Politica | Aus dem Blog von salt & pepe

Friedensprozess ohne Ende, ohne Frieden

Es ist zum Auswachsen: Alle sind für das Friedenschließen, Israelis, Palästinenser, Amerikaner, ohne Ausnahme sind alle hinter dem Frieden her, und trotzdem (oder vielleicht genau deshalb) lässt er auf sich warten, seit mehr als 66 Jahren schon.
Avvertenza: Questo contributo rispecchia l’opinione personale dell’autore e non necessariamente quella della redazione di SALTO.

Dieser Tage erlebt der gruppendynamische Prozess „Friedensverhandlungen im Nahen Osten“ eine Neuauflage. Diplomaten reisen hin und her, geben Erklärungen ab, pendeln (siehe John Kerry) zwischen Verhandlungspartnern, berichten von Fortschritten und Rückfällen. Die beiden Seiten machen gute Miene zum bösen Spiel und bedienen sich aus der Mottenkiste, die für solche Gelegenheiten Altbewährtes konserviert: Appelle an die Weltöffentlichkeit, gegenseitige Schuldzuweisungen, Forderungen, rote Linien, Pokerkniffe vom Bluff bis zum Kartenoffenlegen.

Begleitet wird all dies von anschwellendem Medienecho, Berichten, Mutmaßungen, Spekulationen („kann es diesmal klappen?“). Es ist ein ganzes Genre der Auslandsberichterstattung; dabei geht es weniger darum, was derzeit konkret passiert, als um Altbewährtes (so ein kleines Land, mit so einer langen Geschichte, so viele Religionen, Fundamentalismen, etc etc).

Dabei kann leicht untergehen: Es spricht nichts dafür, dass die Verhandlungen diesmal erfolgreich zu Frieden führen werden. Die von Premier Netanyahu geführte israelische Regierung ist noch weniger als ihre Vorgängerregierungen dazu geneigt, größere Zugeständnisse zu machen (Anerkennung der Grenzen von vor 1967); sie erhebt weitreichendere Forderungen als frühere Regierungen (Anerkennung Israels als jüdischen Staat). Der palästinensische Präsident Mahmud Abbas hat weniger Rückhalt und Zustimmung in der palästinensischen Bevölkerung als sein Vorgänger Yassir Arafat, er hat sich weniger dadurch hervorgetan, eine Vision davon zu entwickeln, zu vertreten und dafür zu werben, wie die palästinensische Zwangslage sich durch politische Schritte zum Besseren ändern könnte.

Dass zumindest der Anschein von Bewegung entsteht, verdankt sich allein den Bemühungen des US-amerikanischen Außenministers John Kerry: Er ist erst seit einem Jahr im Amt, wird nur eine Amtsperiode haben und will es zumindest versucht haben. Und er hat seine Ansprüche der verfahrenen Situation angepasst: Es gibt derzeit keine echten Verhandlungen, es gibt keine Road Map, sondern Ziel ist einzig und allein, eine Einigung über den Rahmen  zu erzielen („Framework“), in dem dann später Verhandlungen stattfinden könnten. Die beiden Seiten diskutieren über die Spielregeln und Zielsetzungen der erst noch folgenden Diskussion, bis heute mit mäßigem Erfolg.

Dabei schwimmen beiden gewissermaßen die Felle davon: Die Zeit spielt gegen eine Zwei-Staaten-Lösung, da die Siedlungen sich vervielfachen und den erst noch zu schaffenden palästinenschen Staat schon durchlöchern wie einen Schweizer-Käse. Es gibt bereits Stimmen, selbst in der israelischen Regierung, die ein Ende der Besatzung des Westjordanlands für eine Illusion halten, weil sowohl die Außengrenzen drumherum als auch die Siedlungen mittendrin militärisch verteidigt werden müssten und so gar kein souveräner Staat entstehen könne.

Das politische Gewicht der Siedlerbewegung nimmt stetig zu, sie war einer der Gewinner der letzen israelischen Wahlen. Auf der anderen Seite nimmt die Zustimmung  zu Abbas‘ fortwährendem Wirken immer mehr ab; und gar manche mutmaßen schon vom möglichen Ausbruch einer neuen, dritten Intifada, sowohl gegen die Israelische Besatzung als auch gegen die untätige Palästinensische Autonomiebehörde gerichtet. Die Hälfte der Palästinenser sind Jugendliche unter 24 Jahren, und Abbas – dem noch dazu jedes Charisma abgeht, aber der sich immer wieder ungeschickt hervortut, den Amerikanern oder auch Israelis gefallen zu wollen, – hat nichts erreicht, das ihre Lebensbedingungen verbessert hätte: Weder die Arbeitslosigkeit, noch die tägliche Schikanen der militärischen Besatzung, die ungesühnten Übergriffe durch die Siedler, die von der israelischen Armee verteidigt werden, die langen Gefängnisstrafen für Steinewerfer, Kinder oder Erwachsense.

Währenddessen verschärft sich das Ungleichgewicht, das den Nahostkonflikt seit jeher bestimmt: Während die Palästinenser zu schwach sind, ihre Forderungen durchzusetzen, sind die Israelis (auch wegen der Unterstützung durch die USA) zu stark, um wirkliche Zugeständnisse machen zu müssen.

