Cultura | Salto Gespräch

Schlossherr für Kultur

Seit Jahren bemüht sich Meinhard Khuen um diverse Kulturinitiativen, Schloss Kallmünz, ein Stadtviertel und eine Ruine. Ein Gespräch über Ausfälle und Einfälle.
festenstein
Foto: Ruine Festenstein

salto.bz: Der Südtiroler Festivalsommer wird seit vielen Jahren mit dem Meraner Straßenfestival „Asfaltart“ eingeleitet. Nicht so im Jahr 2020…

Meinhard Khuen: In diesem Jahr hätten wir die 14. Auflage von Asfaltart durchgeführt, die wir dann aber leider absagen haben müssen, weil da einfach zu viele Leute zusammengekommen wären, die dann zu eng beieinander stehen würden…

 

Ein Ausweichtermin im Herbst wurde nie angedacht?

Die meisten Künstler haben eine Jahresplanung. Nun kurzfristig, mit neuen Terminen, das Festival noch einmal zu planen, da sagten wir uns: Nein das ist zu aufwendig. Das schaffen wir zeitlich nicht.
Hinzu kommt, dass wir immer noch nicht wissen, ob wir das Festival überhaupt machen könnten. Wir können zwar kleinere Veranstaltungen ausrichten – wie jetzt unser Lkw-Kallmünz-Projekt –, aber ein Straßenfestival, wo Leute Schulter an Schulter stehen, das ist wahrscheinlich im Herbst auch noch nicht möglich.

Somit steht nun ein mobiler Lkw für einen der aktuellen Situation angepassten Veranstaltungsreigen…

Wir haben gewisse Geldmittel die bereits für Asfaltart bestimmt waren umgeschichtet und für Künstlerinnen und Künstler freigemacht, die ihre Engagements für 2020 abgesagt bekommen haben. Wir dachten zunächst daran, auf unserem hauseigenen Asfaltart-Kleinlaster eine kleine Bühne zu installieren, um verschiedene Veranstaltungen anbieten zu können. Dann wurde uns mitgeteilt, dass ein derartiger Umbau und die Neunutzung unseres Lkw`s nicht zulässig wäre, worauf wir dann die Idee der mobilen Bühne fallen lassen mussten. Als fixes Bühnenbild bleibt der Lkw dennoch erhalten. Er steht auf dem adaptierten Veranstaltungsgelände, dem ehemaligen Parkplatz Kallmünz. Um den Kleinlaster herum haben wir 150 Stühle im Halbkreis positioniert, im richtigen Abstand, wie es die Maßnahmen vorschreiben. Der Lkw wird – je nach Abend – in das bühnenbildnerische Szenarium mit eingebunden.
Nachdem auch der seit mehreren Jahren durchgeführte Kabarettgarten im Schlossgarten von Kallmünz, sowie die Kabarett-Tage im Stadttheater abgesagt werden mussten, bieten wir in Kallmünz die Kultur-Lkw-Plattform als Alternative.

Ich lebe in schönen Räumen, habe einen schönen Garten und bin mitten in der Stadt.

Der immer wieder in den Medien präsente Parkplatz zum einen, die Corona-Beschränkungen für Kulturveranstaltungen zum anderen – hier haben zwei unterschiedlich gelagerte Tatsachen, Platz für eine neue Veranstaltungsreihe gemacht…

Normalerweise ist es natürlich nicht besonders klug, wenn ein bestehender Parkplatz, nicht im klassischen Sinn benutzt werden kann. Jetzt können wir ihn nutzen und er eignet sich für diese Variante besser als beispielsweise das Areal wo wir den Kabarettgarten normalerweise durchgeführt haben.

Wird es die erste und letzte Kulturveranstaltung auf dem Parkplatz bleiben?

Wahrscheinlich. In dieser Größenordnung auf jeden Fall.

Welchen Beitrag leistet der Kultur-Lkw?

Wir wollten was auf die Beine stellen, wo die Künstler eine fixe Gage bekommen. Und sollte der Abend gut besucht sein, kann eventuell noch was dazukommen.
Als wir die 20 vorgesehenen Termine ausgeschrieben haben, waren diese zu unserer Überraschung im Nu vergeben und nun haben wir über 50 an diesem Projekt beteiligte Künstler. Jetzt sind die Besucher an der Reihe, bei freiem Eintritt.
Es besteht auch die Möglichkeit einen finanziellen Beitrag zu leisten, um das Basishonorar der Künstler und Künstlerinnen aufzustocken.

Die Gedanken zu freiem Eintritt und freiwilliger Spende sind lobenswert, werden allerdings gerne mit dem Satz abgetan: Was nichts kostet, ist nichts wert…

Es gibt Menschen, die haben heute noch nicht einmal das Gehalt vom März bekommen, Leute in der Lohnausgleichskasse warten immer noch auf ihren Lohn. Wir verlangen deshalb nicht 15 oder 20 Euro, sondern laden alle ein, an unserem Kulturprogramm teilhaben zu können. Jene, die noch genug Geldreserven haben, können es nach der Veranstaltung in den vorgesehenen Geldtopf tun, jene, die gerade nicht das nötige Geld für Kulturveranstaltungen haben, sollen aber ebenso kommen. Wir wollen nicht nur den Künstlern helfen, sondern auch dem Publikum.

