Società | Medien

Schöner Preis, böse Leut.

Mit einem Appell von 28 Preisträgern und dem Ausstieg des Landes Burgenland als Sponsor eskaliert der Streit um den Claus Gatterer Preis. Ein Blick hinter die Kulissen.
Am Ende tut Fred Turnheim das, was er immer tut, wenn es eng wird. Der Präsident des Österreichischen Journalistenclubs (ÖJC) bemüht seinen Rechtsanwalt. 
ÖJC prüft rechtliche Schritte gegen falsche Tatsachenbehauptungen. Rechtsanwalt eingeschaltet“, ist der Titel einer kurzen Pressemitteilung, die am Dienstag über den OTS-Presseservice der APA verbreitet wird.
Es ist nur ein Schritt in einem unrühmlichen und unappetitlichen Streit um das Erbe eines großen Südtiroler Journalisten und Historikers: Claus Gatterer. Einer Kontroverse in der es vordergründig um den renommierten „Professor Claus Gatterer Preis“ geht. Noch mehr aber um eine Grundsatzfrage journalistischer Ethik.
Können Journalistinnen und Journalisten, die für ihren „sozial engagierten Journalismus“ mit einem der renommiertesten Journalistenpreise Österreichs ausgezeichnet wurden, sich dann die Nase, die Ohren und Mund zuhalten, wenn es in ihrem eigenen Stall stinkt?
Die aktuelle Geschichte und der Eklat um den Gatterer-Preis sind auch eine Antwort auf diese Frage. 


Der Gatterer-Preis

 
1984 stirbt der ORF-Journalist und Vater der neueren Südtiroler Geschichtsschreibung Claus Gatterer. Unmittelbar danach schlagen die beiden ORF-Journalisten Hans Preiner und Fred Turnheim vor, einen Journalistenpreis nach Gatterer zu benennen. 1985 wird vom Österreichischen Journalistenclub (ÖJC) der „Professor Claus Gatterer-Preis“ ins Leben gerufen und erstmal an den „Falter“ vergeben.
Fred Turnheim ist dabei die treibende Kraft. Auch dem Namensgeber entsprechend wird die Auszeichnung schon bald zu einem journalistischen Gütesiegel für die Preisträgerinnen und –träger. Von Anfang an dabei sind als Geldgeber das Land Südtirol und Gatterers Heimatgemeinde Sexten. Jahrzehntelang zahlt das Land Südtirol das Preisgeld. Zuerst 50.000 Schilling, danach 5.000 Euro. Im Jahr 2017 genehmigt das Land schließlich einen Zuschuss von 15.000 Euro. Turnheim gelingt es zudem im Laufe der Jahre eine ganze Reihe von weiteren Sponsoren für den Preis an Land zu ziehen. Darunter Casino Austria, Oberbank, Wiener Städtische Versicherung oder die Flughafen Wien AG.
 
 
Die Preisverleihung findet jahrelang abwechselnd in Südtirol und Österreich statt. Mehrmals kommt es dabei zu Konflikten zwischen dem ÖJC sowie der Gemeinde Sexten und dem Land Südtirol. Der Hauptgrund: Das resolute und arrogante Auftreten des ÖJC-Präsidenten Fred Turnheim und die immer höheren finanziellen Forderungen. Weil Turnheim am Ende 30.000 Euro vom Land Südtirol fordert, zerbricht 2018 nach über drei Jahrzehnten die Zusammenarbeit. Der ÖJC zieht den Preis daraufhin aus Südtirol ab und verkündet mit dem Land Burgenland und der Esterhazy Stiftung neue Sponsoren gefunden zu haben.
 

Der Eklat

 
Am 5. September 2019 wird der Gatterer Preis damit erstmals auf Schloss Esterhazy in Eisenstadt vergeben. Doch bereits vorab kommt es zum Eklat.
Die Jury spricht Anfang Juli  den „Prof. Claus Gatterer Preis 2019“ dem Tiroler Aufdecker und Blogger Markus Wilhelm zu. Als Wilhelm aber eine Woche vor der Preisverleihung in einem Beitrag auf seinem Blog „die tiwag.org“ erklärt, er werde aus Protest gegen die Sponsoren des Preises und gegen die undurchsichtige Finanzgebarung des ÖJC zur Preisverleihung in Eisenstadt nicht erscheinen und das Preisgeld von 10.000 Euro den ausgebeuteten osteuropäischen Musikern der Festspiele Erl spenden, reagieren Turnheim & Co mit dem Fallbeil.