Kann es diesmal was werden?

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gorgias Gio, 01/09/2014 - 01:51

der Israel in einer Position der Stärke hinstellt in der man großzügig Zugeständnisse machen könnte.
Israel ist von Staaten umgeben die alle am liebsten einen jüdischen Staat aus der Landkarte tilgen möchte. Solange diese Situation nicht gelöst ist, wird es für Israel schwer sein die besetzten Gebiete aufzugeben. Israel ist an seiner schmalsten Stelle zwischen Mittelmeer und dem West-Jordan nur 15 km. Wie soll man sich hier noch verteidigen.
Davon abgesehen dass die Palesinenser selbst auch unfähig sind sich selbst organisieren. Nach dem Rückzug 2005 aus dem Gaza-Streifen kam es zum Bürgerkrieg zwischen Fatah und Hamas und die Raketenangriffe aus dem Gazastreifen nahmen zu. (http://de.wikipedia.org/wiki/Gazastreifen#2005 )
Und die Häfte der Palestinenser ist nicht unter 24 sondern unter 14 (http://de.wikipedia.org/wiki/Gazastreifen#Bev.C3.B6lkerung ), und das ist auch kein Wunder denn der Gazastreifen hat die höchste Geburtenrate weltweit und die Bevölkerung hat sich seit 1967 mehr als verfünfacht.
Palästina erhält von der EU seit Jahren humantitäre Unterstützung, doch das wurde wohl kaum im Karikaturenstreit berücksichtigt: "Am 2. Februar 2006 schloss die EU ihr Büro in Gaza, nachdem dieses von palästinensischen Extremisten belagert worden war. Unterdessen drohten al-Aqsa-Brigaden und der Islamische Dschihad mit der Entführung von Staatsangehörigen von fünf europäischen Staaten (darunter Frankreich, Norwegen, Dänemark und Deutschland) im Westjordanland. Tatsächlich wurde ein Deutscher entführt, jedoch bald wieder freigelassen."

Wer jetzt noch meint Israel leistet sich zu wenig Großzügigkeit aus einer Position der Stärke der sollte sich vorstellen der Gazastreifen wäre 20 oder 30km vom eigenen Haus entfernt.

Gio, 01/09/2014 - 01:51 Collegamento permanente

Lieber gorgias, danke für das lob und die kritik.
du schreibst "Israel ist von Staaten umgeben die alle am liebsten einen jüdischen Staat aus der Landkarte tilgen möchte". nun, dies mag das subjektive Empfinden von Teilen der israelischen Gesellschaft sein, es ist aber faktisch falsch: Von den vier unmittelbaren Nachbarstaaten Israels haben zwei einen Friedensvertrag mit Israel geschlossen (Ägypten, Jordanien), während die anderen beiden (Libanon, Syrien) zwar wohl ungelöste Dispute mit Israel haben (und Teile ihres Staatsgebietes von Israel besetzt waren oder immer noch ist), aber militärisch Israel völlig unterlegen sind. Die weiteren Nachbarstaaten (Saudi Arabien, die Golfstaaten, die Türkei) haben Israel implizit oder explizit anerkannt, sich mit seiner Existenz abgefunden, und teilweise (etwa in Bezug auf den Iran) sogar ähnliche Interessenslagen. Selbst die Palästinenser wünschen sich nicht Israels Auslöschung, wie oft berichtet wird; die PLO hat Israel anerkannt, und kämpft allein dafür, dass auch Palästina von den Israelis anerkannt wird. Und selbst die Hamas, wenn sie auch rhetorisch davon prahlt, sie werde ganz Palästina befreien, hat doch Israels als faktisch existierend anerkannt, hat Waffenstillstände abgeschlossen etc.
Die Zahlen in Bezug auf das Durchschnittsalter beziehen sich auf die Westbank und den Gazastreifen, nicht nur Gaza alleine.
Wenn du Stärke in militärischer Stärke misst, dann ist Israel tatsächlich, nicht nur als einzige Atommacht des Nahen Ostens sonder auch was konventionelle Waffen angeht, allen seinen Nachbarn haushoch überlegen.

Gio, 01/09/2014 - 08:53 Collegamento permanente
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gorgias Sab, 01/11/2014 - 16:57

In risposta a di gorgias

http://www.spiegel.de/politik/ausland/iran-droht-israel-und-bruestet-si…

Nebenbei wurde der Frieden mit Ägypten geschlossen als noch das Regime Mubarak an der Macht war. Die Beziehungen der Türkei haben sich auch geändert seit Erdogan die kemalistischen Kräfte immer mehr schwächt. Israel mag Atomwaffen verfügen, zu einer funktionierenden Abschreckungsstrategie gehört aber auch ein eigenes Territorium von einer betimmten Größe und dafür hat Israel nichts herzugeben. Jedenfalls nicht ohne starke strategische Verluste hinnehmen zu müssen.
Ich würde mir im Nahen Osten nur das sicher sein, wo ich selbst unmittelbar den Auslöser betätigen kann.

Sab, 01/11/2014 - 16:57 Collegamento permanente