Società | RAI Südtirol

Die Ethik des Direktors

Der „Fall Bärwanger“ hat ein Nachspiel. Das Redaktionskomitee protestiert gegen Perwangers Verhalten. Doch RAI-Direktor Vittorio Longati fährt ihnen sofort in die Parade.
Im nationalen Kollektivvertrag für Journalisten sind auch die Aufgaben des Redaktionskomitees festgelegt. Unter anderem ist das Organ dafür zuständig, den Verleger und die Gewerkschaften über Missstände im eigenen Haus zu informieren.
Genau das haben die RAI-Journalistinnen Gunda Regensberger, Silvia Franceschini und Gudrun Esser jetzt getan. Am Freitag verschickten sie ein langes Protestschreiben, in dem sie noch einmal die unglaublichen Vorfälle um die Begegnung von RAI-Südtirol Koordinator Markus Perwanger mit dem Problembären M49 am Rande Bletterbachschlucht Revue passieren lassen. Im Zentrum des Schreibens: Die Tatsache, dass Perwanger umgehend den Konkurrenzkonzern Athesia informierte, das eigene Medienhaus aber völlig im Dunkeln ließ.
Ein einmaliger Fall in der RAI-Geschichte
 

„Höchst befremdlichen Verhalten“

 
Unter dem Betreff „Perwanger und der Bär“ schreibt das Redaktionskomitee einen geharnischten Protestbrief.
In dem Schreiben heißt es:
 
Die Journalistinnen und Journalisten von RAI Südtirol beanstanden das Verhalten von RAI Südtirol-Koordinator Markus Perwanger im Zusammenhang mit dem Problembären M49.
Nach seiner Begegnung mit dem Bären in der Bletterbachschlucht am vergangenen Sonntagnachmittag (08.8.) hat Perwanger in einem ausführlichen Gespräch einem Journalisten der Tageszeitung „Dolomiten“ des Medienhauses Athesia das Ereignis beschrieben.
Die Redaktion von RAI Südtirol hat er hingegen nicht darüber informiert. Die Redaktion war am fraglichen Tag bis 23.00 Uhr besetzt und am darauffolgenden Tag ab 5 Uhr morgens.
Dass der Koordinator, der im Übrigen sieben Jahre lang Chefredakteur der deutschen Redaktion war den eigenen Sender nicht informiert hat, ist inakzeptabel. Man stelle sich vor, ein RAI-Direktor in Rom oder Mailand gibt über ein berichtenswertes Ereignis, dessen Zeuge er wurde, nur der Tageszeitung „Corriere della Sera“ Informationen, aber nicht der RAI.
Perwanger hat damit der deutschen, italienischen und ladinischen Redaktion am Bozner RAI-Sitz ein Ereignis von landesweitem und wie die Berichterstattung der folgenden Tage zeigte, staatweitem Interesse vorenthalten (nämlich die Nachricht. dass M49 nach seiner Flucht in Südtirol gesichtet wurde).
 
 
Man stelle sich vor, ein RAI-Direktor in Rom oder Mailand gibt über ein berichtenswertes Ereignis, dessen Zeuge er wurde, nur der Tageszeitung „Corriere della Sera“ Informationen, aber nicht der RAI.

Da die RAI auf aktuelle und relevante Informationen angewiesen ist, hat Markus Perwanger mit diesem Verhalten dem öffentlichen Rundfunk, bei dem er seit 31 Jahren beschäftigt ist, geschadet.
Außerdem wäre es wichtig gewesen, die Bevölkerung sofort im Nachrichtenportal von RAI Südtirol in den stündlichen Radionachrichten und in der Tagesschau vor dem gefährlichen Bären zu warnen und nicht erst 13 Stunden später in den „Dolomiten“.
Wir finden dieses Verhalten für eine Führungskraft in der Position eines Koordinators von RAI-Südtirol im höchsten Maße befremdlich.
 
Das Redaktionskomitee
 
Klare Worte.
 

