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ALKOHOL - Der globale Rausch

Der Südtiroler Filmemacher Andreas Pichler hat einen Drogenfilm gedreht. Eine Dokumentation, die uns alle betrifft.
Alkohol
Foto: Eikon Media

Nehmen Sie Drogen?

Natürlich tun Sie das. Zumindest eine Droge konsumieren sie vermutlich regelmäßig. Sie trinken Tee, Sie trinken Kaffee, sie trinken das gute Glas Rotwein oder das Feierabendbier. Was, das sind keine Drogen? Weil sie legal sind, akzeptiert und „kulturell gewachsen“? Regisseur Andreas Pichler weiß um diesen Irrtum und spricht ihn gleich zu Beginn seines neuen Dokumentarfilms „Alkohol – Der globale Rausch“ an. Alkohol war und ist schon immer eine Droge. Bloß spricht kaum jemand als solche darüber. Lediglich einige Wissenschaftler und Ärzte verzichten auf den Unterschied zwischen legalen und illegalen Substanzen. Der Alkohol, und dabei ist egal, in welcher Form, ist allgegenwärtig. Er begegnet uns im Alltag, als Genussmittel, einer Rolle, die er immer seltener einzunehmen weiß, als Mittel zur Sozialisation und möglichweise irgendwann als bester Feind. Die Gesellschaft hat ein Alkoholproblem und gibt sich große Mühe, diesen Umstand zu ignorieren. Wie Pichler richtig erkennt, bekommen wir dabei kräftige Unterstützung von unseren Regierungen. Wie sehr wird in Anti-Drogenkampagnen investiert, wie viel Geld in Präventionsarbeit gesteckt und Suchttherapien für die Opfer der sogenannten „illegalen“ Drogen gepumpt. Gleichzeitig hat man jedoch keine Skrupel, riesige Beträge in die Alkoholindustrie zu stecken und auf deren Lobbyarbeit einzugehen. In seiner Doku lässt Andreas Pichler verschiedenste Persönlichkeiten zu Wort kommen. Etwa den Südtiroler Journalisten und Buchautoren Lorenz Gallemetzer, der tiefe Einblicke in seinen persönlichen Kampf gegen die Alkoholsucht gibt. Er warnt vor dem Strudel, in den man nur so leicht geraten kann. Auch die Wissenschaftler und Psychologen unter den Befragten legen die Absurdität der aktuellen Lage dar. Alkohol ist Volksdroge Nummer 1. Beim größten Drogenfest der Welt, dem Oktoberfest findet der Fetischismus um den ach so begehrten Rausch zu seinem Höhepunkt. Man trinkt und man weiß, was geschehen wird. Dennoch, oder gerade deshalb tut man es weiterhin. Pichler reist viel umher und zeigt die Lage in verschiedenen Ländern auf. In England hat man dieselben Probleme wie in Deutschland, an andere Orten wie etwa in Nigeria wartet die Industrie mit sehr agressiven, aus dem Ruder laufenden Handelsmethoden auf. Kontrolle gibt es dort kaum, und die wäre bitter nötig. Auch in unseren Breitengraden beginnt der exzessive Alkoholkonsum nicht erst mit im Erwachsenenalter. Schon viel früher greifen Jugendliche zur Flasche. Weil es ihnen vorgelebt wird, weil ihnen nicht bewusst ist, welche Kraft und Gefahr der Droge innewohnt, und weil das Bier und der Wein nie als solche bezeichnet wurden.

Alkohol - Der globale Rausch I Offizieller Kinotrailer

Doch die Welt ist nicht überall schlecht und düster. In Island etwa, einem Land, von dem man möglicherweise erwartet, dass es dem Alkohol frönt, zeichnet sich ein positives Bild ab. Hier ging der Konsum stark zurück, was nicht durch ein plötzliches Wunder geschah, sondern lediglich durch die Bestrebungen der Regierung, ein gesünderes Volk heranzuziehen. Nun gut, vielleicht sollte man doch von einem Wunder sprechen, denn immerhin gehört Island zu den wenigen Ausnahmen, in denen der Staat im Sinne der Vernunft und der Gesundheit handelt. An den meisten anderen Orten erfüllt er seine Rolle als geldgieriges Wesen wunderbar.

Die Dokumentation zeigt die Ausmaße der Sucht auf, ohne jene, die darin feststecken, zu verurteilen oder zu diffarmieren. Es muss an einer gemeinsamen Lösung gearbeitet werden, durch Aufklärung, Veränderung der Gesetzmäßigkeiten und Bewusstsein. Verbote sind dabei wenig förderlich.

