Economia | Lockdown für Handel

Philipp gegen Arno

Wegen der verordneten Schließung des Einzelhandels kritisiert der hds offen Landeshauptmann und Wirtschaftslandesrat – und ruft zu einer Protestaktion auf.
Geschlossen
Foto: Pixabay

“So nicht, meine Herren! Basta, signori miei!” Bei Philipp Moser ist die Entscheidung, den Einzelhandel ab Mittwoch (4. November) für zweieinhalb Wochen lahmzulegen, nicht gut angekommen. Der Präsident des Handels- und Dienstleistungsverbandes Südtirol (hds) stellt sich gegen die Landesregierung – und kritisiert offen Landeshauptmann Arno Kompatscher und den zuständigen Landesrat für Wirtschaft, Philipp Achammer: “Diese Entscheidung, meine Herren, ist nicht nachvollziehbar!”

 

“Handel ist kein Hotspot”

 

Bis auf den Lebensmittelsektor und den Handelsbetrieben für Güter des täglichen Gebrauchs sowie Apotheken und Trafiken müssen sämtliche Geschäfte des Einzelhandels ab Mittwoch schließen. Das ist eine der Maßnahmen, die in der neuen Notverordnung des Landeshauptmannes enthalten sind, die am heutigen Dienstag veröffentlicht wird. Grund für die zusätzlichen Einschränkungen sind die Corona-Infektionszahlen, die in Südtirol unaufhörlich steigen und zu einer Überlastung des Gesundheitssystems führen könnten.

In den vergangenen 24 Stunden wurden erneut 495 neue Corona-Fälle festgestellt. 287 Covid-Patienten werden stationär betreut (im Krankenhaus oder Privatkliniken), 28 befinden sich auf der Intensivstation. 7.474 Personen sind in Quarantäne oder häuslicher Isolation. Und es gibt einen weiteren Todesfall, womit die Anzahl der bisher mit Covid-19 Verstorbenen auf 320 steigt.

Doch dass der Handel nun erneut in den Lockdown geschickt wird, sei nicht verständlich, sagt hds-Präsident Philipp Moser frei heraus: Wir akzeptieren das auf keinen Fall! Einkaufen war in Südtirol auch in Zeiten von Corona immer sicher. Der Einzelhandel hat bisher seine Hausaufgaben gemacht, strenge Vorschriften und Hygienekonzepten eingehalten und ist definitiv kein Hotspot!”

 

Spontaner Protest in Bozen

 

Moser wettert weiter gegen die politischen Entscheidungsträger: “Anstatt die vielen Kaufleute und Mitarbeiter einen großen Dank für ihren Einsatz auszusprechen, die tagtäglich ein sicheres Einkaufen garantieren und die Kunden trotz sozialer Distanz mit persönlichem Service, Beratung und Freundlichkeit empfangen, werden diese jetzt bestraft.” Es dürfe nicht vergessen werden, “dass viele Handelsbetriebe Kleinbetriebe sind, und die meisten davon familiengeführt”.

Während Handelskammerpräsident Michl Ebner für betroffene Betriebe einen Umsatzersatz von bis zu 80 Prozent im November vorschlägt, wie er in Österreich angekündigt wurde (auch in Deutschland will die Bunderegierung den vom Lockdown besonders betroffenen Unternehmen bis zu 75 Prozent des Umsatzes vom November des Vorjahres erstatten), gehe es ihm nicht darum, nun Ausgleichszahlungen auch für den Handel einzufordern, um diesen zu vertrösten, betont Moser. Sondern er fordert: “Der Handel sollte weiterarbeiten dürfen. Gerade der stationäre Einzelhandel kämpft seit Monaten mit großen Schwierigkeiten und ist eines der Hauptopfer dieser Krise. Diese Pflichtschließung nehmen wir nicht einfach so hin.”

Der hds behält sich weitere Schritte vor, kündigt Moser an. Ein erster ist eine Protestaktion, die spontan für heute um 12 Uhr in Bozen organisiert wurde. Vom Waltherplatz aus ziehen die Vertreter des hds und des Handels Richtung Palais Widmann, wo am Vormittag die Landesregierung tagt.

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Michl T. Mar, 11/03/2020 - 16:42

Moser, für mich der mediengeile Flipperautomat im vor-politischen Raum schlechthin, hat den Ernst der Lage vielleicht noch nicht verstanden.
Es geht hier nicht darum jemanden zu "bestrafen", sondern darum, das öffentliche Leben und besonders dort wo Menschen in Kontakt kommen herunterzufahren. Alles was nicht essentiell und für den täglichen Bedarf notwendig ist wird ausgesetzt. Das ist hart und betrifft viele. Aber zu sagen "wir akzeptieren das nicht" ist egoistisch. Wer inzwischen einen Onlineshop/Lieferdienst hat von den Einzelhändlern kann sich die Hände reiben - alle anderen haben etwas verschlafen.
Das selbe gilt auch für die Restaurants. Wer Mensadienst anbieten kann, Take-away oder Lieferservice, macht in den kommenden Tagen weiter. alle anderen haben's verpennt.

