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Amtliche Fake News

Die Regierung hat die Fachartzausbildung nach österreichischem Modell vor dem Verfassungsgericht nie angefochten. Ein Beispiel wie man mit Halbwahrheiten Politik macht.
Ärzte
Foto: upi
Es gibt eigentlich nur zwei Erklärungen: Entweder Arno Kompatscher & Co können nicht  lesen oder man benutzt den Anlass ganz einfach für billige politische Propaganda und Stimmungsmache.
Es ist der Aufreger der Woche. Laut übereinstimmenden Meldungen aller Südtiroler Medien hat die Regierung vergangene Woche unter anderem das Landesgesetz zur Südtiroler Fachartzausbildung vor dem Verfassungsgericht angefochten. Seit Tagen berichten die Medien darüber.
Diese Anfechtung hat Südtirol in Wallung gebracht. „So können wir nicht arbeiten“, meinte Landeshauptmann Arno Kompatscher Anfang dieser Woche und fordert eine Überprüfung der Koalition mit der Lega auf höchster politischer Ebene.  “Wir sind ein autonomes Land. Und ich bestehe auf unser Recht, die Ausbildung nach österreichischem Modell als zusätzliche Option anzubieten”, erklärt der Landeshauptmann.
 „Nach Rücksprache mit unserem lokalen Koalitionspartner wird es nun diesbezüglich auf römischer Ebene ein klärendes Gespräch mit Regionenministerin Erica Stefani geben“, erklärt auch SVP-Obmann Philipp Achammer am Montag nach der Sitzung der Parteileitung. Auf der Sitzung in der Brennerstraße stand  die Anfechtung die Facharztausbildung in Südtiroler Krankenhäusern im Mittelpunkt. 
 

 

Kompatschers Ärger ist nachvollziehbar” assistierte diese Woche der ASGB der Landesregierung. Laut der Gewerkschaft sei „besonders brisant, dass die Ärzteausbildung nach österreichischem Vorbild in Südtirol verboten werden soll.“ Weit patriotischere Töne gebraucht Sven Knoll. „Italien will nicht, dass in Südtirol eine Landesfacharztausbildung nach österreichischem Modell durchgeführt wird“, schlägt der Kopf der Südtiroler Freiheit Alarm.

 

Auch die Südtiroler Jungärzte, die sich seit Jahren für die österreichische Fachartzausbildung einsetzen, haben sich inzwischen zu Wort gemeldet. “Wir nehmen die Klage vor dem Verfassungsgericht mit Sorge zur Kenntnis und erwarten uns, dass das Land Südtirol mit seinen Vertretern alles Mögliche und Notwendige unternehmen wird, um die Möglichkeit einer Rückkehr der einheimischen Jungärzte und somit eine Erhaltung eines funktionierenden Sanitätswesens in Südtirol endgültig und langfristig zu garantieren“, heißt es in einem offenen Brief an die Landesregierung.
 

Nie angefochten


Dabei ist die ganze Aufregung umsonst. Das Palais Widmann und die SVP-Zentrale in der Bozner Brennerstraße führen Südtirols Bevölkerung seit Tagen bewusst an der Nase herum. Denn die Wahrheit, die Arno Kompatscher und Philipp Achammer seit Tagen kennen: Die Regierung hat keineswegs die Südtiroler Facharztausbildung nach österreichischem Modell vor dem Verfassungsgericht angefochten.
Das geht ganz klar aus dem Beschluss des Ministerrates vom 19. Juni 2018 und dem offiziellen Schreiben von Unterstaatssekretär Giancarlo Giorgetti an die Landesregierung hervor mit dem die Anfechtung verschiedener Landesgesetze offiziell mitgeteilt wurde.
Dort heiß es:
 
 
In der Eile des Gefechts dürfte jemand die Artikel im Südtiroler Haushaltsgesetz verwechselt haben. Denn im angefochtenen Landesgesetz geht es nicht um die Ausbildung der Fachärzte an Südtirols Krankenhäusern nach österreichischem Modell, sondern um die Südtiroler Ausbildung für Haus- und Basisärzte. Es geht im Gesetzstext um die "Sonderausbildung der Allgemeinmediziner". Und auch dort um ein Detail: Die Stipendien für Hausärzte in Ausbildung, die nebenbei arbeiten. Der Einzige, der das bisher öffentlich klar gesagt hat, ist Thomas Widmann. „Hier verlangt Rom, dass wir den Hausarzt-Azubis den Lohn für ihre Teilzeitarbeit vom Stipendium abziehen“, erklärte der Sanitätslandesrat vor einigen Tagen den Dolomiten.
Danach aber brandete die patriotische Aufwallung um die österreichische Fachartzausbildung auf. Und Kompatscher & Co reiten die Welle einfach mit.
In der Hoffung, dass es niemand merkt. Anfechtung ist Anfechtung und ein Angriff auf Südtirols Autonomie  und indirekt auf das Vaterland lässt sich eben besser verkaufen, als ein möglicher Fehler bei der Stipendienvergabe.
Amtliche Fake News, diesmal nicht nach dem österreichischen Modell, sondern hausgemacht.
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Martin Daniel Gio, 06/27/2019 - 15:03

Egal, ob hier bewusst oder fahrlässig desinformiert wird, die Sache bestärkt die Zweifel an Anti-fake-news-Stellen und -kanälen, ganz gleich ob öffentlich-rechtlichen oder privaten. Pluralismus ist das beste Mittel gegen fakes, die, das wird manchmal vergessen, auch von altehrwürdigen Medien und mutmaßlich seriösen Institutionen verbreitet werden. Bei Trump weiß man wenigstens, wie man dran ist...

Gio, 06/27/2019 - 15:03 Collegamento permanente
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Stereo Typ Gio, 06/27/2019 - 17:20

Nein, das stimmt so nicht. Natürlich können Rechtschreibfehler (hier sind's wohl eher Tippfehler) vorkommen, aber im obigen Text haben sie System und könnten ganz einfach vermieden werden: indem jemand den Text gegenliest. Da müsste doch eine/r in der Redaktion zu finden sein. Ist übrigens kein Vorwurf an den Autor, jede/r macht beim Schreiben Fehler. Wertet leider den Artikel ab, ob interessant und up to date oder nicht.

Gio, 06/27/2019 - 17:20 Collegamento permanente
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King Arthur Gio, 06/27/2019 - 21:57

Ihr hattet das doch selbst schon vor ein paar Tagen aufgedeckt (siehe https://www.salto.bz/de/article/24062019/la-lega-non-protegge-lautonomia - sogar mit Link zum Landesgesetz zum Nachlesen). Offenbar aber ohne es selbst zu durchblicken. Die bisherigen Meldungen (Ö-Facharztausbildung wird angefochten) sind tatsächlich weit weg von der Wahrheit, wenngleich die Anfechtung sehr wohl relevant ist, da sie autonome Regelungen zur Allgemeinmedizin- und Facharztausbildung betrifft. Von der Verfassungswidrigkeit dieser Bestimmungen zu jener des Südtiroler Facharztausbildungsmodells an sich, das auf staatlicher Ebene gänzlich unbekannt ist, wäre es dann aber wirklich nicht mehr allzu weit.

Gio, 06/27/2019 - 21:57 Collegamento permanente