Economia | Kommentar

Absolutistisches Reich

Die Bankenführung um Gerhard Brandstätter verkauft reihenweise Jubelmeldungen, Kritik wird nicht geduldet. Das zeigt die Reaktion auf die Aussendung der Kleinaktionäre.
119 Minuten. Das ist die Zeitspanne, die am Donnerstag zwischen der Publikation der Presseaussendung des Verbundes der Kleinaktionäre auf Salto.bz und dem Anruf aus des Sparkasse vergangen ist. Der Leiter des Pressebüros kündigt freundlich und jovial – wie immer – eine „Richtigstellung“ der Bank an. Sie können diese Stellungnahme – die, wie bei der Sparkasse üblich, von niemandem unterzeichnet wurde – weiter unten lesen.
Die Bankenführung hätte an diesem Tag eigentlich etwas Wichtigeres zu tun gehabt. Am Donnerstagnachmittag stand die Aktionärsversammlung der Sparkasse an. Dabei wurden die Bilanz und die Vergütungsverordnung genehmigt.
Das Ergebnis der Sparkasse kann sich sehen lassen. Die Bankenführung um Gerhard Brandstätter hat eine Bank, die bis 2015 über eine halbe Milliarde Euro in den Sand gesetzt hatte und einen Schritt vor der Einsetzung eines Kommissars durch die Bankenaufsicht stand, wieder zurück in ruhige und solide Gewässer geführt. Es ist eine Leistung, die man anerkennen muss und auch gern anerkennt.
Ein ganz besonderes Augenmerk legte und legt die Sparkassenführung dabei auf die Außenwirkung. Gerhard Brandstätter & Co sonnen sich gerne im Glanz der Öffentlichkeit, und sie sind Weltmeister im Verkauf von Jubelmeldungen. Das fette Werbebudget der Sparkasse und das Netzwerk der Mächtigen und Ängstlichen tun das Übrige, dass die PR-Maschinerie in eigener Sache wie geschmiert läuft.
 
 
Selbst die persönliche Eitelkeit, sich de facto als beste Regionalbank der westlichen Hemisphäre darzustellen, kann man mit menschlicher Nachsicht tolerieren. Unerträglich ist aber die Reaktion von Gerhard Brandstätter und Generaldirektor Nicola Calabrò auf jede Art von Kritik. Generalstabsmäßig wird die leiseste kritische Anmerkung, Meinungsäußerung oder auch nur Frage in öffentlichen Stellungnahmen umgehend zurückgewiesen und mit Gegendarstellungen niedergebügelt. So werden Leserbriefe aufgebrachter Aktionäre mit nichtssagenden Floskeln der Bankenführung beantwortet. Dass Brandstätter-Freund Toni Ebner daraufhin kurzerhand die Diskussion über die Sparkasse in den Dolomiten beendet, sagt viel über das Demokratieverständnis in diesem Land aus.
Selbst die persönlich Eitelkeiten,  sich de facto als beste Regionalbank der westlichen Hemisphäre darzustellen, kann man mit menschlicher Nachsicht tolerieren. Unterträglich ist aber die Reaktion von Gerhard Brandstätter und Generaldirektor Nicola Calabró auf jede Art der Kritik.
Selbst die Stellungnahme von 300 Kleinaktionären, die Lob, aber auch einige kritische Fragen enthält, darf im Reich der absolutistischen Bankenfürsten nicht unkommentiert stehen bleiben. Anstatt Antworten zu geben, reagiert man wie eine beleidigte Majestät – siehe die unten abgedruckte Aussendung.
Dabei wäre es für ein seriöses Management an der Zeit, zwei einfache Fragen zu beantworten. Der Autor dieser Zeilen hatte das Glück, Sparkassenaktien zu erben, die inzwischen genau 73 Prozent ihres Wertes verloren haben. Er teilt dieses Schicksal mit Zehntausenden anderer Sparkassenaktionäre. Die Talfahrt der Aktie setzt sich dabei auch unter der amtierenden Sparkassenführung unvermindert fort. Wie aber lässt sich das mit den regelmäßigen Jubelmeldungen aus der Sparkasse vereinbaren? Denn eines ist klar: In einem auch nur halbwegs effizienten Markt ist der Aktienkurs nicht der einzige, aber der wichtigste Index für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens – er ist gewissermaßen die Synthese aller übrigen. Wenn er sinkt, hat das Unternehmen an Wert verloren – und der Aktienkurs der Sparkasse ist nun einmal seit dem Wechsel an der Spitze der Sparkasse weiter gesunken, und das auch nicht zu knapp. 
Ebenso solle man die Öffentlichkeit aufklären, warum man vor dem Bozner Landesgericht einen Prozess nach dem anderem gegen klagende Aktionäre verliert – unabhängig davon, dass dies durchaus auch für andere Banken gilt. Auch die Information, dass man dabei ist, mit der Südtiroler Verbraucherzentrale eine Einigung mit rund 300 klagenden Aktionären auszuhandeln, sollte man den eigenen Aktionären und der Öffentlichkeit wohl nicht vorenthalten.
Vor allem aber wäre ein Schnellkurs zum Thema „Umgang mit Kritik“ eine gute Investition für manchen in der amtierenden Sparkassenführung. Damit wäre dem Ansehen der Traditionsbank, aber auch dem Land wohl am meisten gedient.
 
