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„Wie eine Selbsthilfegruppe“

Nel centenario della nascita del Partito Comunista d'Italia, lo storico Joachim Gatterer ripercorre le vicende dei primi comunisti in Sudtirolo.
Foto der kommunistischen Sektion von St. Jakob bei Bozen aus dem Jahr 1921, überliefert vom damaligen Parteigenossen Ferdinand Chenetti, abgedruckt in der kommunistischen Parteizeitung „Südtiroler Panorama“ vom Juni 1976.
Foto: Joachim Gatterer

In questi giorni ricorrono i cent'anni della cosiddetta scissione di Livorno, uno dei passaggi più importanti nello scontro tra la corrente riformista e quella rivoluzionaria dell'allora movimento operaio internazionale. Durante il Congresso nazionale del Partito Socialista, presso il Teatro Goldoni di Livorno, la frazione comunista – messa in minoranza da massimalisti e riformisti – abbandonò i lavori e si riunì il 21 gennaio del 1921 al Teatro San Marco per dare vita al Partito Comunista d'Italia (PCd'I), di cui quello labronico fu il congresso fondativo. Tra loro figuravano Amedeo Bordiga, Antonio Gramsci e Umberto Terracini.

Se da lì nacque un'esperienza politica fondamentale come quella del Partito Comunista Italiano (PCI), che nel secondo dopoguerra divenne il più grande partito comunista dell'Occidente, certo non si può dire altrettanto dell'avvento dei comunisti in Sudtirolo. Perché? Lo abbiamo chiesto allo storico Joachim Gatterer del Centro di competenza di Storia regionale dell'unibz, autore nel 2009 del libro "rote milben im gefieder". Sozialdemokratische, kommunistische und grün-alternative Parteipolitik in Südtirol edito da StudienVerlag.

 

Salto.bz: Come si è arrivati alla fondazione della prima sezione comunista in Sudtirolo?

Joachim Gatterer: Hier muss man etwas ausholen, denn die Entstehung kommunistischer Parteien ist ohne den radikalen Umbruch, den Europa am Ende des Ersten Weltkriegs erlebt hat, nicht denkbar. Die alte Ordnung war auch im kleinen Südtirol zusammengebrochen, neue Staaten sind entstanden und damit stellte sich auch die Frage nach neuen Herrschaftsformen, zumal das Desaster des Krieges die alten Eliten speziell in Russland, Deutschland und Österreich massiv diskreditiert hatte. 
Das kommunistische Experiment, das 1917 in St. Petersburg begonnen worden war, stellte in diesem Kontext für viele Zeitgenossen einen gangbaren Weg dar. Die Bolschewiki hatten 1918 den Krieg beendet – waren aber auch im Begriff, Macht und Ressourcen radikal umzuverteilen. So geriet der Kommunismus schnell zu einer wirkmächtigen Ideologie, die enorm polarisierte. Für viele Arbeiter und Kriegsgeschädigte markierte sie den Weg in eine bessere Zukunft, während die alten Eliten den Kommunismus verständlicherweise fürchteten wie der Teufel das Weihwasser. 

Anhänger fand der Kommunismus in dieser Zeit vor allem in den Reihen der bereits bestehenden sozialistischen Parteien. Die Befürworter der revolutionären Politik Lenins trennten sich von den gemäßigten Sozialdemokraten und probten (durchwegs vergeblich) den Aufstand – in Deutschland etwa der Spartakusbund um Rosa Luxemburg und Karl Liebknecht, aus dem 1919 die KPD hervorging. 

E arriviamo infine alla scissione di Livorno del 1921.

In Italien erfolgte die Abspaltung der Kommunisten von den Sozialisten erst im Jänner 1921, weil die sozialistische Partei – anders als in Deutschland und Österreich – keine Koalition mit den bürgerlichen Parteien anstrebte und lange aussichtslos auf das Überschwappen der Revolution wartete, ohne selbst entscheidende Maßnahmen zu setzen. 
All diese Ereignisse wurden offenbar auch in Südtirol mitverfolgt, denn auch hier kam es im Umfeld der sozialdemokratischen Partei, die 1919 reaktiviert worden war, zur Herausbildung einiger kommunistischer Gruppierungen, deren Gründung wir allerdings nicht exakt datieren können. Ein überliefertes Foto aus dem Jahr 1921 soll die kommunistische Ortsgruppe von St. Jakob bei Bozen zeigen, wobei die abgebildete Symbolik zumindest belegt, dass es sich um eine sozialistisch inspirierte Gruppe handelt.

La nascita del Partito Comunista in Sudtirolo ha una data precisa?

