Società | Zeitgeschichte

271 Jahre abgefehlt!

Die Dolomiten präsentieren auf ihrer heutigen Titelseite die Unterschriften des Friedensvertrages von St. Germain. Doch es ist das falsche Dokument.
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Foto: dolomiten
Es ist ein schönes Titelblatt. 
Vor 100 Jahren: Diese Unterschriften besiegelten die Annexion Südtirols durch Italien“, steht auf der Titelseite der Montagsausgabe der Dolomiten zu lesen. Darunter ist ein großes Bild zu sehen mit einem handschriftlich verfassten Vertrag, einer Kordel, mehreren Wachssiegeln und Unterschriften.
Das Bild macht sich gut. Im Vorspann ist zu lesen: „In Saint-Germain wird am 10. September 1919 die Annexion Südtirols durch Italien offiziell besiegelt. Die Zerreißung Tirols ist damit Realität. England, Frankreich und Russland hatten im Londoner Geheimvertrag 1915 mit dieser Zusicherung Italien zum Kriegseintritt auf ihrer Seite bewegen können.“ Auf den Seiten 6 und 7 findet sich dann eine große Geschichte des Historikers und Lehrers Norbert Parschalk.
 
 
Das Problem dabei: Die auf der Titelseite gezeigten Unterschriften haben mit Saint-Germain und dem 10. September 1919 nicht das Geringste zu tun. Denn das Bild zeigt einen Vertrag, der über zweieinhalb Jahrhunderte zuvor geschlossen wurde.
Beim Dokument handelt es sich um ein Foto des sogenannten „Westfälischen Friedens.  So werden die zwischen dem 15. Mai und dem 24. Oktober 1648 in Münster und Osnabrück geschlossenen Friedensverträge genannt, die den dreißigjährigen Krieg in Deutschland und zugleich den Achtzigjährigen Unabhängigkeitskrieg der Niederlande beendeten. Die Verträge wurden in Münster im Namen von Kaiser Ferdinand III. und König Ludwig XIV. von Frankreich bzw. Königin Christina von Schweden unterzeichnet. 
Der Friedensvertrag von Saint Germain sieht in Wirklichkeit völlig anders aus. Er ist in Englisch, Französisch und Italienisch verfasst und gedruckt. Ein Exemplar ist im österreichischen Staatsarchiv einsehbar.
 
 
Das Dolomiten-Bild ist offenbar ganz unkritisch von der Unesco-Webseite „Memory of Austria“ genommen“, kommentiert der Bozner Historiker Hannes Obermair,wobei das Blatt seine LeserInnen für so unbedarft hält, dass sie den Schwindel schon nicht bemerken werden.“Interessant dabei: Das Ebnerblatt hat in seiner Ausgabe vom 4. September 2019 gegen die „Desinformation“ gewettert, die durch staatlich gelenkte Falschmeldungen entstünden.
Fake News aus dem Weinbergweg?
Vielleicht ist es doch einfacher: Ein Kollege oder eine Kollegin haben einen Fehler gemacht. So wie es jedem Journalisten und jeder Journalistin passieren kann.
Peinlich wird es erst, wenn es jemand merkt.
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Dietmar Holzner Lun, 09/09/2019 - 13:42

Schadenfreude über einen Kollegen/in eines Konkurrenzmediums mag zwar redaktionsintern durchaus verständlich sein (sind ja auch nur Menschen). Aber über einen Fauxpas, der, wie in diesem Fall, völlig substanzlos ist, einen Artikel zu gestalten, steht m.E. einem Portal wie Salto nicht besonders gut zu Gesichte. Es ist taktisch sogar äußerst unklug, denn die Rache Goliaths könnte fürchterlich werden.

Lun, 09/09/2019 - 13:42 Collegamento permanente
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Michl T. Lun, 09/09/2019 - 14:37

In risposta a di Dietmar Holzner

ich glaube C. Franceschini hat weder Angst vor Sauron (hier treffender als Vergleich als Goliath) noch hat Sauron Mittel und Wege, alle Medien im Land zu knechten. der Eine Ring ist noch nicht in seiner Hand, es ist noch nicht zu spät ;-)

Referenz zur Inschrift am Einen Ring:
http://www.derherrderringe.de/geschichte/gedicht/

Lun, 09/09/2019 - 14:37 Collegamento permanente
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gorgias Lun, 09/09/2019 - 18:46

In risposta a di Dietmar Holzner

Ich finde das weder unnötig noch lästig
Medien tun sich sehr schwer sich selbst zu kritisieren
Man soll sich den Fall mit Rezo ansehen. Dann ist es zu begrüßen, dass es in Südtirol aufgrund von Rivalitäten, einige Medien es gegenseitig tun.

Früher dachte ich immer ein Bild-Artikel enthält ein Kernchen Wahrheit. Doch als ich für längere Zeit bildblog.de las wurde mir bewusst, dass man alles anzweifeln kann. Von der Grundaussage bis zur Angabe von Namen und Alter ist dort alles verhandelbar.

Das Aufzeigen von Fehlern, und seien es nur von Nebensächlichkeiten hält den skeptischen Geist wach und bewusst wie fehlbar Medien sind.
So kann ich uebermedien.de, bildblog.de und den Aufwachen Postcast nur empfehlen.

Lun, 09/09/2019 - 18:46 Collegamento permanente
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Hartmuth Staffler Lun, 09/09/2019 - 21:38

In risposta a di Ludwig Thoma

Es ist inzwischen im Journalismus üblich geworden, dass man dem geschriebenen Text ziemlich planlos sogenannte Symbolfotos beifügt, um die Aufmerksamkeit des Lesers zu gewinnen. Ein korrekter Journalist setzt zumindest den Vermerk "Symbolfoto" hinzu. Im vorliegenden Fall wird jedoch explizit von "diesen Unterschriften" geschrieben, so dass die Ausrede "Symbolfoto" nicht mehr gilt und der faux pas unentschuldbar wird. Kollege Franceschini hat gut daran getan, diesen peinlichen Ausrutscher publik zu machen. Vielleicht lernt ja jemand daraus? Übrigens hat es auch Herr Steininger geschafft, in seinen Weisheiten zum Beginn des Zweiten Weltkrieges, veröffentlicht in den "Dolomiten", Fake-News und eklatante Widersprüche elegant zu vereinen. So ist Zeitungsmacherei heutzutage.

Lun, 09/09/2019 - 21:38 Collegamento permanente