Politica | Europa 2019

Bayrisch tirolerische Amtspost

Alle in Deutschland lebenden Südtiroler haben jetzt Post von der Südtiroler Freiheit erhalten. Es ist die Aufforderung bei den EU-Wahlen die Bayernpartei zu wählen.
Knoll, Atz Tammerle
Foto: Salto.bz
Die Zeiten ändern sich.
1809 standen die strammen Tiroler gegen die bayrischen Besatzer auf und kämpften um ihre Freiheit. Das Ende ist bekannt: Die Franzosen mit den Bayern verbündet, besetzten das Land und richteten in Mantua den ewigen Südtiroler Helden Andreas Hofer hin. 210 Jahre später marschieren genau jene, die sich politisch und historisch gerne auf Andreas Hofer berufen, jetzt ausgerechnet mit den Bayern im Gleichschritt.
Der konkrete Anlass sind die EU-Wahlen vom 26. Mai 2019. In den vergangenen Tagen ist allen Südtirolern und Südtirolerinnen, die in Deutschland leben, ein gemeinsames Schreiben der Südtiroler Freiheit und der Bayernpartei in Haus geflattert. Unterzeichnet von den beiden Landtagsabgeordneten Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle ist der Brief an die „Verehrten Südtiroler in Deutschland“ ein Aufruf bei den anstehenden EU-Wahlen die Bayernpartei zu wählen.
Wenn auch Sie von Deutschland aus die Interessen Südtirols stärken möchten, ein modernes Europa wollen, in dem Selbstbestimmung, Minderheitenschutz sowie die Stärkung der regionalen Identitäten und Kulturen glaubwürdig vertreten werden, dann empfehlen wir Ihnen, die Bayernpartei zu wählen“, schreiben die beiden Südtiroler Landtagsabgeordneten.
 

Die Bayernpartei


Die Bayernpartei ist eine Kleinpartei, die im Freistaat  Bayern aktiv ist. Im Oktober 1946 in München gegründet, erlebte die Bayernpartei ihren Höhepunkt in den ersten zwei Jahrzehnten ihres Bestehens. Anfänglich war die Partei für die bayrische CSU ein durchaus ernstzunehmender politischer Konkurrent. So erreichte die Bayernpartei bei der ersten Bundestagswahl in Bayern 20,9 Prozent und zog damit mit 17 Vertretern in den deutschen Bundestag ein. Es war der letzte Sprung auf die nationale Bühne. Seitdem scheiterte die Bayernpartei bei den Bundestagswahlen an der 5-Prozent-Hürde.
Im Heimatland Bayern blieb die heutige Kleinpartei aber noch über ein Jahrzehntlang eine politische Größe. 1950 bei den ersten Landtagswahlen in Bayern erreichte die Bayernpartei 17,9 Prozent der Wählerstimmen, 1954 13,4 Prozent und 1958 8,1 Prozent. Ihren politischen Höhepunkt erklomm die Bayernpartei zwischen 1962 bis 1966 als sie zusammen mit der CSU in einer kleinen Koalition der Bayrischen Landesregierung angehörte. Danach ging es bergab.
Sie schaffte nicht mehr den Sprung in den bayrischen Landtag. Bei den Landtagswahlen 2013 erreichte sie 2,1 Prozent der Stimmen. Unerhofften Aufwind erhielt die Bewegung im Frühjahr 2016 als in München zwei Stadträte der CSU, einer der Freien Wähler, sowie ein ehemalige SPD-Abgeordneter zur Bayernpartei übertraten. Damit ist die Bayernpartei mit fünf Mandaten nach den Grünen derzeit die viertstärkste Partei im Münchner Stadtrat. 
 
 
Doch bei den Landtagswahlen 2018 in Bayern erfolgte die Ernüchterung. Beim Wahlgang am 14. Oktober 2018 verlor die Bayernpartei weitere 0,4 Prozentpunkte und verpasste mit mageren 1,7 Prozent den Einzug in den bayrischen Landtag deutlich.
Auch bei den anstehenden EU-Wahlen ist die Bayernpartei eigentlich chancenlos. Bei der Europawahl 2014 kam sie in Bayern auf 1,3 Prozent. Deutschlandweit waren es 0,2 Prozent. Dennoch tritt man auch jetzt wieder an.
 
 

Patriotisches Joint Venture


Das politische Joint Venture der Patrioten aus Bayern und Südtirol ist kein neues Projekt. Seit Jahren arbeiten die Südtiroler Freiheit und die Bayernpartei eng zusammen.
Bereits 2014 unterstütze die Südtiroler Freiheit den EU-Wahlkampf der Bayernpartei. Die damalige Meraner Gemeinderätin Reinhild Campidell war damals im Wahlkampf in Ost-Algäu unterwegs.
Im August 2017 kam es dann zu einem politischen Treffen in Brixen. Anwesend dabei die vier Münchner Stadträte der Bayernpartei: Johann Altmann, Eva Caim, Richard Progl und Mario Schmidbauer, sowie der Generalsekretär der Bayernpartei Hubert Dorn. Von der Süd-Tiroler Freiheit hingegen waren die damaligen Landtagsabgeordneten​ Sven Knoll und Bernhard Zimmerhofer, sowie Landesleitungsmitglied Cristian Kollmann dabei.
Inhaltlich gibt es zwischen den beiden rechtskonservativen Parteien eine Vielzahl von Bezugspunkten. So tritt die Bayernpartei für die Stärkung der Bürgerrechte und der Vereinfachung des Steuerrechtes, aber vor allem die Möglichkeit einer Volksabstimmung über den Austritt Bayerns aus dem deutschen Staatsverband ein. Hier treffen sich die Selbstbestimmungsbefürworter. Zudem sind beide Parteien Mitglied der Europäischen Freien Allianz (EVA).
 