Mar, 11/03/2020 - 16:42 Collegamento permanente
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Stefan S Mar, 11/03/2020 - 17:18

Es ist nicht überraschend das ein Hds Präsident im Sinne seiner Mitglieder argumentiert und sicherlich sind die Hygienemassnahmen im Einzelhandel bestimmt nicht die Schlechtestens.
Es geht vordergründig aber darum den Bewegungsradius der Bevölkerung auf ein Minimum zu reduzieren damit sich der Virus nicht weiter ausbreiten kann und das unter der Berücksichtigung den volkswirtschaftlichen Schaden so gering wie irgendwie möglich zu halten.
Der Virus ist nicht gerecht aber die Politik ist jetzt gefordert für sozialen und finanzellen Ausgleich der besonders stark betroffenen Gesellschaftsgruppen dieser Pandemiemaßnahmen zu sorgen. In diesem Zusammenhang ist auch der Wahlausgang heute Nacht auf der anderen Seite des Atlantiks richtungsweisend, gewinnt der Populismus mit seiner Klientelpolitik wird dies auch auf unsere Politik in Europa Auswirkungen haben.

Mar, 11/03/2020 - 17:18 Collegamento permanente
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Klemens Riegler Mar, 11/03/2020 - 17:28

Was sollte denn Herr Moser anderes tun als seine Klientel zu vertreten? Das gehört zu seinen Aufgaben. Schließlich wird er wohl seit Montag Abend buchstäblich bombardiert. Es wird aber "nix nutz´n", weil´s derzeit eben nicht anders geht. Einige andere Branchen (Gastronomie, Veranstaltungs- und Kulturwirtschaft, Reisebüros, Fitness usw.) sind schließlich auch ZU oder haben NULL Einkünfte ... und als Ausgleich nur hohe Spesen und laufende Kosten.
Wir sollten auch keine Bereiche gegeneinander ausspielen, aber es gibt Sektoren die seit März leiden und dieses Jahr wohl nicht überleben werden. Dann sollte der Detailhandel schon imstande sein 20 Tage Solidarität auszuüben und seinen Teil bei der Seuchen-Eindämmung beizutragen.
Michl T. hat vorhin auch etwas ganz interessantes geschrieben.
@ Salto: ... der Titel ist schon etwas irreführend ... gell? Philipp gegen Arno! ... wäre hätte da gedacht dass der Philipp M. gemeint ist (:- -:)

Mar, 11/03/2020 - 17:28 Collegamento permanente
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Klemens Riegler Mer, 11/04/2020 - 09:46

Frau Leitgeb, ich beteilige mich hier meistens als Bürger (und zu anderen Themen), selten als Betroffener! Aber ich werde es mir nicht nehmen lassen die Stimme für Event-, Kultur- und Veranstaltungswirtschaft zu erheben. Schon gar nicht wenn andere Sektoren schon wieder wegen einiger Wochen Verdienstausfall "weinerliche Touren" unternehmen, während sich unsere Branche seit Fasching so gut wie im Lockdown befindet.
P.s.; Sollten Sie Anti-Covid-Produkte zu guten Preisen suchen: https://www.riegler.it/COVID19PROTECTION.pdf

Mer, 11/04/2020 - 09:46 Collegamento permanente
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Peter Gasser Mer, 11/04/2020 - 12:20

Sie finden diese beiden folgenden Zitate sachlich “medizinisch” und/oder “ökonomisch”?:
1. “Dr. Paranoia hat gesprochen”, und
2. “Beamte, wie Herr Gasser ...”
Das ist bemerkenswert & interessant, außer Ihnen wird darin niemand “medizinisches” oder “ökonomisches” finden.

Zudem: eine Falschbehauptung bleibt eine Falschbehauptung.
Auch: Alter, Geschlecht, Hautfarbe, Religion, Beruf, Angestelltenverhältnis sind keine in einer Diskussion zu diskriminierende Eigenschaften von Personen - lesen Sie doch bitteschön die Netiquette, z.B §F2 und §F3, aber auch §M1... auch wenn dies schwerfallen sollte.
Besten Dank. Das SCM hat dies geschlossen, so sei es so. Punkt.

Mer, 11/04/2020 - 12:20 Collegamento permanente
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Peter Gasser Mer, 11/04/2020 - 20:50

1.) Wo haben Beamte und Pensionisten etwas gefordert hier auf Salto?
2.) Ich bin weder Beamter noch habe ich jemals einen Lockdown gefordert.
3.) Ich sehe nicht, dass Beamte eine “Lohnfortzahlung” erhalten, sondern dass sie auch im Lockdown arbeiten, und den Lohn für ihre Arbeit erhalten.
4.) Woher nehmen Sie die Stirn zu behaupten, dass bei wenigstens der großen Masse der Beamten “die erbrachte Leistung weder in Korrelation mit dem Gehalt noch mit der Tatsache steht, tatsächlich etwas für das zu erhaltende Geld geleistet zu haben”?
5.) Ich bin dafür, dass die Lasten der Coronapandemie verteilt werden, und dass die Gesellschaft solidarisch dafür einsteht, dass niemand (niemand!) Kälte & Hunger leiden muss und nicht mehr für seine Familie sorgen kann: notfalls mit schnellen Direktzuweisungen, welche in Zukunft gemeinsam verteilt getragen werden müssen.
Diese Pandemie macht uns alle ärmer. Alle.

Mer, 11/04/2020 - 20:50 Collegamento permanente