Politica | #mitJulia

Die Zeichen der Zeit verkannt

Das verweigerte Vertrauen belegt die Orientierungslosigkeit der SVP. Sie ist gefährlich.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
SVP
Foto: Othmar Seehauser

Mit der lokalen Koalition hat sich SVP mit der Lega ins Bett gelegt. Die versuchte Rechtfertigung, dass die Lega eben eine autonomiefreundliche Partei sei, ist eine Watsche ins Gesicht all jener, die wegen der Europafeindlichkeit, der Minderheitenfeindlichkeit (siehe Roma, siehe LGBT) und natürlich der Fremdenhetzerei dieser Partei besorgt sind.

Es reicht vollkommen, ab und zu über die Landesgrenzen zu schielen, und die Politik der Lega im Veneto zu beobachten. Die dortige Lega ist den Autonomiebestrebungen der Belluneser absolut feindlich gesinnt. Punkt. Beim Ringen um die differenzierte Autonomie auf regionaler Ebenen, fällt Präsident Zaia durch Gepoltere und Beharrlichkeit auf, nicht aber durch geduldig stetiges Bemühen, wie das jahrzehntelange Ringen unserer Autonomiepolitiker unsere Autonomie erst ermöglichte. Nicht diplomatisches Geschick, nicht konstruktives Wohlwollen den anderen Regionen gegenüber, schon gar nicht respektvoller Umgang mit den Sonderautonomien, zeichnet die Lega aus. Die Brechstange für mehr finanzielle Ressourcen der reichen Regionen im Norden ist diesbezüglich der Lega einzig erkennbares Markenzeichen.

Nun hat die SVP der Regierung Conte 2 das Vertrauen verweigert. Schlechte Erfahrungen mit M5S-Ministern* verbrannten das Kind. Auch diese Partei ist nationalistisch, wenn auch nicht homogen. Dem plötzlichen, europafreundlichen Schwenk muss man genau so wenig trauen wie dem autonomienfreundlichen Lippenbekenntnis in Contes Rede zur Vertrauensabstimmung. Trotzdem, bei allen Vorwürfen, die man Conte bezüglich seiner ersten Legislatur machen muss, war er es, der Italiens Ansehen in Europa, in der Welt vor der gänzlichen Katastrophe bewahrt hat. Von unzähmbaren Monstern flankiert, ist das eine beachtliche Leistung und es braucht schon eine Portion Optimismus, dass er diese auch künftig in der Außenpolitik erbringt.

Das Vertrauen zu verweigern bedeutet für eine realpolitische Partei, mit Alternativen zu liebäugeln. Die einzig existente Alternative, wir alle wissen es, sind Neuwahlen. Laut Umfragen sind ist die Hälfte der Wählerschaft derart aufgepeitscht und weit nach rechts gekippt, dass man schon wieder beginnt, relativierend die Berlusconi-Leute zu den Topp-Demokraten der Mitte zu zählen. Die Alternative bedeutet Europafeindlichkeit.

Jahrzehntelang war Autonomiepolitik in Rom das oberste Gebot für die Entwicklung unseres Landes. Es ist der große, unverzeihliche Fehler der SVP-Exponaten, Lobby-gestützte Autonomiepolitik, so wichtig sie auch sein mag, auch heute noch hinter verantwortungsbewusste Europapolitik zu reihen. Was nützt ein Tagblatt-freundliches Mediengesetz, was nützt ein abgeschossener Wolf und was eine Autobahnkonzession, wenn Italien in Europa isoliert, vom Euro draußen und der Brenner dicht ist?

Was, wenn Südtirol erst seine Karten als Modelleuropa mit Unglaubwürdigkeit verspielt hat?

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Andreas Berger Mer, 09/11/2019 - 19:10

Angesichts der unsicheren Zeiten und der schnell wechselnden Mehrheiten, der kurzen Lebensdauer der italienischen Regierungen und der Aufgabe, Südtirol bestmöglich zu vertreten, finde ich, daß die SVP in den letzten Monaten schon ein beträchtliches Maß an Geschmeidigkeit bewiesen hat, jetzt auch noch die Zustimmung zu Rot-Gelb zu geben wäre meines Erachtens eine Kapriole zu viel gewesen. Da finde ich die "wohlwollende Enthaltung" angemessener.

Mer, 09/11/2019 - 19:10 Collegamento permanente