PS. Salto.bz wird keine "Stellungnahme" der Sparkasse zu diesem Kommentar veröffentlichen.
 

 

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I L Ven, 04/09/2021 - 12:22

Danke Salto für eure fundierten, investigativen Recherchen und für die Hochhaltung des freien und objektiven Journalismus - bitte weiter so.

Ven, 04/09/2021 - 12:22 Collegamento permanente
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Christoph Moar Ven, 04/09/2021 - 13:30

Ich erlaube mir die Ergänzung/Richtigstellung eines (für Kleinsparer) wichtigen Details - das ich all den Menschen, die in Südtiroler Banken investiert sind oder waren, seit Jahrzehnten versuche klarzumachen.

Franceschini schreibt : "In einem auch nur halbwegs effizienten Markt ist der Aktienkurs nicht der einzige, aber der wichtigste Index für den wirtschaftlichen Erfolg eines Unternehmens – er ist gewissermaßen die Synthese aller übrigen."

Und genau diese Annahme des "halbwegs effizienten Marktes" trifft bei Sparkasse, Volksbank oder sonstigen Aktiengesellschaften, die außerbörslich notiert sind, nicht zwingend zu.

Die Aktien unserer lokalen Kreditinstitute sind - naturgemäß - nicht auf den etablierten Börsen, sondern nur auf (wenig liquiden) alternativen Handelsplätzen notiert. Wenn ein Handelsplatz wenig liquide ist, dann ist das - man sage es klar und deutlich - kein effizienter Markt.

Kleinsparer müssen wenig oder nicht-liquide Märkte meiden wie der Teufel das Weihwasser - oder sich zumindest im Klaren sein, dass sie sich damit bei einem der wesentlichen Risiken einer Investition (dem Liquiditätsrisiko) in hochspekulativen Gewässern bewegen.

In gewisser Weise möchte ich damit ausdrücken, dass wenn Franceschini Sparkassenaktion geerbt hat, die Erblasser bei ihren Anlageentscheidungen quasi (gewollt oder ungewollt) echte Hochrisikozocker waren.

Kleinanleger mögen sich bitte ernsthaft beraten lassen, und *mindestens* Kurs-, Zins-, Bonitäts- und Liquiditätsrisiken einer Anlageform klar identifizieren können. Wenn auch nur eines dieser Basisrisiken nicht dem Profil eines Kleinanlegers entspricht, sollte von dem Investment insgesamt klar abgesehen werden.

Ven, 04/09/2021 - 13:30 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Ven, 04/09/2021 - 14:28

Lieber Christoph Moar! Wollte eigentlich die Kritikunfähigkeit der Sparkassenführung kommentieren. Doch nun hast du dich mit deiner Behauptung an die erste Priorität in der Beantwortung gesetzt.
Drei Punkte Christoph, die du als Börsenprofi vergisst:
Punkt 1) Wir sprechen immer von regionalen Produkten. Das gilt nicht nur für die Freilandeier, sondern auch für Produkte der lokalen Banken. Begriffe wie "Hausbank", "Deine Vertrauensbank"usw. haben uns immer gegenüber Nationalen Banken abgegrenzt.
Punkt 2) Die solide Ausstattung der Sparkasse bis zur Katastrophenführung des Vorgängers vom derzeitigen Präsidenten war eine gesunde Vertrauensbasis auch für nicht quotierte Aktien. Die Steigerung von, im heutigen Verhältnis, 10 Euro auf fast 36 ist der Beweis dafür.
Punkt 3) Die Aktionen der Sparkassenführung in der Verlustphase waren nachweisbar strafbare Handlungen, die nun kürzlich wegen Verjährung nicht zu Verurteilungen führten, wobei die Klage der Börsenaufsichtsbehörde CONSOB noch offen ist.

