitigkeiten betreffend das Verhalten von Mandataren/innen, Kandidat/innen bei Wahlen,  Funktionär/innen sowie betreffend Vorkommnisse, die das Ansehen der Partei beeinträchtigen können; 
c) Streitigkeiten betreffend die Aufnahme und das Verbleiben in der Partei;
d) Streitigkeiten unter Mitgliedern, soweit diese das Parteiinteresse berühren.“ 

 
Auch die Sanktionen, die dieses SVP-Gericht verhängen kann, werden im Statut genau definiert. Im SVP-Statut heißt es:
 
„Das Ehrengericht kann unter anderem folgende Sanktionen verhängen: 
a) interne Verwarnung und Zurechtweisung;
b) öffentliche Verwarnung und Zurechtweisung;
c) Enthebung von Parteifunktionen; 
d) Ruhelegung der Mitgliedschaft;
e) Annullierung von parteiinternen Wahlen;
f) Verlusterklärung des Rechts auf Kandidatur für die SVP;
g) Verfallserklärung des Mandats auf der SVP-Liste;
h) Ausschluss aus der Partei.“
 
Die statutarischen Bestimmungen sind mehr als klar. Doch die Wirklichkeit unterem Edelweiß sieht anders aus. 
Das zeigt ein brandaktueller Fall.
 

Richter als Zuschauer

 
Am Dienstag wurde bekannt, dass der SVP-Vizebürgermeister von Innichen, Arnold Wisthaler für 3 Jahre aus der SVP ausgeschlossen wird. Der Grund: Wisthaler hat dem Diktat der Partei, die Koalition mit der Innichner Bürgerliste aufzukündigen, nicht Folge geleistet und ist im Amt verblieben.
Jetzt servierte die SVP dem Oberpustertaler Gemeindeverwalter die Rechung. „Es ist eine Frage der Glaubwürdigkeit. Wenn Beschlüsse nicht eingehalten werden, gibt die Partei alles andere als ein gutes Bild ab. Nichts tun, hätte bedeutet, es wäre uns egal“, rechtfertigt SVP-Obmann Philipp Achammer den Ausschluss.
 
Was bisher aber niemand sagt: Die Ehrenrichter in der SVP wurden mit dem Fall Wisthaler zum Zuschauen verdammt. Offiziell wurde das Ehrengericht der SVP mit diesem Ausschluss nie befasst. Den Ausschluss wickelten SVP-Obmann Philipp Achammer, SVP-Bezirksobmann Meinhard Durnwalder und der inzwischen ausgeschiedene SVP-Landessekretär Gerhard Duregger ab. Sie versuchten nach einer schriftlichen Stellungnahme Wisthaler per Telefonkonferenz auch eine mündliche Schlichtung mit dem Innichner Vizebürgermeister. Vergebens.
Am Montag beschloss die Parteileitung den Parteiausschluss Wisthalers für drei Jahre.
 

Bewusste Entmachtung

 
Möglich macht diese Vorgangsweise eine Statutenänderung.
Denn still und leise wurde bei der Überarbeitung des SVP-Statutes ein unscheinbarer Paragraph eingeführt, der eine eindeutige Entmachtung des SVP-Ehrengerichtes ist.
In dem Paragraphen, der im Statut die Aufgaben der Parteileitung regelt, wurde ein unscheinbarer Satz eingefügt:
 
„c)  Entscheidung über evtl. Unvereinbarkeiten, wobei eine zeitweise Ruhelegung von Parteifunktionen beschlossen werden kann;“
 
Zudem wurde der Handlungsspielraum der Parteileitung deutlich erweitert. So heißt es im 2016 von der SVP-Landesversammlung in Meran genehmigten neuen SVP-Stratut:
 
"Verhängung der in § 159 und 160 vorgesehenen Sanktionen im Falle von Vorkommnissen, die das Ansehen der Partei beeinträchtigen können, wobei die Verteidigungsrechte und das rechtliche Gehör des/der Betroffenen gewahrt werden müssen; die Parteileitung kann auch vorläufige Maßnahmen wie die zeitweilige Suspendierung von Parteifunktionen oder von der Mitgliedschaft treffen, die bis zur Entscheidung in der Hauptsache in Kraft bleiben;"
 
Diese Änderung  hat einen konkreten Grund.
Jahrzehntelang war das SVP-Ehrengericht (oder Schiedsgericht, wie es genannt wurde) im SVP-Kosmos eine anerkannte Autorität. Die Parteiausschlüsse vom Egmont Jenny, Hans Dietl oder Hubert Frasnelli liefen über dieses Gremium. Es gibt Hunderte von Fällen, die vor diesem Parteigremium verhandelt wurden. Das Parteigericht beruft sich auf eine eigene Geschäftsordnung, die klare Fristen und Prozeduren vorsieht. Ähnlich einem Gerichtsverfahren.
 
Doch der neuen Generation unterm Edelweiß war diese Ehrengericht zu schwerfällig.
2015/16 brach innerhalb der SVP eine Kontroverse um die Frage aus, ob das Ehrengericht mehr den geltenden Rechtsnormen oder der Parteilinie verbunden sein soll. Anlass für diese Diskussion waren zwei Fälle, die man bis heute nicht groß an die Öffentlichkeit gehängt hat.
Die beiden SVP-Bürgermeister Fritz Karl Messner (Sterzing) und Kurt Ploner (Niederdorf) traten bei den Gemeinderatswahlen 2015 auf Bürgerlisten an. Die SVP-Parteileitung verfügte auch damals den Parteiausschluss der beiden Kommunalverwalter. Mit einem Verweis auf das Parteistatut, wo es in Artikel 4 heißt:
 
„Mitglieder, die für andere Parteien oder Listen, welche in Konkurrenz zur Südtiroler Volkspartei bei Wahlen antreten, kandidieren oder Mitglied in einer anderen Partei sind, verlieren automatisch die Mitgliedschaft sowie alle Parteiämter und Funktionen.“
 
Das Problem dabei: Damals prüfte das Ehrengericht im Nachhinein die beiden Fälle und kam nach Informationen von salto.bz zum Schluss, dass der Parteiausschluss Messnesr und Ploners nicht rechtmäßig erfolgt sei. Laut Gunther Vinatzer & Co habe man dabei nicht das vorgesehene Procedere eingehalten.
Diese Entscheidung war dann auch der Grund für die Statutenänderung, die jetzt der Parteileitung den Parteiausschluss Wisthalers ermöglichte.
Die Herren und Damen Ehrenrichter werden so zu Zuschauern degradiert.