Andreas Pichler deckt in nur 90 Minuten viele Bereiche ab und verbindet verschiedene Themenkomplexe elegant miteinander. Lediglich seine Herkunft Südtirol wird etwas ausgeblendet. Sicher auch aus dem Grund, da man möglichst global dokumentieren möchte, doch gerade in Südtirol ist das Alkoholproblem ein besonders großes. Kaum wo gibt es eine solch große Anzahl an Festen, Feiern und Rauschorgien, bei denen die Droge in rauen Mengen fließt.

Insgesamt bleibt zu sagen, dass die Dokumentation nichts beschönigt. Das ist auch gut so. In der ganzen Diskussion rund um die Droge Alkohol bleibt wie immer der fade Beigeschmack der Doppelmoral, der Verlogenheit einer Gesellschaft, die säuft und kippt, doch mit zweierlei Maß misst. Viele der „illegalen“ Drogen sind weitaus harmloser als Alkohol. Allein im letzten Jahr sind rund 3 Millionen Menschen weltweit an Alkohol gestorben. Das sind mehr als bei Unfällen, durch Gewalt oder Aids. Und auch mehr als an allen anderen Drogen. Gerade letzteres ist hochinteressant, wird vom Film aber fast völlig ausgeklammert.

Substanzen, die weitaus harmloser sind, etwa Marihuana, Ecstasy/MDMA oder LSD werden verteufelt und ihre Konsumenten im schlimmsten Fall strafrechtlich verfolgt. Das ist ein Dilemma. Vielleicht sollten die Verantwortlichen einfach mehr von den erwähnten Drogen konsumieren um den Unterschied und das Gefahrenpotenzial der „kulturell gewachsenen“ Volksdroge Alkohol zu begreifen. Bis es soweit ist, bleibt nur zu sagen: Südtirol ist ein Drogensumpf.

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Elisabeth Garber Dom, 11/17/2019 - 13:13

Die Droge Alkohol wird total unterschätzt, da bin ich mir sicher. An der Kasse von Supermärkten sieht man öfters Flaschen billigsten Superalkohol. Die Käuferinnen sind junge Mädchen wie Buben gleichermaßen. Selten bis nie wird der Ausweis velangt. Die Diskotheken haben längst erkannt wie man das Geschäft mit den Maturanten macht - Donnerstags-Feten. Natürlich gehen nicht alle hin - aber der Großteil. Es kann einem dann passieren, dass wegen der Ausdünstung der Klassenraum nach 'Bier' riecht. Man kann argumentieren, dass die Menschen volljährig sind - aber in dem Alter (ich weiß von was ich rede) spielt das Revoltieren und die 'Coolness' eine große Rolle - man revoltiert wo und wann es geht. Aber ein Disco-Besucht bereits am Donnerstag war da keinesfalls drin. Mich persönlich stört die rücksichtslose Geschäftemacherei der Nachtlokale am meisten.

Dom, 11/17/2019 - 13:13 Collegamento permanente
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gorgias Dom, 11/17/2019 - 17:42

Mich nervt es immer wenn von "Alkohol und Drogen" gesprochen wird. Ich kenne auch niemand der von Bernadiner und Hunde spricht. Oder von Adler und Vögel.

Alkohol ist eine Droge. Also bitte in Zukunft nur noch von Drogen zu sprechen. Evtl. kann man auch vorher anmerken, dass wenn man von Drogen spricht Alkohol immer mitgemeint ist.

Dom, 11/17/2019 - 17:42 Collegamento permanente
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gorgias Dom, 11/17/2019 - 17:56

Eine guter Dokumentation die sich über den Alkoholkonsum beschäftigt ist Risky drinking. https://www.youtube.com/watch?v=_1gQ4iM6N4M Die ich allen herzlich empfehlen kann.
Diese konzentriert sich hauptsächlich mit dem sorglosen Trinkverhalten vor allem junger Konsumenten in der westlichen Welt.

Was ich vom Trailer erfahren konnte setzt sich der Film von Andreas Pichler mit dem ganzen System auseinader und was dahintersteckt. Dies gibt ihn eine zusätzliche Dimension und macht ihn politisch interessant.

Dom, 11/17/2019 - 17:56 Collegamento permanente
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Peter Gasser Dom, 11/17/2019 - 19:57

„Allein im letzten Jahr sind rund 3 Millionen Menschen weltweit an Alkohol gestorben“.
Allein in Deutschland leben etwa 800.000 durch FAS beeinträchtigte Menschen.

Zudem: Kostenpunkt: viele Milliarden.