Ich habe 33 Jahre in diesem Betrieb gearbeitet, davon mehr als die Hälfte in der Generaldirektion. Habe mit Stolz ein Aktienpaket für meine Familie erworben. Wer hätte es tun sollen, wenn nicht ich? Ich beklage heute ein Loch von 200.000 Euro. Aber nicht, weil ich in quotierten Aktien hätte investieren sollen, lieber Christoph. Sondern weil bei der Sparkasse ein Triumvirat seine "Geschäftchen" gemacht hat, deren Folgen heute die Kleinaktionäre ausbaden können. Und leider ist es immer so, das unter den Großen keiner dem anderen auf die Zehen steigt, weil jeder seine Vorteile hat. Nicht Sparkasse, nicht Stiftung und nicht Politik.
Ich bin aus dem Verband der Kleinaktionäre ausgestiegen, weil diese nur Schaumschlägerei ist und keine Interessenvertretung. Selbst die Verbraucherzentrale kann letztlich nur an die Justizministerin appellieren, wenn Strafverfahren bis zur Verjährung hinausgezögert werden.
Die Sparkassenführung ist kritikfähig, wenn sie auch in Pressemitteilungen das Gegenteil beweist. Ich frage mich nämlich: Was hat sie in den letzten zehn Jahren bekommen, außer Kritik? Nur müssen auch in der Bank selbst, bis auf den heutigen Präsidenten, die meisten die Kritik unverschuldet ausbaden, so wie die Kleinaktionäre den Verlust der Aktien. Das Kapitel "Sparkasse" ist noch nicht abgeschlossen. Dieses historische "regionale" Vertrauen, das die Bank über Jahrzehnte genossen hat und gut arbeiten ließ, in einer solche schäbigen Art zu missbrauchen und dann wegen Verjährung den Kopf aus der Schlinge zu ziehen, diese Tatsache belastet die derzeitige Bankenführung mehr, als die "Täter und Verantwortlichen". Der Kunde vergisst nicht und missbrauchtes Vertrauen ist schwer zurückzugewinnen. Also wird die Sparkasse zu mehr gefordert sein, als nur jedes Jahr eine Bilanzanalyse, und sei sie noch so euphorisch, der Presse mitzuteilen. Solange der Aktienwert nicht steigt, ist alles warme Luft und nicht mehr.

Ven, 04/09/2021 - 14:28 Collegamento permanente
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Christoph Moar Ven, 04/09/2021 - 18:59

In risposta a di Sebastian Felderer

Lieber Sebastian Felderer, vielen Dank für die Rückmeldung, beinhaltet sie doch inhaltlich Feedback zum Geschäftsmodell und auch Kritik zum Management, die ich beides nicht zu äußern vermag: Weil ich - im Unterschied zu dir - nicht das Geschäft der Bank im Detail kenne.

Insofern bist du natürlich vorbestimmt und prinzipiell informiert genug, an der geschäftlichen Entwicklung des Unternehmens teilzuhaben und - zurecht mit Stolz - auch ein Aktienpaket derselben zu erwerben. So wie ich (auch) in manchen technologischen Unternehmen investiert bin, für die ich wahrscheinlich besser als der Durchschnitt die mittelfristige Tragweite einzuschätzen vermag.

Will sagen: man muss selbstverständlich verstehen, wie das Geschäft des Unternehmens funktioniert, an dem man sich beteiligen möchte, um eine vernünftige Anlageentscheidung zu treffen. Wer das hat - und die Perspektiven des Geschäftsmodells fundiert bewerten kann - darf gerne auch das eine oder das andere der Basisrisiken stärker eingehen.

Wer aber - und das ist die breite Masse - das Geschäftsmodell weder wirklich verstehen noch bewerten kann, sollte mit bleiernen Füßen das Einmaleins des Kleininvestors einhalten und zumindest die Basisrisiken klar benennen können. Eine Investition in einem Geschäftsmodell, dessen Zukunftsperspektiven ich nicht beurteilen kann, und auf einem Markt, der weder effizient noch liquide ist, ist tatsächlich in der spekulativen Klasse für einen breiten Teil der Kleinanleger zu verorten.