Die Adressaten

 
Das zweisprachige Protestschreiben gegen das Verhalten von Markus Perwanger ging am Freitagvormittag an eine ganze Reihe hoher RAI-Funktionäre in Rom. Etwa an Alessandro Casarin, den Direttore Testata Giornalistica Regionale, an Roberto Gueli, den Vicedirettore TGR, an Luigi Meloni, Direttore Coordinamento Sedi Regionali ed Estere, sowie an die ein halbes Dutzend RAI-Vorstände. Ebenso an den Sekretär der Gewerkschaft USIGRAI Vittorio Di Trapani.
Der Hintergrund des Schreiben ist klar: Man will die römische RAI-Spitze vom unglaublichen Verhalten des RAI-Südtirol Intendanten informieren.
Doch nicht nur das. Der Koordinator von RAI-Südtirol wird formal vom Land Südtirol im Einvernehmen mit der römischen RAI-Direktion ernannt. Markus Perwanger war 2006 noch von Luis Durnwalder in das Amt gehoben worden.
Deshalb schickte das Redaktionskomitee das Schreiben auch an mehrere hohe Landesfunktionäre. Darunter findet sich der Generalsekretär der Landesregierung Eros Magnago und Cecilia Miribung, die persönliche Referentin von Landeshauptmann Arno Kompatscher und der Direktor der Landesagentur für Kommunikation Marco Pappalardo. Sowie an die Mitglieder der paritätischen Kommission Land-RAI.
Ebenso verschickte man die Mail an die Südtiroler und Trentiner RAI-Redaktionen, die Chefredakteure aber auch an den Bozner RAI-Direktor Vittorio Longati und an Markus Perwanger persönlich.
 

Die Antwort des Direktors

 
Es dauerte genau zweieinhalb Stunden da trudelte bereits eine Antwort ein. Sie stammt vom Direktor der Bozner RAI Vittorio Longati.
 
 
Der mächtigste Südtiroler RAI-Funktionär dreht dabei die Rollen kurzerhand um. Plötzlich ist es nicht mehr Markus Perwanger der seinem Medienhaus einen Bärendienst erwiesen hat, sondern das Redaktionskomitee mit diesem Schreiben.
Trovo inaccettabile questo comportamento, sicuramente più grave di quello che si sostiene nella mail che non mi risulta corrisponda alla verità dei fatti nei punti fondamentali.
Man muss sich Longatis Botschaft auf der Zunge zergehen lassen. Der Bozner RAI-Direktor schreibt:
 
„Scusate se mi inserisco.
senza nemmeno entrare nel contenuto della mail, mi basta leggere l'elenco dei destinatari per rilevare una serie di scorrettezze etiche ma anche normative.
Trovo inaccettabile questo comportamento, sicuramente più grave di quello che si sostiene nella mail che non mi risulta corrisponda alla verità dei fatti nei punti fondamentali.
Distinti saluti
Vittorio Longati“
 
Dass der Bozner RAI-Direktor mit dieser Antwort dem Redaktionskomitee und damit der eigenen gewerkschaftlichen Vertretung einen Maulkorb umzuhängen versucht, wäre in jedem anderen Betreib ein Skandal.
Doch an der Spitze der Südtiroler RAI zählen anscheinend weder journalistische Regeln, noch die normale Berufsethik.
Was einzig und allein zählt, ist eine „bärige Männerfreundschaft“.
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△rtim post Sab, 08/24/2019 - 16:00

Der letzte Satz ist selbstredend.
Denn um was geht es hier eigentlich? Darum, dass Perwanger in 31 Dienstjahren einen vermeintlichen Fehler gemacht hat oder um gendermotiviertes Mobbing der drei Kolleginnen mit medialen Mitteln?

Sab, 08/24/2019 - 16:00 Collegamento permanente
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△rtim post Sab, 08/24/2019 - 18:42

Damen- oder Herrenfeindschaft? Jede Form von Mobbing und mediales Bashing sind abzulehnen Ganz genderunabhängig - finde ich. Denn, dass es hier jetzt gar gar um Frauen- oder um Männerfreundschaft in wechselseitiger Feindschaft, also um einen Genderhintergrund gehen soll, nur weil drei Damen von der RAI und der RAI-Direktor je eine eigene Position vertreten, geht hoffentlich wohl an der eigentlichen Aufarbeitung vorbei. Es sei denn es geht hier im Artikel um mangelnden persönlichen Respekt unter Kollegen aus medienethischer Sicht u./od. um die Kernfrage: Suspendiert strategische Akzeptanzbeschaffung Professionsethik?

Sab, 08/24/2019 - 18:42 Collegamento permanente