Politica | US - Wahlen

Teflon Don

Für viele kann US- Präsident Trump bereits seine Koffer packen - doch dem ist nicht so. Von Maximilian Thaler und Fabian Gufler.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.
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Foto: Twitter White House

Trotz einer Welle von Skandalen in seiner Amtszeit, einer in den meisten Augen ungenügenden Antwort auf die Pandemie, die in einer eigenen Infektion samt Krankenhausaufenthalt mündete und einem scheinbar nicht mehr aufzuholenden Rückstand in den meisten Umfragen hat US-Präsident Donald Trump immer noch einen klaren Pfad zur Wiederwahl in knapp drei Wochen — warum es auch jetzt falsch wäre, den unkonventionellen Amtsinhaber abzuschreiben, von dem ohnehin alles Negative abzuprallen scheint.

Von Maximilian Thaler und Fabian Gufler

Dieser Wahlkampf ist alles andere als vorbei

“Biden leads nationally by 57 percentage points to 41 for the president” — diese Schlagzeile flimmerte letzte Woche über die Fernsehschirme vieler US-Amerikaner, wenn sie auf den Nachrichtensender CNN umgeschaltet haben (Quelle: https://edition.cnn.com/2020/10/06/politics/cnn-poll-biden-trump-2020-election/index.html). Ungläubig legten wir in einer Diskussion diese Umfrage schnell beiseite, käme ein solches Ergebnis doch einem Erdrutschsieg von Biden gleich, wie ihn im letzten Jahrhundert nur Franklin D. Roosevelt 1936, Dwight D. Eisenhower 1956, Lyndon B. Johnson 1964, Richard Nixon 1972 oder zuletzt Ronald Reagan 1984 erleben konnten. Heute, in politisch wie sozial dermaßen gespaltenen Vereinigten Staaten, kaum denkbar. Natürlich ist es naheliegend, dass Joe Biden für die im kommenden November anstehende Wahl favorisiert ist und Donald Trump nach einem mehr als herausfordernden Jahr, auf dessen Krisen er und seine Administration über weite Strecken alles andere als angebracht reagiert haben, politisch nicht gut dasteht. Viele Umfragen – wie eben jene von CNN, aber auch jene in den umkämpften Bundesstaaten, den sogenannten Swing States – bestätigen dies. Allerdings sagen diese oft nur die halbe Wahrheit, weil deren Verteilungen oft nicht die tatsächliche Wählerschaft widerspiegeln oder nicht alle WählerInnen erreichen und somit Gefahr laufen, daneben zu liegen. Präsidentin Hillary Rodham Clinton lässt herzlich grüßen. Mit den folgenden Zeilen möchten wir einige Faktoren aufzeigen, die darauf hindeuten, dass dieser Wahlkampf alles andere als vorbei ist und Trump sehr wohl noch eine zweite Amtszeit gewinnen kann. In anderen Worten wollen wir den Fehler von 2016 nicht wiederholen.

Die Sprache der Umfragen

Erstens Indiz, warum Biden nicht uneinholbar in Front liegt: Seine durchschnittlichen Umfragewerte in wichtigen Swing States — Florida, North Carolina, Michigan, Pennsylvania, Ohio, Iowa und Wisconsin, um nur einige zu nennen — sind im Gesamten schlechter als jene von Clinton im Oktober 2016. Weiters sprechen US-Umfragen heuer auffallenderweise meist zwei verschiedene Sprachen: sie zeigen zwar Biden in Führung, aber auf Fragen wie etwa jene, ob die Amerikaner denken, ob sie besser dastünden als vor vier Jahren, antworteten 56% der Befragten mit “Ja” — ein äußerst überraschender Wert, befinden wir uns doch inmitten einer Pandemie. Zum Vergleich: Barack Obama kam vor seiner Wiederwahl 2012 in derselben Umfrage auf 45%, George W. Bush 2004 auf 47% (Quelle: https://news.gallup.com/opinion/gallup/321650/gallup-election-2020-coverage.aspx). Beide wurden bekanntlich wiedergewählt.

