Ambiente | Gastbeitrag

Kaunertal und Corona

Über das richtungsweisende Signal der Landesregierung und das Umdenken, das es nach Corona braucht.
Rendering Kaunertal-Langtaufers
Foto: Oberländer Gletscherbahn AG
Am Mittwoch hat die Landesregierung das sehr umstrittene Vorhaben einer „skitechnischen Verbindung des Langtauferertales mit der Zone Kaunertal“ endgültig abgelehnt.
Dies ist wohl eine Sternstunde für den Schutz der Alpen im weiteren Sinne und, enger gefasst, für den Landschaft- und Naturschutz in Südtirol! So sehen es jene, die dieses Projekt von vornherein abgelehnt und jahrelang dagegen gekämpft haben.
Seit Jahren schon ist das entsprechende Projekt Gegenstand von Gutachten, Gegengutachten, Beschlüssen dafür und Beschlüssen dagegen; im oberen Vinschgau haben sich zwischen Befürwortern und Gegnern zwei feindliche Lager gebildet.
Die Befürworter erwarteten sich durch den geplanten Zusammenschluss einen bedeutenden, „konsistenten“ wirtschaftlichen Aufschwung für das Langtauferertal. Während die Gegner darin vielmehr eine nachhaltige Zerstörung des touristisch noch nicht überentwickelten Tales sahen, das sich vielmehr für eine Zone des „sanften“ Tourismus, im Einklang mit Natur und Mensch, außerordentlich gut anbietet.  
Die Landesregierung hat mit ihrer Entscheidung nun ein klares, leuchtendes Signal in diese Richtung gesendet, wofür ihr anerkennendes Lob auszusprechen ist.
Die Landesregierung hat mit ihrer Entscheidung nun ein klares, leuchtendes Signal in diese Richtung gesendet, wofür ihr anerkennendes Lob auszusprechen ist.
Ist es ein Zufall, dass diese wichtige, richtungsweisende Entscheidung jetzt, in Zeiten von Corona, gefallen ist?
 
 
Corona hat von einem Tag auf den anderen dem marktradikalen Dogma unseres Wirtschaftssystems, das die gesamte Welt in festem Griff hielt, ein plötzliches Ende gesetzt, jedenfalls für eine Vollbremsung gesorgt.
Die negativen Auswirkungen dieses nur auf Kapital und Gewinn ausgerichteten Wirtschaftens haben sich in den letzten Jahren mit aller Deutlichkeit gezeigt: die Klimaveränderung kann keiner mehr leugnen, in der Folge kam es vermehrt zu Naturkatastrophen, und soziale Ungleichheiten nahmen weltweit zu. Reiche wurden immer reicher, die Armen immer ärmer. Massen haben sich in Bewegung gesetzt, um am Reichtum teilhaben zu können. Warnende Stimmen und laute Proteste blieben ungehört. Greta Thunberg vielfach belächelt und durch den Kakao gezogen.
Corona hat uns eines Besseren belehrt. Plötzlich steht die Wirtschaft still, Konsumieren ist nicht mehr erlaubt, Reisen auch nicht, weder per Flugzeug noch mit dem Auto, an den Grenzen sind die Schlagbäume herabgelassen. Das Virus könnte sich noch mehr verbreiten …. dem will (und muss) die Politik mit harten, folgenschweren Maßnahmen Einhalt gebieten. Diese rasante Verbreitung des Virus steht zweifelsohne in Zusammenhang mit der überhitzten Konjunktur. Frühere Pandemien wie Pest und Cholera brauchten Jahrhunderte, um von Asien nach Europa zu gelangen; heute zwei Monate! Die Touristenhochburg Ischgl scheint dem Virus auch ein wohliges Nest geboten zu haben!
 
 
Das Immer-Schneller und Immer-Mehr hat sich als Bumerang erwiesen. Die (Tourismus)Wirtschaft steht im Augenblick still und wird wieder in Bewegung gebracht werden - müssen. Wir leben ja davon! Aber, soll es im gewohnten Rhythmus und Tempo weitergehen? Dürfen unsere Ressourcen, vor allem die Natur, weiterhin so ausgereizt werden?
Die (Tourismus)Wirtschaft steht im Augenblick still und wird wieder in Bewegung gebracht werden - müssen. Wir leben ja davon! Aber, soll es im gewohnten Rhythmus und Tempo weitergehen?
Die Landesregierung hat mit der Ablehnung der Skiverbindung Langtaufers-Kaunertal eine weitere skitechnische Neuerschließung von Großinvestoren verhindert, und damit die Entwicklung in eine neue Richtung gelenkt. Nicht Skikarusell mit hunderten von Betten und riesigen Parkplätzen, sondern die Weichen dafür gestellt, dass ein Tal wie Langtaufers, noch unverbaut und landschaftlich weitgehend unberührt, den Weg einer sozialverträglichen und ökologischen Entwicklung weitergehen kann.
Die Landesregierung legt ihrer Entscheidung ein sozio-ökonomisches Gutachten von Experten der Freien Universität Bozen zugrunde, wonach die Verwirklichung dieses Projektes keine eindeutig positiven Auswirkungen für das Tal und für die Region Obervinschgau gebracht hätte. 
Landesrätin Maria Hochgruber Kuenzer fügt hinzu, dass „gerade die aktuelle Situation zum Nachdenken anregt und aufzeigt, dass unberührte Natur eine wertvolle Ressource für zukünftige Entwicklung sein kann“. Damit ist alles gesagt.
 