Gegenseitige Hilfe im Kulturbereich. Warum haben Sie sich der Kultur verschrieben?

Ich glaube da ist meine Wohnstätte schuld. Ich bin vor 25 Jahren in das Schloss Kallmünz gezogen und habe rasch das Potential dieses in Meran damals kaum bekannten Hauses erkannt. Hinzukommt dass meine Frau Schauspielerin ist, und ich somit immer volle  Unterstützung für die kulturellen Tätigkeiten am und im Schloss gehabt habe. Ich begann das Schloss für uns herzurichten, später entstanden auch Künstlerateliers – Franz Pichler etwa, arbeitet seit über 20 Jahren in der sogenannten Ansetz, einem Raum im Erdgeschoß.
Ich lebe in schönen Räumen, habe einen schönen Garten und bin mitten in der Stadt.

Wir versuchen Kultur zu machen, ohne jemanden anzupumpen.

Die Liebe für Kultur wurde Ihnen in die Wiege gelegt?

Früher war ich eigentlich nicht so sehr aktiv, sagen wir mal, Kunst machend oder organisierend – eher passiv genießend. Zum Organisator wurde ich Schritt für Schritt. Und jetzt bin ich da, wo ich gelandet bin.
Wir hatten – das muss ich noch kurz anführen – bereits 1989 die Idee, ein Kunst- und Umweltprojekt im Schloss durchzuführen. Aus diesem Grunde wurde damals auch der Kunstverein Kallmünz gegründet. Nachdem aus dem Projekt aber nichts wurde, haben wir den Verein stillgelegt und erst mit Asfaltart vor 14 Jahren reaktiviert.

Sie sind auch Präsident vom Meraner Stadtviertelkomitee „Steinach“. Geht es Ihnen im Viertel, wie in Ihrem Schloss, um die kulturelle Aufwertung historischer Substanz?

Der historische Hintergrund ist gegeben, denn im Steinachviertel ist Historie immer präsent. Natürlich ist es auch so, dass jeder Präsident versucht etwas voranzubringen. Diese Arbeit mache ich nun schon seit vielen Jahren. Es gibt noch viel zu tun.

Nicht so bescheiden, was steht demnächst an?

Der Graffiti-Künstler Kiddy Citny wird beispielsweise in den nächsten Wochen in unserem Viertel eine ganze Wand gestalten. Weitere  für den öffentlichen Raum konzipierten Projekte von Enrico Canino und Matthias Schönweger sind in Vorbereitung. Aber es gibt auch kaputte Zuwasserleitungen, um die es sich zu kümmern gilt. Gewisse Gelder fließen aus dem Flohmarkt in neue Projekte, die wir wiederum für das Viertel einsetzen.

Die alte Ruine Festenstein, oberhalb des Dorfes Andrian im  Etschtal, wurde durch Ihren Einsatz wieder begehbar gemacht. Auch bewohnbar?

Das Projekt zur Bewohnbarkeit besteht in meinem Kopf. Das ist ein Zukunftsprojekt. Die Ruine musste vor dem Verfall geschützt werden, nun kann man sie wieder besuchen, ohne dass einem ein Stein auf den Kopf fallen kann. Ab kommenden Freitag wird Festenstein – in Zusammenarbeit mit dem Toruismusverein Andrian am Nachmittag für vier Stunden geöffnet. Es werden ab nun auch regelmäßig Führungen angeboten.

 

Was hat sich im Arbeitsablauf seit den Anfängen Ihrer kulturellen Organisationstätigkeiten geändert?

Einfacher ist es nicht geworden. Es ist immer eine gewisse Herausforderung geblieben, etwa – denke ich an Asfaltart –, was man da alles bedenken und machen muss, beispielsweise einen Sicherheitsplan für die ganze Stadt. So etwas sollte bereits von Seiten einer Stadt vorliegen. Oder? Aber keiner von den öffentlichen Stellen will mehr Verantwortung übernehmen, was ich auch verstehe, aber für den Veranstalter ist das natürlich eine zusätzliche Belastung. Man muss das machen wollen.

Und woher kommt dieses Wollen?

Das hat man, oder man hat es nicht – aber es kann auch entstehen. Bei Asfaltart beispielsweise, sind wir 13 Leute und wir arbeiten und halten zusammen wie Pech und Schwefel. Jeder hat seine Aufgabe und es funktioniert. Asfaltart hat mittlerweile 30.000 Zuschauer an drei Tagen, das ist eine logistische wie finanzielle Herausforderung, bei der am Ende keiner etwas verdient.

Trotzdem ist die Veranstaltung ein Gewinn. Nach welchen Regeln funktioniert Ihre kleine Kultur-Ökonomie?

Kallmünz ist wie eine Firma, da müssen alle anderen mitspielen, denn sie sind genauso wichtig wie ich. Für alle Tätigkeitsbereiche gibt es ein Team. Wir versuchen Kultur zu machen, ohne jemanden anzupumpen.

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Renate.Holzeisen Dom, 07/05/2020 - 13:22

Schön, dass es dieses kulturelle Angebot in dieser Zeit der kulturellen Verwüstung gibt ... man nimmt es sehr gerne an und genießt. Mehr denn je, wird wohl sehr Vielen bewusst, wie unser Leben ohne die Kultur wäre ... armselig.

Dom, 07/05/2020 - 13:22 Collegamento permanente