Politica | A Family Affair

Spaltpilz Flat Tax

Der letzte Entwurf der Flat Tax hat das Zeug, Neid und Missgunst zu schüren, Familien und Frauen zu benachteiligen, Leistungsanreize zu nehmen u. Schwarzarbeit zu fördern
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Pixabay

Simone, Maria und Andrea sind Kolleginnen. Seit 20 Jahren verbringen sie ihre Arbeitszeit im selben Büro. Sowohl beruflich als auch privat verstehen sie sich gut. Sie sind typische Südtiroler Arbeitnehmer im öffentlichen oder privaten Bereich. Sie haben eine vergleichbare Ausbildung und dasselbe Dienstalter. Die leistungsbezogenen Lohnelemente sind äußerst gering, daher beziehen alle drei ein Brutto-Jahresgehalt von um die 40.000 Euro. Allen dreien werden 9% davon für Sozialbeiträge einbehalten, was einen Betrag von 3.600 Euro im Jahr ausmacht. Außer den Sozialbeiträgen haben sie keine von der Bemessungsgrundlage absetzbaren Aufwendungen, sodass sie auf die verbliebenen 36.400 Euro aufgrund der geltenden Steuerprogression 10.152 Euro an Einkommensteuer abführen müssen. Für lohnabhängige Arbeit können sie rund 500 Euro im Jahr von dieser Bruttosteuer abziehen.

Simone ist verheiratet und hat eine kleine Tochter, Maria hat mit ihrem Lebensgefährten einen 2-jährigen Sohn. Die beiden können für die jeweils zu 50% zu ihren Lasten lebenden Kinder weitere 200 Euro im Jahr von der Bruttosteuer abziehen. Die von ihnen zu entrichtende Nettosteuer beträgt somit 9.452 Euro. Dies entspricht 25,97% ihres besteuerbaren Einkommens oder 23,85% ihres Brutto-Jahresgehalts. Andrea ist kinderlos und hat ebenfalls einen Lebenspartner, mit dem sie zwar zusammenlebt, im Unterschied zu ihren Kolleginnen allerdings keinen gemeinsamen meldeamtlichen Wohnsitz hat. Andrea und ihr Partner haben ihre getrennten Wohnsitze beibehalten, da sie beide eine Eigentumswohnung besitzen und die Steuern und Gebühren für eine Zweitwohnung vermeiden wollen. Andrea zahlt 9.652 Euro an Einkommenssteuer, da sie keine zu Lasten lebenden Kinder geltend machen kann. Ihre Steuerbelastung beträgt 26,5%.

Maria hat eine Erbschaft erhalten und zudem einiges gespart und möchte sich wie Andrea eine eigene Wohnung kaufen. Da ihr Lebensgefährte bereits einen Beitrag für den Erwerb seiner Eigentumswohnung erhalten hat, kann sie im Unterschied zu Andrea auf keinen Schenkungsbeitrag seitens des Landes zählen. Obwohl sie es nicht ganz gerecht findet, kann sich Maria damit abfinden. Im Leben spielen nun mal viele Faktoren eine Rolle, so auch die zeitliche Abfolge der Familienplanung und dass einer Familie nicht der Erwerb zweier Wohnungen gefördert wird, sieht sie durchaus ein.