Natürlich - sobald dann noch möglicherweise ungünstige oder gar strafbare Handlungen dazukommen sollten (wie du mutmaßt), erkennt man schmerzhaft, wie groß das eingegangene Risiko wirklich war. Ich bedaure sehr, dass so viele Kleinanleger - egal bei welchem unserer regionalen Institute - diese Erfahrung machen mussten.

Ven, 04/09/2021 - 18:59 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Ven, 04/09/2021 - 22:12

In risposta a di Christoph Moar

Da stimme ich dir vollkommen zu Christoph. Nur bist du in deiner Tragweite eher der Investor, im Sinne von Spekulant. Der Großteil der Sparkassenaktionäre sind hingegen Sparer, die in der Aktie, so wie sie von den lokalen Banken angeboten wird, eben ein Sparbuch sehen. Ich übertreibe bewusst gewaltig, weil ich weiß, dass dem so ist. Und so rosig ist auch der Aktienmarkt an der Börse nicht, aber den Vergleich möchte ich eben total vermeiden. Ich schmunzle wegen meiner "Mutmaßung". Die ist leider verjährt, Christoph.

Ven, 04/09/2021 - 22:12 Collegamento permanente
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Christoph Moar Ven, 04/09/2021 - 23:29

In risposta a di Sebastian Felderer

Die "Mutmaßung" ist lediglich eine Absicherung davor, dass ich unvorsichtigerweise Aussagen treffe, die ehrenrührig oder von mir unzureichend belegbar wären. Und gewiss keine Schmälerung deiner Kritik an das Management, worüber ich schlicht nur über zuwenig Kenntnis verfüge.
Wo wir nicht zusammenkommen, ist tatsächlich deine (bewusst übertriebene) Klassifizierung der Sparer und des Investors, den du mit einem Spekulanten verwechselst.
Ein Papier eines Unternehmens, dessen Geschäftsmodell ich nicht verstehe und das auf einem illiquiden Markt gehandelt wird ist für einen Sparer das Gegenteil eines Sparbuchs. Es ist einfach nur toxisch.
Umgekehrt ist ein gewissenhafter Investor das, was im italienischen Rechtssystem als 'buon padre di famiglia' gehandelt wird. Durch besonnenene Investmententscheidungen werden Risiken minimiert oder eingepreist, Unternehmen und gesellschaftliche Entwicklungen unterstützt und Vermögen als Produktionsmittel sinnstiftend eingesetzt.

Spekulanten, bis hin zu den allseits bekannten Heuschrecken, verfolgen völlig andere Strategien - mit denen ein Kleinsparer aufgrund seines Kapital-, Wissen- und Geschwindigkeitsdefizits nur verlieren kann.

Ven, 04/09/2021 - 23:29 Collegamento permanente
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Irene Senfter Sab, 04/10/2021 - 21:23

Danke den beiden Herren Moar und Felderer für den sachlichen und daher sehr lesenswerten "Schlagabtausch". Eine wohltuende Ausnahme heutzutage. NB bin selbst auch Aktionärin, nicht nur klein, sondern kleinst. Hatte das Geld damals aus Neugierde investiert und mit dem klaren Motto: Sollte das in die Hose gehen, nicht hinterherweinen!!!

Sab, 04/10/2021 - 21:23 Collegamento permanente
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Sebastian Felderer Mer, 04/14/2021 - 06:43

In risposta a di Irene Senfter

Dank an Frau Senfter für das Kompliment. Dass man bei Neugierde eher "hinterherweint" liegt in der Natur der Sache. Bei mir war es Überzeugung und deshalb die Enttäuschung umso größer. Aber keine Tränen oder Selbstmitleid, sondern Kampf gegen die Ungerechtigkeit. Ein böser Blick zum Purzi Gagele. Ein Betrieb, der 150 Jahre von 160 felsenfest war, verdient kein solches Fazit. Leider ist die Machtstruktur auch in einer Bank so aufgebaut, dass ein Präsident allein derartigen Schaden anrichten kann, weil alle anderem am Tisch sitzen und mitessen.

Mer, 04/14/2021 - 06:43 Collegamento permanente