 
 
 
Wegen Beleidigung des ÖJC und der Sponsoren erkennt man Markus Wilhelm den Gatterer Preis kurzerhand wieder ab und vergibt ihn neu an das Fussball-Magazin „Ballesterer“.
Wenig später schlägt Markus Wilhelm zurück. Er veröffentlicht interne Abrechnungen des ÖJC zum Gatterer Preis, aus denen hervorgeht, dass der Preis offiziell das Neunfache kostet, was als Preisgeld auszahlt wird. Und dass der ÖJC Sach- und Dienstleistungen verrechnet, die mehr als nur diskutabel sind. Wilhelms offener Vorwurf dabei: Geschäftemacherei.
 

Geschützte Marke

 
Die Vorwürfe sind nicht nur durch Dokumente belegt, sondern sie haben von Beginn an auch einen konkreten Hintergrund. Dass der Gatterer Preis für Fred Turnheim und den ÖJC eine kommerzielle Angelegenheit ist, zeigt sich an vielen Details.
Bereits bei der Schaffung des Preises lässt sich der ÖJC von der betagten Schwester Anna Gatterer die Namensrechte Claus Gatterers mittels eines Notariatsakts übertragen. Am 10. Februar 1989 meldet Fred Thurnheim, der inzwischen seit 31 Jahren ununterbrochen das Amt des ÖJC-Präsidenten bekleidet, beim österreichischen Patentamt die Marke „Prof. Claus Gatterer-Preis verliehen vom Österreichischen Journalisten Club“ an. Ende 2004 lässt er dann diese Marke auch international eintragen. Kein Zufall. Denn in diesen Jahren beginnen erste Auseinandersetzungen mit der Gemeinde Sexten um den Gatterer-Preis. Es steht dabei auch die Überlegung im Raum einen eigenen Südtiroler Preis zu schaffen.
Fast eineinhalb Jahrzehnte später wird klar, wie Turnheim diesen Markenschutz nutzen will. 2018 wird in Gesprächen zwischen Kulturlandesrat Philipp Achammer, der Gemeinde Sexten und dem ÖJC ein Claus Gatterer Schülerpreis für Südtirol angesprochen. Turnheim zeigt sich nicht interessiert.
 
 
Als das Land im Herbst 2018 ankündigt einen Claus Gatterer Schülerpreis vergeben zu wollen, trudelt beim Landesrat für Kultur Philipp Achammer eine formelle Klagedrohung ein. Der Wiener Anwalt Albrecht Haller weist im Namen des ÖJC auf den Markenschutz hin und verbietet die Nutzung des Namens. Das Land nennt den Schülerpreis daraufhin kurzerhand „Claus“.
 

Die Erklärung der Preisträger

 
Nachdem Markus Wilhelm diese Hintergründe öffentlich macht, werden auch jene Journalistinnen und Journalisten aktiv, die für ihre engagierte Arbeit mit dem Gatterer-Preis ausgezeichnet wurden. In der vergangenen Woche wird eine gemeinsame Erklärung und Aktion vereinbart. Es ist ein Appell an den Präsidenten und den Vorstand des ÖJC.
 
Wir, die Preisträger des Prof Claus Gatterer Preises und ehemaligen Mitarbeiter Claus Gatterers, sind in großer Sorge um das Image des großen Journalisten.
Er stand und steht für Engagement auf Seiten der kleinen Leute, unabhängigen und kritischen Journalismus und vor allem Ehrlichkeit.
Die Informationen zur Finanzgebarung des ÖJC bei der Organisation des Preises und der Auswahl neuer Sponsoren gefährden den Ruf Gatterers und stellen aus unserer Sicht den Sinn des Preises in Frage.
Wir halten im Licht dieser Informationen den ÖJC nicht mehr für geeignet, den Claus Gatterer Preis auszurichten.

 
 
Wir fordern die Verantwortlichen dieser Organisation auf, den völlig illegitimen „markenrechtlichen Schutz“ dieses Preises aufzuheben.
Wir werden dafür sorgen, dass der Preis von einer über jeden Verdacht erhabenen Institution ausgerichtet und durch eine unabhängige Jury gemeinsam mit dem Land Südtirol und Sexten, der Heimatgemeinde Claus Gatterers, weiter verliehen wird.“
 
Wir werden dafür sorgen, dass der Preis von einer über jeden Verdacht erhabenen Institution ausgerichtet und durch eine unabhängige Jury gemeinsam mit dem Land Südtirol und Sexten, der Heimatgemeinde Claus Gatterers, weiter verliehen wird.
 