Nun wird in Italien die größte Steuerreform seit Jahrzehnten durchgezogen – eine Kompromisslösung zwischen den Vorstellungen der Regierungspartner. Die Lega möchte unbedingt eine Einheitssteuer für alle, was den drei Freundinnen durchaus gerecht erscheint. Die 5-Sterne-Bewegung will diese zudem aus Gründen der sozialen Gerechtigkeit an das Familieneinkommen koppeln, damit nur Haushalte mit niedrigen und mittleren Einkommen in den Genuss der Steuersenkung durch diese Flat Tax kommen. Familieneinkommen bis zu 50.000 Euro sollen mit einem einzigen Steuertarif von 15% besteuert werden, im Gegenzug fallen die diversen Absetz- und Abzugsmöglichkeiten weg. Um den unterschiedlichen Bedürfnissen Rechnung zu tragen, können Familien mit bis zu 35.000 Euro Jahreseinkommen 3.000 Euro pro Familienmitglied von der Bemessungsgrundlage absetzen, für zu Lasten lebende Familienmitglieder liegt die Einkommensgrenze bei 50.000 Euro. Um diese Steuererleichterungen zu finanzieren, schränkt die Regierung die steuerlichen Absetzmöglichkeiten für jene Haushalte ein, die, weil sie mehr als 50.000 Euro im Jahr verdienen, nicht in das Flat-Tax-System fallen und prinzipiell weiterhin Abzugs- und Absetzbeträge geltend machen können. Unter anderem werden Absetzbeträge für Kinder und lohnabhängige Arbeit den einkommensschwächeren Familien vorbehalten.

Maria, Simone und Andrea finden das neue Steuersystem zwar ziemlich schwer einzuschätzen, aber fürs erste recht vielversprechend und zudem durchaus fair. Die ersten Lohnstreifen und die erste Steuerklärung nach der Umstellung lassen die drei Kolleginnen die eigentliche Tragweite der Änderungen erkennen.

Maria und Simone, die beiden Mütter, merken auf ihren Lohnstreifen recht wenig, sie besteuern ihre Gehälter wie bisher weiterhin nach dem progressiven Stufensystem. Allerdings bemerken sie, dass sie die Absetzbeträge für lohnabhängige Arbeit und für Kinder verloren haben, was ihnen 700 Euro vom Jahresnettolohn wegknabbert. Andrea hingegen kommt frohlockend ins Büro, nicht ahnend, dass es für ihre beiden Kolleginnen keinen Grund zur Freude gibt. Sie erhält mit einem Schlag Netto rund 4.000 Euro mehr, 4.182 um genau zu sein - eine nie da gewesene Gehaltserhöhung! Schade, dass Maria und Simone ihr die Laune verderben, die sind nämlich sauer und zwar gewaltig. Da die Lebenspartner der drei Frauen selbst alle jährlich an die 35.000 Euro verdienen, kommen Maria und Simone auf ein Familieneinkommen von 75.000 Euro, weil ihre Einkommen mit jenen ihrer Partner zusammengezählt werden. Andrea geht dagegen als Single-Haushalt durch, dessen Einkommen von 40.000 Euro nicht mit jenem des Lebenspartners summiert wird und deshalb in den Genuss der immens vorteilhafteren Flat-Tax kommt. Sie zahlt 15% auf die steuerliche Bemessungsgrundlage, im Gegenzug verliert sie lediglich die Absetzbeträge für lohnabhängige Arbeit. Ihre Steuerbelastung ist um satte 11,5% gefallen, von 9.642 auf 5.460 Euro. Selbst in dem Fall, das ihre Sozialbeiträge nicht mehr die Bemessungsgrundlage reduzierten, käme sie in den Genuss einer Steuersenkung in Höhe von 3.642 Euro per anno. Macht so oder so an die 300 Euro netto mehr im Monat bei 13 Gehältern im Jahr (321 bzw. 280 Euro). Ihre Kolleginnen, die dieselbe gehalts- und dienstrechtliche Position aufweisen, haben nun hingegen gut 50 Euro weniger auf dem Lohnzettel.