 
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Albert Willeit Sab, 04/18/2020 - 14:37

Ein richtungsweisendes Signal der Landesregierung sehe ich bei dieser Ablehnung nicht. Sie konnte nämlich gar nicht anders als nein sagen, weil alles dagegen sprach und sogar ein Großteil der lokalen Bevölkerung sowie die Touristiker um die Ferienregion Reschenpass diese Verbindung ablehnten! Trotzdem hat die Landesregierung die Entscheidung immer wieder hinausgezögert, nachdem neben dem negativen Gutachten des Umweltbeirates auch das erste sozioökonomische Gutachten negativ war und das zweite nicht eindeutig positiv. Diese neue Form des sozioökonomischen Gutachtens wurde von der Politik dazu erfunden, um den negativen Umweltgutachten etwas entgegensetzen zu können. Somit wird der wirtschaftliche Aspekt über jenem der Umwelt gestellt. Was nicht passt, wird eben passend gemacht.
Deshalb ist hier vor allem der Bevölkerung und den Touristikern für ihre zukunftsweisende Haltung zu danken.

Sab, 04/18/2020 - 14:37 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Sab, 04/18/2020 - 17:08

Wenn ich Frau Landesrätin Kuenzer und auch Frau Landinser richtig verstehe, dann könnte corona den politischen Entscheidungsträgern zu etwas Hausverstand verholfen haben, der sich in Zukunft zwischendurch gegen das pragmatische Parteidenken durchsetzen könnte. Es wurde oft so getan, also ob dieses Projekt wirklich zum Abwägen war, Vorteile gegen Nachteile, Umwelt gegen Wirtschaft. War es nicht, in keinem Moment. Es war von Anfang an ein Missgeburt für Langtaufers, ein taktischer Schachzug der Kaunertaler, das schöne Langtauferertal, eines der wenigen Täler ohne Trasnsitverkehr, als Zubringerdienst für ihr Gletscherskigebiet zu missbrauchen. Auch dem herrlichen Melagerbecken einen riesen Parkplatz aufzuhalsen und den Dreck und Lärm eines täglichen Verkehrsaufkommens zu vererben. Wer hier auch nur einmal überlegt, ob das Sinn macht, der hat schon verloren. Der ist umweltmäßig nicht zu retten. Auch wirtschaftlich nicht, denn Langtaufers hat nicht die Bettenkapazität, die aus einer solchen Investition wirtschaftlichen und nachhaltigen Nutzen ziehen könnte. Also bleibt nur eines übrig, die Partei und ihre Strategie. Da spielt der große Vogel eine Rolle, wie der Hotelier vor Ort. Das Blickfeld Oberland kann es nicht gewesen sein, denn zu frisch sind die Investitionen in das Skigebiet Schöneben mit dem Zubringerdienst von St.Valentin her. Diese Investition wäre Ausgleich genug gewesen für viele Jahre. Nein, die Europaregion exerziert am Sonntag Zusammenarbeit im Kulturellen und am Montag forciert sie solchen Unsinn. Ich danke der Landesregierung nicht für diese Entscheidung. Die hätte nie anders ausfallen sollen und dürfen. Ich danke corona für dieses Aufkeimen von Hoffnung auf etwas mehr Hausverstand. Der ins Auge gefasste Neubau der Weißkugelhütte mit 7 Millionen Euro für eine Biwakschachtel, mehr kann es nicht werden auf dem geplanten Standort, wäre die nächste Gelegenheit, Hausverstand anzuwenden. Doch vielleicht geht es in Zukunft gar nicht mehr so sehr um den Hausverstand. Vielleicht zwingen die notwendigen Investitionen in die Sanität, auch in die kränkelnden Betriebe, zum Umkehrschub. Dann hört endlich das Umdieohrenschmeißen von Millionen für zweifelhafte Projekt ein Ende. In der Sanität werden die Drohungen, Abteilungen zu schließen, nun endlich ein Ende haben und das Aufstocken wird dem Land Hunderte von Millionen Euro kosten. Corona hat auch das geschafft. Corona sei Dank. Wer weiß, was corona noch alles in Bewegung bringt.

Sab, 04/18/2020 - 17:08 Collegamento permanente