Società | Kommentar

Tag der Schande

Andrea Bonazza sieht sich als Opfer einer “offensichtlich ideologischen Kampagne”. Er ist kein Opfer, sondern verdreht bewusst die Realität.
"Tag der Ehre" 2020
Foto: Vk

Wir haben damit gerechnet. Und am Mittwoch Abend war es dann so weit: Innerhalb kürzester Zeit müllen CasaPound nahestehende Personen die sozialen Medien mit einem von Andrea Bonazza unterzeichneten Kommentar zu. Dieser landet auch unter den Facebook-Posts mit den salto-Artikeln, die von Bonazzas Teilnahme am heurigen “Tag der Ehre” in Budapest handeln. Dort gedenken Neonazis und Rechtsextreme Jahr für Jahr gefallenen SS-Soldaten und ihren ungarischen Kollaborateuren.

Bonazza, der seit 2016 für CasaPound im Bozner Gemeinderat sitzt, schreibt:

“Apprendo dalla stampa le colossali cavolate contro di me riportate su un giornaletto di sinistra, lautamente finanziato con soldi pubblici e ripescate a casaccio da centrosinistra e SVP per una campagna elettorale iniziata nel peggiore dei modi.
A prescindere da quanto riportato dai miei oppositori politici, sabato scorso ero in Ungheria, davanti al monumento dedicato ai caduti austroungarici della Prima Guerra Mondiale, per commemorare migliaia di giovani ungheresi caduti nel disperato tentativo di difendere Budapest dall'invasione dell'Armata Rossa. (…)”

Weiter braucht man nicht lesen. Denn bereits in diesen ersten Zeilen tritt die Geschichtsverdrehung der selbsterklärten “Faschisten des 3. Jahrtausends” zutage. Unverzüglich eilt das Onlineportal “La Voce di Bolzano” zu Hilfe. In einem Artikel mit dem Titel “Sinistre e stampa contro Bonazza” wird in übelster Weise über die “articoletti” von salto.bz hergefahren. Dabei macht der Autor – oder die Autorin, denn unterzeichnet ist besagter Artikel nicht – nicht davor Halt, Landeshauptmann Arno Kompatscher höchstpersönlich zu bezichtigen, Teil einer “offensichtlich ideologischen Kampagne” gegen Bonazza zu sein. Der Landeshauptmann hat in einem Interview mit salto.bz die Teilnahme von Bonazza am “Tag der Ehre” scharf verurteilt.

Es ist ein infames Spiel, das Bonazza spielt. Die unwahre Behauptung, dass salto “reichlich mit öffentlichen Geldern finanziert” wird, ist dabei noch harmlos. Brandgefährlich ist hingegen die Verharmlosung seiner Teilnahme am Neonazi-Aufmarsch. Die “Gedenkfeier” mag unter einem Denkmal stattgefunden haben, das in Erinnerung an den Ersten Weltkrieg errichtet wurde. Einer “Invasion der Roten Armee” sind damals aber keine “tausende junge Ungarn” zum Opfer gefallen, denen Bonazza gedenken könnte. Das als Rote Armee bezeichnete russische Heer wurde erst nach dem Ersten Weltkrieg unter diesem Namen gegründet. Es waren SS-Soldaten und ungarische Faschisten, die sich im Februar 1945 den vorrückenden Truppen der Roten Armee in einem aussichtslosen Massaker entgegenstellten. Für diese Gefallenen werden Jahr für Jahr in Budapest Kränze niedergelegt, nationalsozialistische Parolen geschwungen und in SS-Uniformen aufmarschiert.

Der Bozner Gemeinderat Andrea Bonazza war bei einer Gedenkfeier für gefallene SS-Soldaten dabei. Er hat mit Gesinnungsgenossen, die das Hakenkreuz auf der Glatze eintätowiert und Nazi-Embleme an der Kleidung tragen, den Tätern des Holocaust gedacht. Leugnen ist zwecklos, aber seinem Ziel dienlich, sich als Opfer seiner “politischen Gegner” darzustellen. Andrea Bonazza ist kein Opfer einer ominösen Kampagne von “Linken” und einem “giornaletto”. Er ist Opfer seiner schändlichen Ideologie, die Geschichte verdreht, faschistischen Diktatoren huldigt und Menschen aufgrund von Herkunft, Religion, Hautfarbe verachtet. Das aufzuzeigen, zu verurteilen und für demokratische Werte einzustehen, ist der Auftrag einer liberalen Gesellschaft und unabhängiger Journalisten. Umso vehementer, wenn diese Werte so unmittelbar bedroht werden.

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△rtim post Sab, 02/15/2020 - 13:38

Das passt zur Ansicht das verbrecherische, faschistische Italien (1922-1945) als unschuldiges Opfer darzustellen. Italien hat sich anders als Deutschland, wo es einen Nürnberger Prozess ... gab, nie mit seiner dunklen Vergangenheit auseineindergesetzt. Bis heute. Mehr noch: Seit 2004 gibt es in Italien gar eine ganz offizielle Instrumentalisierung des Gedenktages des faschistisch geprägten Begriffes "Foibe", mit dem manche die italienische Schuld zu relativieren und eine Opfermentalität zu zelebrieren versuchen. Das Absurde ist dabei, dass das Bedauern über diese Opfer am Ende eines Krieges nun auch noch von Neo-Faschisten zu ihrem Zwecke genutzt wird.
Der Casapound-Mann ist hier ganz kohärent, während Bozner Grüne, PD ... hingegen nur den nationalitalienischen Geschichtsrevisionismus teilen. (https://bolzanobozen.wordpress.com/2020/02/10/giorno-del-ricordo-2020/)
Vielleicht sollte man in Italien, aber auch in Ungarn ... mal als Beispiel die (diesjährige) Rede des Bundespräsidenten Steinmairs anlässlich der Zerstörung Dresdens nehmen: https://www.dnn.de/Nachrichten/Politik/Bundespraesident-Steinmeiers-Gede...
Eine Gedenkrede ganz ohne Geschichtsrevisionismus.

Sab, 02/15/2020 - 13:38 Collegamento permanente
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Veronika P. Mar, 02/18/2020 - 13:58

Einen Tag vor diesem schändlichen "Marsch der Ehre" haben wir als Gruppe mit LH Kompatscher das KZ-Lager Auschwitz-Birkenau besichtigt und dann das alles zu lesen....einfach unfassbar. Solche Individuen wie Bonazza dürfen in einer Demokratie nicht das Amt eines Gemeinderates bekleiden....ein jeder, der einen Bonazza gewählt hat sollte sich schämen!

Mar, 02/18/2020 - 13:58 Collegamento permanente