Simone ist unglaublich frustriert. Jahrelang hat sie nach derselben Ausbildung dieselbe Leistung erbracht wie Andrea und gleich viel verdient. Nun soll sie plötzlich im Vergleich zu ihr saftig mehr an Steuern zahlen, nämlich 10.152 gegenüber Andreas 5.460 (oder 6.000) Euro, der sie mit einer Steuererhöhung von 700 Euro die de facto-Lohnerhöhung mitfanziert. Und dies obwohl Andrea keine Ausgaben für Kinder zu tragen hat - eine himmelschreiende Ungerechtigkeit. Noch saurer stößt Maria die Sache auf. Nicht nur, dass sie für ihre Wohnung keinen Schenkungsbeitrag erhalten hat, nein, nun erhält Andrea als Single auch noch 300 Euro mehr Lohn, ohne dass sich an den Leistungen der beiden etwas geändert hätte. Maria ist stocksauer und beschließt ihr Engagement auf der Arbeit zurückzufahren. Dienst nach Vorschrift. Keine Gefallen und wohlwollende Hilfsangebote mehr für die Kolleginnen, keine Überstunden, null Motivation. Informationen leitet sie nur noch auf ausdrückliche Anordnung weiter, hält Andrea außen vor, lässt sie beim Chef auflaufen, indem sie ihr nützliche Infos vorenthält. Das Arbeitsklima ist vergiftet. Auch Simone ist demotiviert und will ihren Einsatz zurückfahren. In Absprache mit ihrem Mann wandelt sie ihre Arbeit in ein Teilzeitverhältnis um. Da dieser einige Überstunden weniger und etwas mehr am Fiskus vorbei arbeitet, drücken sie ihr Familieneinkommen unter die 50.000 Euro-Schwelle und kommen damit ebenfalls in den Genuss der Niedrigbesteuerung. Zudem sparen sie sich Betreuungskosten für ihre Tochter. Einzig wegen der Rente hatte Simone zunächst Bedenken, aber ihr Mann wusste sie zu beruhigen. Mit ihren beiden Pensionen würden sie zusammen gut über die Runden kommen, versicherte er ihr.

N.B. Die dem Beispiel zugrunde gelegten Berechnungsweisen entsprechen den letzten, wirtschaftlichen Fachzeitungen zu entnehmenden Entwürfen der Regierung.

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Ein Leser Ven, 05/03/2019 - 15:32

Und wieder einmal sieht man - auch anhand der hier dargelegten Beispiele -, dass die Schwindler von Förderungen und Steuererleichterungen am meisten profitieren.
In obigen Beispielen Andrea und ihr Lebenspartner, die bezüglich ihres meldeamtlichen Wohnsitzes (= der gewohnheitsmäßige Aufenthaltsort) aus Steuerschlauheit zur Vermeidung der GIS lügen.

Ven, 05/03/2019 - 15:32 Collegamento permanente
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Klemens Riegler Dom, 05/05/2019 - 10:56

In risposta a di Ein Leser

Lieber "Ein Leser", hier geht es nicht um einige 100 Euro GIS, sondern um einige 1000 Euro "Steuern". Zum Thema: Leider haben wir inzwischen öfter das Problem, dass "neue" Politiker sich ihrer Taten - und der Folgen - nicht bewusst sind; "Sie wissen nicht was sie tun" (Zitat stammt von einem der hier nicht her passt, aber leider stimmt der Inhalt mehr denn je.)
Diesen modernen Politikern fehlt heutzutage einfach die Schule ... Verwaltung, auch im politischen Geschehen, muss auch gelernt sein. Das Fehlen dieser Voraussetzungen hat zur Folge dass grottenschlechte Gesetze gemacht werden, die alle paar Monate wieder angepasst und ergänzt werden müssen.

Dom, 05/05/2019 - 10:56 Collegamento permanente
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Hans Hanser Dom, 05/05/2019 - 11:47

In risposta a di Klemens Riegler

Wahre Worte, werter KR! Die politische Welt ist voller Studienabbrecher, Jungspunde, die noch nie in der Arbeitswelt waren bzw. dort nicht Fuß fassen konnten. Schauen Sie sich mal den Südtiroler Landtag in seiner aktuellen Konstellation an, Landesbeamte, Journalisten (was immer das in Südtirol auch sein möge...), Lehrer und die steigende Anzahl von Studienabbrechern, die sich den "nullafacente" zum Vorbild machen. Klar, dass die Qualität der Gesetze sinkt.
Nur, eines muss uns allen klar sein: Jedes Volk hat die Regierung, die es verdient!