 
Die Südtiroler Freiheit hat bereits vor Wochen offiziell erklärt, dass sie bei den EU-Wahlen nicht antreten wird. Die Begründung: „Auf Grund des minderheitenfeindlichen italienischen Wahlgesetzes – wir müssten u.a. mit einer Partei in Rom ein Bündnis eingehen und mindestens 50.000 Stimmen erhalten – besteht keine Aussicht auf Erfolg.
Dennoch möchte sich die Südtiroler Freiheit auch im EU-Wahlkampf einbringen. Der diesbezügliche Bündnispartner in Deutschland ist die Bayernpartei. So ging am 26. April 2019 im Wirtshaus „Augustiner am Dante“ in München ein gemeinsamer Informationsabend der Bayernpartei und der Südtiroler Freiheit über die Bühne.
 

Wahlempfehlung mit Tücken

 
Jetzt folgt die schriftliche Wahlempfehlung. In dem zweiseitigen Schreiben wird in 10 Punkten das Europaprogramm der Bayernpartei wiedergegeben. Sven Knoll und Myriam Atz Tammerle empfehlen dann die Wahl der Bayernpartei.
Der Brief ging an die Privatanschrift aller deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler und Südtirolerinnen, die in das staatliche Verzeichnis der Italiener im Ausland (AIRE) eingetragen sind. Parteien können offiziell im Wahlkampf auf die Adressen zurückgreifen.
 
 
Es dürfte aber eine Premiere sein, dass eine Partei, die rechtlich in Italien eingetragen ist, italienische Staatsbürger zur Wahl einer deutschen Partei aufruft­. 
Technisch möglich ist das. Der Großteil der in Deutschland lebenden Italiener und Südtiroler geben ihre Stimme in der Botschaft ab. Dort können nur jene Parteien gewählt werden, die in Italien kandidieren. Damit können diese Wählerinnen und Wähler nicht die Bayernpartei wählen.
Laut Wahlrecht können Unionsbürgerinnen und Unionsbürger aber in allen EU-Staaten in denen sie ansässig sind, einen förmlichen Antrag auf Eintragung in ein Wählerverzeichnis stellen. Der Antrag muss in Deutschland spätestens am 21. Tag vor der Wahl bei der Gemeinde am Wohnort eingehen. Das heißt: Will ein Südtiroler oder ein Südtirolerin der Wahlempfehlung des Duos Knoll/Atz Tammerle nachkommen, muss er diesen Antrag längst gestellt haben.
Und genau hier dürfte das Problem liegen. Der Stichtag dafür war der 5. Mai 2019. Die Wahlempfehlung der Südtiroler Freiheit ist aber mit „Bozen und München, den 3 Mai 2019“ datiert. Das heißt für die meisten kommt dieses Schreiben auf jeden Fall zu spät.
So dürfte es am Ende heißen: Außer Spesen nichts gewesen.
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gorgias Ven, 05/17/2019 - 15:18

Die STF hats verschlafen. Diese Pointe kann man durchaus lustig finden.
Diese Bemerkung Herr Franceschini zeigt aber von uneuropäischer Kleingeistigkeit:
Es dürfte aber eine Premiere sein, dass eine Partei, die rechtlich in Italien eingetragen ist, italienische Staatsbürger zur Wahl einer deutschen Partei aufruft­.

Nebenbei heisst die Fraktion im Parlament zu der die STF als auch Ihre Grünen gehört EFA und nicht EVA.

Ven, 05/17/2019 - 15:18 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Ven, 05/17/2019 - 17:15

In risposta a di Martin Aufderklamm

Ich habe das so verstanden: Die Adressen stehen den Parteien für Wahlkampfzwecke zur Verfügung und müssen nicht erstanden werden! Siehe "Der Brief ging an die Privatanschrift aller deutsch- und ladinischsprachigen Südtiroler und Südtirolerinnen, die in das staatliche Verzeichnis der Italiener im Ausland (AIRE) eingetragen sind. Parteien können offiziell im Wahlkampf auf die Adressen zurückgreifen."

Ven, 05/17/2019 - 17:15 Collegamento permanente
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Ludwig Thoma Ven, 05/17/2019 - 21:26

Ich hab neulich ein Gröstl gemacht, (ein sog. "Herrengröstl" mit dem Suppenfleisch vom Vortag) und nebenbei meiner Freundin (aus nördlich vom Main) erklärt, dass Frau Atz Tammerle ihren gastronomischen Betrieb in Schenna (also nicht gerade im touristisch unterentwickelten Gebiet) schließen musste, weil sie keinen Koch gefunden hat, und die ausländischen Köche "andere Geschmacksnerven" hätten und deswegen kein "Gröstl" machen könnten. (irgendwo im Archiv der Tageszeitung sind die Quellen dafür)

Ven, 05/17/2019 - 21:26 Collegamento permanente