Diese Erklärung wird von 28 Gatterer-Preisträgern unterzeichnet. Darunter so bekannte Namen wie den ORF-Ancorman Armin Wolf, Falter-Chef Florian Klenk oder profil-Redakteurin Edith Meinhart, aber auch alle Südtiroler Preisträger wie Ulrich Ladurner, Karl Prossliner, Dietmar Telser oder Thomas Hanifle unterschreiben. Zu den Unterzeichnern gehören auch die beiden langjährigen Mitarbeiter Claus Gatterers und ehemaligen Jurymitglieder Peter Huemer und Kurt Langbein.
Am Dienstag geht dieser Appell an den ÖJC und die Mitglieder Jury. Bevor man damit an die Öffentlichkeit geht, will man eine Aussprache suchen. Wenige Stunden später erhalten alle Unterzeichnerinnen und Unterzeichner eine Einladung Fred Turnheims zu einem Gespräch am kommenden Freitag am ÖJC-Sitz in Wien.
 

Flucht nach vorne

 
Am Mittwoch folgt dann aber ein Paukenschlag. In einer gemeinsamen Presseaussendung geben das Land Burgenland und die Esterhazy Betriebe bekannt, dass sie als Sponsoren beim Prof. Claus-Gatterer-Preis des Österreichischen Journalisten Clubs (ÖJC) aussteigen. „Aufgrund der aktuellen Berichterstattung sehe man sich gezwungen, die Vereinbarung zur Preisverleihung mit sofortiger Wirkung zur Auflösung zu bringen", hießt es in der gemeinsamen Stellungnahme
Und weiter. „Das als Zeichen für den kritischen, freien Journalismus gesetzte Engagement von Land und Esterhazy erscheint im Zusammenhang mit dem Preis in den vergangenen Wochen in negativem Licht“. Die auf drei Jahre angelegte Kooperation mit dem ÖJC sei damit mit sofortiger Wirkung beendet.
 
 
Dass das Land Burgenland gerade jetzt die Handbremse zieht, dürfe kein Zufall sein. Die Verantwortlichen waren von der Initiative der Preisträger informiert worden. Zum einen ging das Schreiben am Dienstag auch an den Landesdirektor des ORF Burgenland, Werner Herics, der in der Jury des Gatterer Preises sitzt.
Zum anderen sitzt mit der ehemaligen Journalistin Margaretha Kopeinig eine Gatterer-Preisträgerin (2008) als offizielle Europa-Beauftragtes im Team des Burgenländischen Landeshauptmannes Hans Peter Doskozil. Kopening war wie alle Preisträger von der Aktion vorab informiert worden.
Demnach dürfte das Land und die Esterhazy Betriebe damit die Flucht nach vorne angetreten haben. Bevor der Appell der Preisträger den Druck noch einmal erhöht.
 

Entlarvende Nachbesserung

 
Auch Fred Turnheim und der Vorstand des ÖJC sind seit vergangener Woche über die gemeinsame Aktion der Preisträger und Preisträgerinnen informiert. Mehrere Unterzeichner haben beim ÖJC-Präsidenten nachgefragt, um seine Sicht der Dinge zu erfahren.
Dabei wurde auch transparent die Forderung erhoben, der ÖJC möge den Markenschutz aufheben und den Preis in neue, unabhängige Hände legen.
Fred Turnheim reagierte auf seine Weise. Am vergangenen Freitag reichte er über seinen Anwalt Albrecht Haller beim österreichischen Patentamt einen neuen Antrag ein. Damit soll  auch die Marke „Prof. Claus Gatterer-Preis“ ohne den Zusatz „verliehen vom Österreichischen Journalisten Club“ geschützt werden. Man will damit ein mögliches Schlupfloch schließen.
Spätestens diese Aktion dürfte aber eines mehr als deutlich machen: Hier geht es nicht um das journalistische Erbe von Claus Gatterer, sondern um das Geschäftsmodell des Fred Turnheim.

Der Autor dieser Zeilen ist 2005 mit dem Claus Gatterer Preis ausgezeichnet worden und war bis 2013 Jurymitglied. Er gehört auch zu den 28 Unterzeichnern der gemeinsamen Erklärung.
 
Bild
Profile picture for user Heinrich Zanon
Heinrich Zanon Gio, 09/26/2019 - 08:54

Es wäre wohl nur anständig und auch überzeugend, wenn der ÖJC und Fred Turnheim nach den entstandenen Turbulenzen ohne unnötiges weiteres Hickhack - besonders nach den vielen Jahren, in denen die Vergabe des Prof.-Claus-Gatterer-Preises offensichtlich zu guten Ergebnissen geführt hat und der ÖJC das Sagen hatte - sich einfach nobel zurückziehen und auf die weitere Nutzung der Marke verzichten würden.

Gio, 09/26/2019 - 08:54 Collegamento permanente