Ein Bericht der kommunistischen Tageszeitung „L’Unità“ aus dem Jahr 1925 beweist zweifelsfrei, dass eine „Federazione dell’Alto Adige“ existierte. Die Mitgliederstärke entnehmen wir einer Publikation Palmiro Togliattis aus dem Jahr 1962. Er zählte für 1923 vier Sektionen im Trentino und in Südtirol mit 22 Mitgliedern in Trient, 21 in Rovereto, 18 in Meran und 18 in Bozen. 

Come dobbiamo immaginarci questi primi comunisti sudtirolesi?

Auf keinen Fall als solche, die Marx gelesen haben. Aus den Akten der faschistischen Geheimpolizei OVRA geht vielmehr hervor, dass die kommunistischen Zirkel lokale Selbsthilfegruppen waren, die oft in enger Nachbarschaft lebten – in Bozen etwa in Oberau, in Innsbruck im heutigen Stadtteil Hötting. 
Durch die Arbeit bei der Eisenbahn oder die Erfahrung von Arbeitslosigkeit – beides ging häufig mit Zu- oder Abwanderung einher – standen diese Menschen tendenziell am Rand der Gesellschaft und hatten dieselben Schwierigkeiten beim Bestreiten ihres Alltags. Speziell die italienischen Eisenbahner, die in dieser Zeit nach Südtirol versetzt worden sind, dürften in Oberitalien die politischen Streiks der Sozialisten miterlebt haben und dabei politisch sozialisiert worden sein. 

Aus den Akten der faschistischen Geheimpolizei OVRA geht vielmehr hervor, dass die kommunistischen Zirkel lokale Selbsthilfegruppen waren, die oft in enger Nachbarschaft lebten 

Chi erano i principali esponenti del Partito Comunista sudtirolese?

In Bozen wurde dieses Milieu in bescheidenem Maße von Gebhard Haslinger organisiert, einem Arzt, Jahrgang 1887, der unentgeltlich behandelte. In Meran spielte der 20-jährige Silvio Flor eine Schlüsselrolle. Er war Sohn des gleichnamigen sozialistischen Gewerkschafters und 1921 in Trient gewählten Parlamentariers, kannte die Arbeiterbewegung somit von Kindesbeinen an und hatte als gelernter Schriftsetzer wohl als einer der wenigen ausgiebig politische Literatur gelesen. 
Auch bei Haslinger und Flor fällt auf, dass sich ihre Lebenswelt schon damals weit über Südtirol erstreckte. Haslinger war in Verona geboren worden und hatte in München, Padua und Innsbruck Medizin studiert, bevor er sich nach Kriegsende mit seiner, in den USA geborenen Frau in Bozen niederließ. Flor wiederum hatte in Innsbruck die Schule besucht und in Wien und Leipzig seine Lehrjahre verbracht, die seine politische Tätigkeit in Meran zweifellos beeinflussten.

I comunisti presero parte alla vita politica dell'Alto Adige? In altre parole: pensavano alla rivoluzione o parteciparono alle elezioni?

Das Aufkommen der kommunistischen Zirkel in Südtirol wie auch die Gründung der Kommunistischen Partei in Italien fällt bereits in die Zeit, als der Faschismus auf dem Vormarsch war, d. h. die Kommunisten agierten bereits in einer Situation der Halblegalität und von einer Revolution konnte nicht die Rede sein. 

Bei den Parlamentswahlen des Jahres 1921 hatten die Südtiroler Sozialdemokraten noch mit einer eigenen Liste kandidiert, allerdings nur knapp 10 Prozent der Stimmen und somit keines der vier Parlamentsmandate erreichen können. Bei den Gemeinderatswahlen des darauffolgenden Jahres stand auch Gebhard Haslinger auf ihrer Liste für den Bozner Gemeinderat, verpasste allerdings knapp den Einzug. 1924, als Mussolini bereits regierte und nicht mehr von einer freien Parlamentswahl gesprochen werden kann, schien Haslinger nochmals als Kandidat der Kommunistischen Partei Italiens auf, alphabetisch gelistet hinter Antonio Gramsci. 

Che fine fece il primo nucleo comunista altoatesino?

Sieht man von diesen Kandidaturen und zwei späteren Flugblattaktionen ab, waren die politischen Aktivitäten der Südtiroler Sozialdemokraten und Kommunisten bescheiden. Mit Besetzung des Bozner Gewerkschaftshauses im Jahr 1923 hatten die Sozialdemokraten ihre Organisationsbasis verloren und ihre Spitzenexponenten wie der Drucker Franz Tappeiner und der Uhrmacher Lorenz Unterkircher zogen sich aus der Öffentlichkeit zurück. 
Die Kommunisten Haslinger und Flor gerieten zusätzlich ins Fadenkreuz der faschistischen Behörden. Haslinger wurde aufgrund seiner politischen Betätigung 1925 vom Präfekten Giuseppe Guadagnini die italienische Staatsbürgerschaft entzogen. Er übersiedelte daraufhin nach Nordtirol, wo er in Innsbruck und Häring im Umfeld der Sozialdemokratie tätig blieb, sich allerdings 1928 das Leben nahm. 
Flor entging seiner Verhaftung 1926 durch Flucht nach Wien. Von dort sollte er Anfang der 1930er-Jahre für kurze Zeit an die Lenin-Schule nach Moskau gelangen, bevor er 1939 nach Südtirol zurückkehrte, sich allerdings erst nach Kriegsende 1945 wieder in der Kommunistischen Partei betätigte.

