Ambiente | Kommentar

Chronik eines angekündigten Todes

Landesrätin Kuenzer beantwortet die Landtagsanfrage der Grünen zur Zerstörung des Lebensraums der Wechselkröten. Artenschutz sieht anders aus.
Wechselkröte
Foto: Stefano Barbacetto

Drei Fragen stellen die Grünen an die Landesregierung. Drei Fragen zum wichtigsten Lebensraum der Wechselkröte in Südtirol, der durch die Verlängerung der Landebahn am Flughafen Bozen zerstört wird:

  1. Wann wird die Landesregierung die Bauarbeiten am Flughafen zum Schutz der Wechselkröte einstellen lassen?
  2. Wird die Landesregierung wegen der offensichtlichen Verletzung der FFH-Richtlinie Selbstanzeige erstatten?
  3. Wie beabsichtigt die Landesregierung, dieses Gesetzesvergehen und diesen Naturfrevel zu sanieren?

 

Die Wechselkröte ist laut den europäischen FFH-Richtlinien – und somit laut Gesetz – eine besonders zu schützende Art, in deren Lebensraum nicht oder nur unter sehr speziellen Bedingungen eingegriffen werden darf. In ihrer Antwort auf die Landtagsanfrage der Grünen betont die zuständige Landesrätin, Maria Hochgrebe Kuenzer, dass

  • das Vorkommen der Wechselkröte auf dem Flughafengelände noch zu prüfen sei
  • die Wechselkröte, aufgrund der Giftstoffe in ihrer Haut nicht oder nur in Ausnahmefällen für andere Tiere zum Verzehr geeignet sei
  • der Ausbau des Flughafengeländes und die damit verbundene Zerstörung des Lebensraumes der Wechselkröte aus Gründen der öffentlichen Sicherheit mit den FFH-Richtlinien vereinbar sei.

Nun wurde das Vorkommen der Wechselkröte rund um das Flughafenareal in Bozen und insbesondere dort, wo die Verlängerung der Landebahn geplant ist, bereits ausführlich dokumentiert. Vor allem der Südtiroler Amphibienverein herpeton weckte in den letzten Wochen das Medieninteresse rund um die seltene Amphibienart und zahlreiche Freiwillige beteiligten sich an Rettungsaktionen, bei denen die Umsiedlung einiger Exemplare in andere Gebiete versucht wurde. Zudem wurde das Vorkommen der Wechselkröte südlich des Bozner Flughafens bereits 2014 an das zuständige Landesamt gemeldet und ist in der Datenbank der Landesverwaltung eingetragen. Der Vorsitzende des Amphibienvereins, Ivan Plasinger, der selbst im Landesamt für Natur und Umwelt zuständig ist, bestätigt, dass die Landesverwaltung über den wichtigen Lebensraum für die Wechselkröte in Südtirol Bescheid weiß.

 

Was die Landesrätin noch weiß: Dass die Haut der Wechselkröte Giftstoffe enthält und deshalb für viele (Vogel-)Arten nicht für den Verzehr geeignet ist. Diese Tatsache, die Hochgrebe Kuenzer in ihrer Antwort hervorhebt, ist jedoch nicht nur der Landesrätin, sondern auch den für die FFH-Richtlinien zuständigen Wissenschaftlern bekannt. Kuenzers Aussage ist für den Schutzstatus der Tiere irrelevant. Aber nicht nur das: Sie drückt zudem eine vermeintliche Sorge für die im Flughafengebiet angesiedelten Vogelarten aus. Eine Sorge, die bereits im nächsten Absatz wieder verneint wird.

Wie Kuenzer erklärt, sei es allein deshalb notwendig, Wasserstellen im Flughafenareal trockenzulegen – und somit den Lebensraum der Wechselkröten und anderen Tier- und Vogelarten zu zerstören –, da ansonsten ein Sicherheitsrisiko bestehe: Wasserstellen locken Vogelarten an, die mit den Flugzeugen kollidieren und so eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnten.

Hier zitiert Kuenzer eine Ausnahmeregelung, die es den Mitgliedsstaaten erlaubt, aus Gründen der öffentlichen Sicherheitsofern es keine anderweitige zufriedenstellende Lösung gibt und unter der Bedingung, dass die Populationen der betroffenen Art in ihrem natürlichen Verbreitungsgebiet trotz der Ausnahmeregelung ohne Beeinträchtigung in einem günstigen Erhaltungszustand verweilen” (FFH-Richtlinien Art. 16) vom Verbot in den Lebensraum der geschützten Tierarten einzugreifen, abzuweichen. Dass aber der Betrieb des Flughafens in einem artenreichen Gebiet – und nicht die dort lebenden Vogelarten – eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit darstellen könnten, scheint die Landesrätin nicht zu kümmern. Dazu kommt, dass das Flughafenareal in einer Hauptroute für Zugvögel liegt und auch ohne Wasserstellen von zahlreichen dort jagenden Vögeln durchquert wird. “Diese Vögel”, so Patrick Egger von der Arbeitsgemeinschaft für Vogelkunde und Vogelschutz, “durchkreuzen das Areal sowieso, mit oder ohne Wasserstellen. Bei den seltenen Vogelarten, die eventuell von den Wasserstellen angezogen würden, handelt es sich vor allem um Wiesenbrüter, die aufgrund ihrer Größe kein Kollisionsrisiko bergen.” Die Arbeitsgemeinschaft habe bereits einige Male versucht, mit den verantwortlichen Landesvertretern über das Vogelschlagrisiko zu sprechen, habe jedoch kein Gehör gefunden.

Für die Landesregierung liegt also keine Verletzung der FFH-Richtlinien vor. Trotzdem betont Kuenzer, “dass sich die Landesregierung bereits mit dem Einvernehmen für die Umsetzung von aufgrund von Natur- und Umweltschutz erforderlichen Ausgleichsmaßnahmen ausgesprochen hat und diese auch weiterhin im Rahmen ihrer Zuständigkeit einfordern wird”. Genau diese Zuständigkeit der Landesregierung wies die Landesrätin aber schon am Beginn ihrer Antwort zurück: Sie liege – wo sonst? – bei den staatlichen Behörden.

 

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Sebastian Felderer Mer, 06/16/2021 - 19:44

Mit Politikern soll man nicht über "Kröten" sprechen. Die bringen dabei auch den Artenschutz völlig durcheinander. Die denken nämlich bei "Kröten" nur an die Euro-Tausenderscheine, die sie auf ihrem Konto stapeln. Zudem verstehen sie unter "Kröten" diese Selbstüberwindung, die sie brauchen, wenn sie was schlucken müssen, was sie gar nicht wollen. Der Artenschutz ist deshalb die Verteidigung des Politikerstatus und der entsprechenden Privilegien. Kein bisschen mehr. Die Kröten am Flugplatz sind Gifttiere und gefährden den Flugverkehr. Die Verlängerung der Landebahn ist deshalb eine willkommene Gelegenheit, diese Gefahr ein für allemal zu verbannen. Und dies sogar unter Beachtung der FFH-Richtlinien. Mich würde wirklich reizen, auch Berater von Frau Kuenzer zu sein. Alle Achtung !!!!

Mer, 06/16/2021 - 19:44 Collegamento permanente