Economia | Abfederung

Teuer und doch billiger

Die Corona-Krise muss nicht zwangsläufig zur wirtschaftlichen Katastrophe werden, meint AFI-Direktor Perini. Er zeigt auf, wie das gelingen könnte.
Rezession
Foto: Pixabay

“Die Schließung auf unbestimmte Zeit könnte für viele Unternehmen bedeuten, nicht mehr zu öffnen.” Die Warnung des Unternehmerverbandes ist besorgniserregend. Seit 12. März sind aufgrund der Corona-Krise italienweit Gastronomie- und Handeslbetriebe geschlossen (allein in Südtirol sind es 7.000). Dazu kommt der Produktionsstopp für alle Betriebe, die für die Grundversorgnung nicht unbedingt notwendig sind. Ausnahmen gibt es auch für Unternehmen, die Lieferketten zu geöffneten Betrieben garantieren und für die Bevölkerung notwendige Dienste aufrechterhalten sowie wesentliche Dienstleistungen erfüllen. Wer ab morgen (26. März) die Produktionstätigkeit trotz der angeordneten Schließung weiterführen muss, muss sich beim Regierungskommissariat melden (alle Infos hier).
Auch unzählige Dienstleister und Freiberufler sind vom Shutdown betroffen, den die Regierung angeordnet hat, um die Ausbreitung des Coronavirus in den Griff zu bekommen. Noch ist das Gesundheitsrisiko nicht gebannt. Dennoch werden bereits Prognosen zu den wirtschaftlichen Folgen gemacht.

 

Rezession ja, aber wie stark?

 

Die Europäische Kommission stellt die aktuelle Corona-Krise auf das Niveau der Finanzkrise von 2008. Damals brach die Wirtschaft im EU-Raum real um 4,3% ein. Weitaus pessimistischer ist die Prognose des Finanzinstituts Goldman Sachs, das mit einem negativen Wirtschaftswachstum von -9% für Europa und -11% für Italien rechnet, das mit Frankreich und Deutschland am heftigsten von der Krise getroffen werde. Ähnlich sieht es das Forschungsinstitut Ref Ricerche: Um bis zu 8% könnte das BIP in Italien im ersten Halbjahr 2020 fallen. Wesentlich zuversichtlicher für die italienische Wirtschaft sind die Prognosen der Ratingagentur Fitch (-2%) und des Internationalen Währungsfonds (-0,6% – diese Berechnung geht allerdings auf den 11. März zurück).

“Zentrale Faktoren, um die Folgen der Krise zu bestimmen, sind die Branchenausdehnung und die Zeit”, erklärt der Direktor des Arbeitsförderungsinstituts AFI, Stefan Perini. Je länger das Gesundheitsrisiko und damit die Einschränkungen andauern, desto gravierender ist der potentielle Schaden für die Wirtschaft. Perini erläutert die verschiedenen Szenarien:

  • Beim düsteren L-Szenario bricht die Wirtschaft stark ein und erholt sich lange nicht.
  • Beim W-Szenario stehen ein oder zwei Jahre mit Hochs und Tiefs bevor.
  • Beim U-Szenario fällt die Wirtschaft auf ein niedrigeres Niveau, um nach einigen Monaten wieder die Kurve nach oben zu schaffen.
  • Beim zuversichtlichen V-Szenario folgt auf den kurzen und tiefen Schock eine relativ rasche Erholung der Konjunktur.

 

Jetzt abfedern, um später aufzuholen

 

Für Perini steht fest: “Es muss nicht zwangsläufig zur Katastrophe kommen. Wirken die Maßnahmen zum Schutz der Gesundheit und zur Abfederung der wirtschaftlichen Schäden, könnte das Schlimmste schon in einigen Wochen überstanden sein. Im günstigsten Fall könnte sogar ein V-Szenario eintreten.” Denn Konsumausgaben fänden zeitlich verschoben statt, Urlaubspläne würden nachgeholt – vielleicht verstärkt mit Ziel Italien aufgrund von Ausreisebeschränkungen. “In der zweiten Jahreshälfte lässt sich somit doch einiges aufholen”, zeigt sich der AFI-Direktor zuversichtlich.

Allerdings sei die Voraussetzung, um die wirtschaftlichen Folgen möglichst gering zu halten, dass die Politik jetzt die richtigen Maßnahmen setze. “Vorrangig ist es, die Liquidität der Betriebe und die Erwerbsverhältnisse zu sichern, um Schließungen und Entlassungen zu vermeiden.” Perini fordert einen branchenübergreifenden Lohnausgleich für Arbeitnehmer für einen Zeitraum von drei Monaten, damit Betriebe ihre Angestellten halten können. “Das kann teuer werden, aber die Sicherung der Jobs einige Monate lang kostet weniger als eine Massenarbeitslosigkeit über Jahre.”

Die öffentliche Hand sieht man beim AFI auf dem richtigen Weg. “Aber das Land Südtirol wird Mittel über das staatliche Krisenpaket der italienischen Regierung hinaus in die Hand nehmen müssen”, meint Präsident Dieter Mayr. “Wir brauchen eine echte sozialpartnerschaftliche Konzertierung, um abzufedern, was nur geht, und dass auch die Schwächsten möglichst alle erreicht werden. Es heißt Schäden minimieren, um dann später wieder durchstarten zu können. In der momentanen Notsituation aber hat die Gesundheit absoluten Vorrang.”

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Karl Trojer Sab, 03/28/2020 - 09:59

Wenn wir im V-Stil unverändert wieder "durchstarten", dann haben wir nichts aus dieser universellen Krise gelernt, dann fahren wir mit dem "immer mehr und immer schneller" unsere wunderbare Erde gegen die Wand ! Wir brauchen dringend:
- eine Abwende vom Neokapitalismus und dessen Ersatz durch ein zukunftsfähiges, menschen-und umwektgerechtes Wirtschaftssystem;
- strenge EU-weite gesetzliche Maßnahmen gegen das von mächtigen Finanzkreisen betrieben Spielcasino der uneingeschränkten Spekulation zur schonungslosen Gewinnmaximierung und kürzester Zeit;
- wir brauchen ein bedarfsgerechteres Konsumverhalten, einen Abschied vom Wegwerf-Rausch, eine umfassende Wiederverwertungs-Pflicht der Werkstoffe;
- Bedingungen, die allen Menschen ausreichend Wohnraum, Nahrung und Krankenschutz garantieren.
Dies ist möglich, wenn wir´s überzeugt wollen und zu Vielen einfordern.

Sab, 03/28/2020 - 09:59 Collegamento permanente