Der schüchterne Trump- Wähler

Weiterhin wichtig zu bedenken: Eine deutliche Mehrheit der US-BürgerInnen hat mittlerweile Angst davor, offen über ihre politischen Meinungen zu sprechen. Bei Republikanern liegt dieser Wert gar bei 77% — aufgrund dieses sogenannten “social desirability bias” ist ein “shy Trump-vote”, ein schüchterner Trump-Wähler, welcher bereits 2016 ersichtlich wurde, nicht auszuschließen (Quelle: https://www.cato.org/publications/survey-reports/poll-62-americans-say-they-have-political-views-theyre-afraid-share). Auch deshalb müssen Umfragen mit Vorsicht genossen werden. Meistens hilft es, für eine genauere Evaluation des Status des Rennens um das Weiße Haus zu beobachten, in welchen Bundesstaaten die Kandidaten Wahlkampfevents abhalten und in welchen sie Geld für Wahlwerbung investieren. Hier wird ein zweites Indiz ersichtlich, warum Trump noch nicht abgeschrieben werden darf: Wenn Joe Biden in nationalen Umfragen zweistellig vorne liegen würde, wäre er in Staaten wie Texas, Georgia oder Indiana unterwegs, um jegliche Aufholbemühungen Trumps im Keim zu ersticken oder gar einen deutlicheren Wahlsieg herauszuarbeiten — stattdessen rührte er zuletzt in Pennsylvania, Ohio und gar Nevada (einen Bundesstaat, den Clinton 2016 gewinnen konnte) die Wahltrommel. Auch in Sachen Werbekäufe wird ersichtlich, dass das Rennen um das Weiße Haus enger aussieht als angenommen: Biden transferierte vor Kurzem eine siebenstellige Werbe-Reservierung von Texas nach Minnesota, ebenfalls ein von Clinton im Jahre 2016 gewonnener Bundesstaat. Trump hat mittlerweile alle seine Ressourcen aus Iowa und Ohio – im Glauben an seinen Sieg dort – nach Pennsylvania, Michigan, Wisconsin und Florida verlegt.

Registrierte GOP- Wähler

In den letzten Wochen wurde ein drittes Indiz für einen immer noch offenen Wahlkampf deutlich: Die Republikaner verringern in den Swing States historische Defizite im Registrieren von Wählern (Quelle: https://www.nbcnews.com/politics/2020-election/trump-s-winning-voter-registration-battle-against-biden-key-states-n1241674). Besonders ersichtlich wird dies in Pennsylvania und Florida: In Pennsylvania registrierten die Republikaner in den letzten vier Jahren rund 198,000 Wähler mehr als 2016, während diese Zahl bei den Demokraten im selben Zeitraum nur um 29,000 Stimmen zugenommen hat (Quelle: https://www.politico.com/news/2020/09/10/trump-gop-voter-registration-pennsylvania-411232). In Florida macht die GOP in den drei großen, überwältigend demokratisch wählenden Counties — allen voran Miami-Dade — überraschend deutlich Boden gut. Aus diesen drei südlichen Provinzen müssen demokratische Kandidaten stets immense Margen herausarbeiten, um die republikanischen Mehrheiten in den restlichen, weniger bewohnten, Gebieten des Staates auszugleichen. Ansonsten könnte sich ein Trump-Sieg in Florida abzeichnen, welcher seinen Pfad zu einer zweiten Amtszeit am Wahlabend wesentlich eröffnen würde.

Gehen Sie wählen?

Als viertes und letztes bedeutendes Indiz ist die Enthusiasmuslücke zu nennen, welche deutlich zugunsten Trump ausfällt: bei Umfragen auf der Suche nach den „very likely voters“ erzielt der amtierende Amtsinhaber durch die Bank viel höhere Werte — diese Wähler treten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit an die Wahlurne und sind somit oft auch wahlentscheidend. Denn die US Presidential Election ist am Ende, wie jede Wahl, reine Mathematik – die zentrale Frage dabei ist, wie viel Prozent welcher Wählergruppe an die Urne treten und ob die Kandidaten die nötigen Margen bei diesen Gruppen erreichen, um einen Gesamtsieg einzufahren. Die magische Zahl dabei? 270, die Anzahl der Wahlmänner, die es durch Siege in den einzelnen Bundesstaaten zu gewinnen gilt, um die Wahl für sich zu entscheiden – und diese Zahl ist für Trump absolut nicht außer Reichweite.