 

Il Partito Comunista dell'Alto Adige, rifondato nel 1945, aveva qualcosa in comune con la sezione del partito comunista dei primi anni venti?

In der Tat lassen sich bis auf Silvio Flor oder den Steinmetz Alois Dalpiaz bei den Kommunisten und Lorenz Unterkircher bei den Sozialdemokraten nur wenige Kontinuitäten nachweisen. Dieses Phänomen gilt allerdings italienweit. Die KPI von 1921 (damals PCd’I) war eine kleine Sekte. 1943, mit Beginn des nationalen Befreiungskampfes gegen die nationalsozialistische Okkupation, wandelte sich die KPI (nunmehr PCI) staatsweit zur Massenpartei. Die „Resistenza“ wurde zum eigentlichen Gründungsmythos der Partei und die meisten Genossen, die nach 1945 aktiv waren, waren frühestens in dieser Phase zur Partei gestoßen. 

Quale peso ebbe la questione etnica sulle vicende del PCI altoatesino?

In Südtirol kam zu diesem Generationenkonflikt der ethnische Konflikt als erschwerendes Moment hinzu. Die Südtiroler KPI wurde nach 1945 überwiegend von italienischen Industriearbeitern der Bozner Industriezone getragen, die in den 1930er-Jahren neu angesiedelt worden waren. Die Parteizentrale in Rom bemühte sich stets um die Einbeziehung deutschsprachiger Genossen, Flor zog sich jedoch nach internen Streitigkeiten und einem persönlichen Wahlfiasko 1952 endgültig aus der Partei zurück. Die deutsche Sektion, die vom Vinschgauer Gewerkschafter Josef Stecher fortan geleitet wurde, blieb zwar bis zur Umwandlung der KPI in den Partito Democratico della Sinistra (PDS) Anfang der 1990er-Jahre bestehen, kam aber nie über den Status eines Randphänomens hinaus. 

Die Biografien der meisten Protagonisten verweisen auf Lebenswege, die über die Region hinausreichen. Dadurch wird deutlich, dass Südtirol auch vor 100 Jahren keine ethnisch homogene und abgeschlossene Insel der Seligen war, sondern von den Entwicklungen in der Welt – wenn auch in abgeschwächter Form – beeinflusst wurde.

Cosa possiamo imparare dalla storia dei comunisti sudtirolesi, nonostante le molte battute d'arresto che hanno subìto?

Wer nach großen politischen Erfolgen auf Landesebene sucht, wird von den Südtiroler Kommunisten enttäuscht sein, wenngleich die KPI nach 1945 immerhin konstant im Landtag vertreten war und auch einige beachtliche Karrieren ermöglichen konnte. Anselmo Gouthier bekleidete etwa in den 1970er-Jahren neben einem Landtagsmandat auch in der nationalen Partei Spitzenfunktionen, traf in Chile u. a. Salvador Allende und saß später im Europaparlament. Davon abgesehen blieb der Einfluss der Kommunisten auf die Südtirolpolitik natürlich bescheiden, zumal sie bis 1945 weitgehend in der Illegalität, in der Zeit des Kalten Krieges in kategorischer Opposition agieren mussten. 

Interessant sind sie dennoch, weil sich an ihrem Beispiel aufzeigen lässt, dass politisches Handeln nicht erst auf Landesebene beginnt, sondern viel früher: im täglichen Leben, am Arbeitsplatz, in der Gemeinde – dass es zudem nicht immer darauf ankommt, in Machtposition zu gelangen, sondern dass auch gute Oppositionspolitik Probleme aufzeigen, Druck erzeugen und dadurch eine Lösung herbeiführen kann, von der man selbst gemeinsam mit anderen profitiert. 

Regionalgeschichtlich betrachtet eignet sich das Beispiel der Südtiroler Kommunisten dazu, um den provinziellen Rahmen zu sprengen. Die Biografien der meisten Protagonisten verweisen auf Lebenswege, die über die Region hinausreichen. Dadurch wird deutlich, dass Südtirol auch vor 100 Jahren keine ethnisch homogene und abgeschlossene Insel der Seligen war, sondern von den Entwicklungen in der Welt – wenn auch in abgeschwächter Form – beeinflusst wurde.