Dom, 05/05/2019 - 11:47 Collegamento permanente
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Martin Daniel Dom, 05/05/2019 - 17:35

In risposta a di Hans Hanser

Geehrter Herr H.H., auch wenn das hier überhaupt nicht zum Thema gehört: Es wird Sie freuen eines besseren belehrt zu werden und zu hören, dass unter den aktuellen Landtagsabgeordneten eben KEIN einziger Lehrer zu finden ist. Ob irgendjemand vor 20 Jahren eine Supplenz innehatte, war per Internetsuche nicht auszumachen, spielt aber eh keine Rolle, weil er/sie in der Zwischenzeit durch eine anständige Arbeit ja reingewaschen wurde.

Dom, 05/05/2019 - 17:35 Collegamento permanente
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Hans Hanser Lun, 05/06/2019 - 20:15

In risposta a di Martin Daniel

Es freut mich grundlegend Repliken zu hören, sie sollten nur besser recherchiert sein. Ich habe nicht gesagt, dass die Leute HAUPTBERUFLICH Lehrer sind, ob sie eine Supplenzstelle innehatten, kann ich Ihnen auch nicht sagen.
Fakt ist jedoch, dass Arno Kompatscher, Sepp Noggler, Peter Faistnauer, Brigitte Foppa und Maria Hochgruber mehrere Jahre als LehrerIn gearbeitet haben. Bei letzterer bin ich mir nicht sicher, ob es mehrere Jahre waren.
Und dies nicht zur Finanzierung ihres Studiums, sondern als Beruf, ob Supplent oder nicht ist einerlei.
Da müssen Sie Ihre Recherchemethoden noch ein wenig qualitativ verbessern. Ich weiß auch nicht, ob Ihr Kommentar in die Kategorie (missglückter) Sarkasmus gehört... ? Eine "Reinwaschung" durch "anständige Arbeit", da bleiben alle Fragen (und Interpretationen) offen, in jedem Fall finde ich die Aussage zum Schmunzeln.

Lun, 05/06/2019 - 20:15 Collegamento permanente
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19 amet Dom, 05/05/2019 - 10:41

Was kann man sich von einer faschistoiden Regierung schon anders erwarten. Populistische Steuersenkungen um Wähler zu gewinnen, die natürlich auf Kosten anderer Bürger gehen, denn der Staat hat ja das Geld nicht das er seinen Jubeltürken zuschieben will. Das muss irgendwo und irgendwem abgenommen werden.

Dom, 05/05/2019 - 10:41 Collegamento permanente
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Martin Federspieler Dom, 05/05/2019 - 12:30

In risposta a di 19 amet

Solange die Leute nicht verstehen, dass eine funktionierende Demokratie nur auf der Grundlage von halbwegs gerechten Steuern bestehen kann, werden Polit-Scharlatane mit ihren Steuersenk-Versprechen fleißig am Untergang der Demokratie weiter arbeiten.
Bis dann jene, die an der Macht sind, uns nicht nur unser Geld, sondern auch die Freiheit nehmen.
Man erinnere sich, wie schon Berlusconi mit dem Versprechen der Abschaffung der ICI Wahlen gewonnen hat. Mit dem Ergebnis, dass der Staat ein paar Jahre nachher pleite war und Monti mit der IMU die Gebäudesteuer verdreifacht hat.
Ich denke, jeder der gutes Geld verdient, muss einsehen, dass er davon an die 30% an Systemaufwand abgeben muss. Und dass auch eine Progression gerechtfertigt ist, denn wer mehr verdient profitiert auch mehr vom funktionierenden System.
Flat-tax, so ein Schmarrn!!

Dom, 05/05/2019 - 12:30 Collegamento permanente