Ambiente | Pestizidprozess

Die beschlagnahmten Rechnungen

Am Bozner Landesgericht hat gestern ein Beweissicherungsverfahren stattgefunden, das einen bisher verschwiegenen Hintergrund des geplatzten Friedensschlusses ausleuchtet.
Die Verhandlung vor dem dreiköpfigen Richtersenat, bestehend aus Stefan Tappeiner, Ivan Perathoner und Federico Secchi, dauerte über eineinhalb Stunden. Auf der einen Seite Nicola Canestrini und Francesca Cancellaro, Verteidiger von Alexander Schiebel, Karl Bär und des Münchner Umweltinstituts. Auf der anderen Seite die Anwälte der Kläger Arnold Schuler und der 1.400 Obstbauern, Oskar Plörer und Carlo Bertacchi. Dass sich Plörer in dieser Verhandlung erstmals vom renommierten Bozner Strafverteidiger flankiert lässt, macht deutlich, dass der Pestizidprozess jetzt in die heiße Phase geht.
Denn das, was hinter verschlossen Türen am Bozner Landesgericht am Mittwoch ab 12 Uhr verhandelt wurde, ist ein Aspekt des gerichtlichen Streites um den Pestizideinsatz in Südtirol, der bisher noch nicht zur Sprache kam. Es ist vordergründig ein Nebenschauplatz, der aber verständlicher macht, warum letztlich die geplante Streitbelegung zwischen den Parteien im Pestizidstreit geplatzt ist.
Formal wird in der Verhandlung der Einspruch von zwei Südtiroler Bauern gegen eine von der Staatsanwaltschaft verfügte Beschlagnahme behandelt. Es geht dabei aber nicht um jene Spritzhefte, die bereits vor Wochen den Verteidigern der Angeklagten ausgehändigt worden sind.
Canestrini und Cancellaro haben Anfang dieses Jahres nicht nur die Sicherstellung der Betriebshefte bei den klagenden Bauern beantragt, sondern auch die Aushändigung der Rechnungen für den Spritzmittelankauf. Der Hintergrund: Ein Quervergleich zwischen den Betriebsheften und den Rechnungen zeigt, ob das, was eingetragen wurde, auch der Realität entspricht.
Nachdem die Carabinierisondereinheit NAS bereits im Frühsommer zur Sicherstellung der Betriebshefte ausrücken sollte, einigte man sich, dass die VIP und die VOG die Betriebshefte ihrer klagenden Mitglieder einsammeln und den Carabinieri übergeben sollten. Ohne größere Schwierigkeiten wurde das dann auch so umgesetzt. Im September wurde das gesamte Datenmaterial den Anwälten der Beklagten ausgehändigt.
 
 
Der Antrag zur Sicherstellung der Rechnungen war aber bei Gericht irgendwie liegen geblieben. Im September hakte Nicola Canestrini deshalb nochmals nach. Die zuständige Staatsanwältin Francesca Iovene erteilte daraufhin den Carabinieri den Auftrag zur Sicherstellung der Rechnungen bei den Bauern.
Anfang Oktober rückten die Carabinieri aus. Weil sich die Bauern aber weigerten, die Rechnungen herauszugeben, durchsuchten die Carabinieri die Höfe, bis sie die Rechnungen gefunden hatten und beschlagnehmen konnten. Etwa bei zwei Bauern in Terlan.
Diese zwei Bauer wehren sich jetzt vor Gericht gegen diese Sicherstellung. Der Fall soll nur ein Versuchsballon sein, um die Beschlagnahme der Rechnungen bei allen 1.400 Bauern zu verhindern. Im Beweissicherungsverfahren wird jetzt der Richtersenat über die Rechtmäßigkeit dieser Aktion entscheiden. Die Entscheidung des Gerichts dürfte noch in dieser Woche fallen.
Nach Informationen von Salto.bz war das auch eine der Bedingungen, die die Anwälte von Arnold Schuler & Co. für den Rückzug der Klage eingefordert haben. Man sollte die „Aktion Rechnungen“ abbrechen und die Daten nicht verwenden. Doch die Beklagten wollen hier nicht einlenken.
Landesrat Schuler hat öffentlich gesagt, man habe nichts zu verbergen“, sagt Nicola Canestrini nach der Verhandlung zu Salto.bz, „und am nächsten Tag weigern sich die Bauern das Beweismaterial herauszugeben.“ Der kämpferische Anwalt kann nur mehr den Kopf schütteln: „In meiner gesamten Karriere ist es noch nie passiert, dass die Kläger das Vorgehen der Staatsanwaltschaft beanstanden.
Diese Rolle nehmen normalerweise die Angeklagten ein.
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rotaderga Gio, 10/15/2020 - 08:40

Eingekaufte Ware wird verwendet oder gelagert- manchmal auch über Jahrzehnte, oder entsorgt, oder ...vergessen oder einfach weitergegeben. So war es früher. Traditionen halten sich aber meistens länger.
Möchte nicht wissen wieviel vom "altes Zeug" sich noch in den sogenannten Giftkammern befindet.

Gio, 10/15/2020 - 08:40 Collegamento permanente
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Wendl Pircher Gio, 10/15/2020 - 10:04

In risposta a di rotaderga

In den "Giftkammer" wird sich kein "altes Zeug" finden, den diese Lageräume werden jährlich kontrolliert, gleich wie die Lieferscheine und Rechnungen, diese müssen alle in den Agrios-Globalgap Mappen abgelegt werden. Übrig gebliebenes abgelaufenes Material muß entsorgt werden und die Dokumente ebenfalls in der Mappe abgelegt werden.

Gio, 10/15/2020 - 10:04 Collegamento permanente