Noch ist das letzte Wort nicht gesprochen

Die zentrale Botschaft, die wir mit diesem Beitrag deshalb vermitteln möchten, ist, dass dieser Wahlkampf noch lange nicht zu Ende ist und mit großer Wahrscheinlichkeit noch in den nächsten knapp drei Wochen die eine oder andere Wende parat hält – doch egal, was auch passieren mag: Trump wird kompetitiv bleiben, weil es aller Wahrscheinlichkeit auch von ihm abprallen wird. Don‘t underestimate Teflon Don.

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Michael Steinwandter Mer, 10/21/2020 - 20:00

Die Hoffnung ist da, dass sich dort drüben was ändert... den die ständige Berichterstattung, diese stumpfen Twitter-Nachrichten, die mit übereiligen "Fake-News-Rufen" belastete Diskussionskultur auch bei uns, das alles hat meiner Meinung nach mit diesem Präsidenten so richtig an Fahrt aufgenommen und auf uns abgefärbt.
Wie bei den Simpsons-Film wäre da so eine riesige Käseglocke nicht schlecht, und somit könnten sie ihr America First und Only America in Sachen Wirtschaft, Umweltschutz, Ausländerpolitik gerne manifestieren, ohne internationale Bemühungen mit Füße zu treten.
Die Taten und Gedankengänge der Amerikaner ansatzweise zu verstehen ist für mich in den letzten Jahren immer schwieriger geworden. Jedenfalls, ob nun "Mumie Biden" oder "Teflon Don", ich denke mit Ersteren könnte wieder etwas Bodenständigkeit einkehren, die man seit Obama schon vermisst. Da ging es nicht ständig um Golfen oder Heli-Flüge, Geld und Ruhm.

Danke jedenfalls an die beiden jungen Schreiber!

Mer, 10/21/2020 - 20:00 Collegamento permanente
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Karl Trojer Gio, 10/22/2020 - 10:01

Gratulation den beiden jungen Journalisten für diesen interessanten Beitrag ! Es ist nicht so, dass nur "ausgewiesene Experten" (siehe Kommentar von Herrn Losso) Kluges und Wahres darzulegen vermögen...

Gio, 10/22/2020 - 10:01 Collegamento permanente
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Benjy Kompasser Sab, 11/07/2020 - 18:29

In risposta a di Karl Trojer

Leider sehe ich das nicht ganz so. Ich habe mich ein wenig geärgert. Wenn man mit Sprache spielen möchte, dann sollte man sie auch beherrschen, es nützt nichts, besonders altklug sein zu wollen und besonders "cool" schreiben zu wollen. Abgesehen davon sollten Schlussfolgerungen nachvollziehbar sein und nicht bei den Haaren herbei gezogen. Mir hat sich auch der Sinn des Textes ganz und gar nicht erschlossen. Keiner wusste wie die Wahlen ausgehen würden, und besonders geirrt haben sich die sogenannten Fachleute. Ich fand es direkt lustig, als ein Politikwissenschaftler der Uni Innsbruck im Radio mit dem Brustton der Überzeugung kurz vor der Wahl erklärte, warum Biden haushoch gewinnen werde. Tja, ganz so ein Durchmarsch war es dann wohl doch nicht. Ich kann bei allen Sehern, Glaskugellesern und Nostradamen schon lange nur noch lachen. Jungs, der Ansatz ist gut, aber beschäftigt Euch doch mit Naheliegendem, recherchiert ordentlich und schreibt dann etwas, das uns zum Nachdenken bringt. Hier war die Lesezeit eher vergeudet, sorry... Lest einfach Euren letzten Absatz, genau, wenn es noch drei Wochen bis zu einem Ereignis dauert, dann dauert es noch drei Wochen (für beide Kandidaten), und bis dahin ist vieles möglich. Und schlagt bitte mal das Wort "kompetitiv" nach, dann versteht ihr vielleicht, warum ihr eigentlich nichts ausgesagt habt.
Aber! Nehmt Kritik an, lernt und macht weiter!

Sab, 11/07/2020 - 18:29 Collegamento permanente