Dom, 11/17/2019 - 19:57 Collegamento permanente
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Sepp.Bacher Dom, 11/17/2019 - 21:44

Herr Lechner, ich glaube es gibt mehrere Gründe, warum man sich "betäuben" will". Wobei ich den Begriff betäuben nicht sehr treffend finde.
Bei der großen Masse hat der Alkohol die Funktion lockerer, entspannter, usw. zu werden. Man braucht nur bei den verscheiden Festen zu schauen: fröhlich sein, lachen, schunkeln, vom ins Gespräch kommen bis hin zum sich auch körperlich näher kommen. Alles das wäre für sehr viele - sagen wir von den Alpen aufwärts - sonst nicht so leicht. Vor Jahrzehnten war ich in Sirolo am Conero (südlich von Ancona) auf Urlaub. Es war Ballo del Liscio in Piazza angesagt. Der Platz voller tanzender und zusehender Menschen, aber nirgends eine Trinkbude. Wenn man etwas trinken wollte musste man sich schon eine Bar suchen. So etwas konnte/könnte man sich bei uns nicht vorstellen: Feiern ohne Eintritt, ohne Konsumation, usw.? Aus dem selben Grund werden neben Alkohol auch noch weitere Drogen von den Jungen konsumiert. Und weil es so schön ist, wissen sie nicht mehr wo die Grenze ist!
Anders ist es sicher, wenn man nur mehr trinkt um sich zu betäuben! Das wollen die Jungen - und nicht nur die - aber nicht, sie wollen etwas nicht Alltägliches erleben.

Dom, 11/17/2019 - 21:44 Collegamento permanente
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Elisabeth Garber Lun, 11/18/2019 - 09:24

In risposta a di Sepp.Bacher

Da kann man schon zustimmen (Bacher und Lechner) - das mit dem Alkohol ist offensichtlich auch eine Mentalitätssache. Das Betäuben hat immer seine Gründe. Als Jugendlicher sieht man weniger Gefahren - hat pure Abenteuerlust. Die Sorglosigkeit kommt nie wieder.
Was mir total fremd ist, sind solche makabren Auswüchse wie Urlaub auf Ibiza, Mallorca, das Oktoberfest und noch eigene Massenveranstaltungen für Jugendliche, wo es primär um Musik und vor allem um massiven Alkoholkonsum geht: tagelang.

Lun, 11/18/2019 - 09:24 Collegamento permanente
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Weiser Mann Mar, 11/19/2019 - 23:33

Heute bin ich auf etwas gestoßen, Sie werden sich wundern, was das mit diesem Thema zu tun hat!
In der BAZ (Zeitung f. d. Bruggrafenamt) stieß ich auf eine Anzeige der Fachschule Laimburg. Und was entdecke ich? Fachschule für Lebensmitteltechnik(er/in). Was Neues, was wird das sein? Ich google und erfahre: "Dein vielseitiger Beruf; Du hast handwerkliches und technisches Geschick, dich interessieren Lebensmittel und neue Technologien? Du arbeitest gern selbstständig und bist teamfähig? Außerdem bist du neugierig und hast Lust, immer wieder Neues dazuzulernen?" Ok, aber was macht man in diesem Beruf? "Die praxisorientierte Ausbildung zum/zur Lebensmitteltechniker/-in dauert vier Jahre. In den ersten beiden Jahren erhältst du die fachliche Grundausbildung und lernst bereits verschiedene Betriebe kennen. In der dritten und vierten Klasse spezialisierst du dich in deiner Fachrichtung." Welche sind das? Ich sollte es so schnell nicht erfahren! "Damit du den perfekten Einblick in deine zukünftige Arbeitswelt bekommst, wirst du während deiner Ausbildungszeit mehrere Monate in verschiedene Lebensmittelverarbeitungsbetriebe hineinschnuppern." Schon gut, aber welche Betriebe bzw. welche Lebensmittel? Dr. Schärs glutenfreie, Speck, Würste, Molkereiprodukte, Schlutzkrapfen, Schüttelbrot, Apfelsaft, Marmeladen, oder welche Lebensmittel exportiert Südtirol noch? Ich lese weiter: "Abschluss: Nach vier Jahren wartet auf dich das Berufsbildungsdiplom und damit der Einstieg ins Berufsleben." Nun weiß ich immer noch nicht, wofür ich mich qualifiziert habe! Die Grafik gibt mir Aufschluss wofür die beiden Fachrichtungen stehen: (bitte niedersitzen!) kurz gesagt: Eine für Wein und Schnaps. Man hat es sich fast nicht getraut zu schreiben, für was sie da 14- bzw. 16-jährige ausbilden wollen! Verständlich! Ja ist das überhaupt legal? Minderjährige für "Weinbereitung, Herstellung alkoholischer Getränke" schon ganz praktisch auszubilden?
Aber andererseits ist es typisch, wie man in Südtirol immer mehr versucht das negative sprachlich zu verstecken, zu beschönigen, usw.. Man löst die Probleme durch sprachliche Korrekturen (alla Kompatscher?!). Initiativen gegen Alkohol und gleichzeitig Zunahme von Veranstaltungen und Werbung für Wein bzw. alkoholische Getränke! Aber hochwertige - ist in Südtirol ja logisch! Die armen Bauern müssen ja auch leben?!

Mar, 11/19/2019 - 23:33 Collegamento permanente