Cronaca | Interview

“Nur Kaffee und Kuchen”

Martha Stocker als Beraterin des Instituts des mutmaßlichen Doppelagenten Klaus L.? Sie sei bei der Nachricht aus allen Wolken gefallen, gesteht die SVP-Politikerin.
Martha Stocker
Foto: Facebook/Martha Stocker

Den Haftbefehl hat das Oberlandesgericht München am Dienstag nicht bestätigt. Dafür sorgt der als mutmaßlicher Doppelagent festgenommene Klaus L. in Südtirol für rauchende Köpfe. Zumindest jener von Martha Stocker tut es.

Der Politologe und langjährige Mitarbeiter der CSU-nahen Hanns-Seidel-Stiftung Klaus Lange wird verdächtigt, neben seiner Tätigkeit für den deutschen Bundesnachrichtendienst BND ab 2010 als Spion für China aktiv gewesen zu sein. “In der Folgezeit bis November 2019 übermittelte der Angeschuldigte dem chinesischen Geheimdienst im Vorfeld oder Nachgang von Staatsbesuchen oder multinationalen Konferenzen sowie zu bestimmten aktuellen Fragestellungen regelmäßig Informationen. Diese beschaffte er vorrangig von seinen zahlreichen, über das Institut gewonnenen hochrangigen politischen Ansprechpartnern”, teilte der Generalbundesanwalt am Dienstag mit. Das Institut, von dem die Rede ist und das als Tarnung für die Spionagetätigkeit gedient haben soll, ist das Institut für Transnationale Studien, das Lange ab 2011 auch vom beschaulichen Gais im Pustertal aus betrieb. Gemeinsam mit seiner Frau, Klara Knapp. Sie ist gebürtig aus dem Pustertal, Englischlehrerin und vermietet Ferienwohnungen. Zugleich wird sie als Expertin für politische Agenden in Südasien präsentiert – mit Schwerpunkt “nicht konventionelle Sicherheitsbedrohungen”.

Am Mittwoch wurde bekannt, dass auch gegen Klara Knapp ermittelt wird. Die deutschen Behörden werfen auch ihr Spionagetätigkeit für China vor. Die habe allerdings nicht Italien gegolten, sondern dem indo-pazifischen Raum, präzisiert Unterstaatssekretär Franco Gabrielli.

La Repubblica wusste am Mittwoch mit einem weiteren hochinteressanten Detail aufzuwarten: Martha Stocker soll im Beirat des Instituts für Transnationale Studien gesessen haben.
Sie sei aus allen Wolken gefallen, als sie davon gehört hat, gesteht die Pusterer SVP-Politikerin und langjährige Landesrätin. Tatsächlich aber wird ihr Name auf der – inzwischen offline genommenen – Webseite des Institutes in der Liste der Mitglieder des Beratergremiums geführt.

salto.bz: Frau Stocker, Sie scheinen als Mitglied des “Advisory Boards” des Instituts für Transnationale Studien auf.

Martha Stocker: Da sind eine ganze Menge bekannter Leute drin (lacht).

Was hat es damit auf sich? Welche Funktion hatten oder haben Sie in der Einrichtung inne?

Ich war ein Mal zu Kaffee und Kuchen eingeladen. Ich kenne die Familie Knapp und war ein Mal bei ihnen zu Besuch. Worüber wir damals gesprochen haben, ist mir nicht erinnerlich. Ich meine mich zu erinnern, dass sich Herr Lange als jemand mit der Hanns-Seidel-Stiftung im Hintergrund präsentiert hat. Aber so genau weiß ich das nicht mehr.

Es könnte sein, dass sie damals auf mich gekommen sind, weil wir 2010 die Uiguren-Sprecherin zu einem Kongress nach Südtirol eingeladen hatten

 

Sie kennen also die Familie der Ehefrau von Klaus Lange?

Klara kenne ich nicht so gut, ihren Bruder hingegen schon. Weil wir zusammen zur Schule gegangen sind. Ich glaube, das war der Konnex, um mich zu fragen, ob ich einmal vorbeikomme.

Ich war ein Mal zu Kaffee und Kuchen eingeladen

Erinnern Sie sich an das Gesprächsthema bei Ihrem Kaffee-und-Kuchen-Besuch?

Nein… Wahrscheinlich haben wir über Gott und die Welt geredet – so wie ich es eben gern mache.

Aber nachdem ich die Nachricht von der Verhaftung und des Spionage-Verdachts mitbekommen habe, habe ich überlegt und versucht, mich zu erinnern. Es könnte sein, dass sie damals auf mich gekommen sind, weil wir 2010 die Sprecherin der chinesischen Uiguren Rebiya Kadeer zu einem Kongress nach Südtirol eingeladen hatten. Da gab es Druck vonseiten der chinesischen Botschaft, sie nicht einzuladen. Davon haben wir uns natürlich nicht beeindrucken lassen.
Ich habe mir gedacht, wenn ein bisschen was von dem stimmt, was man jetzt hört, dann war das vielleicht der Hintergrund – dass sie mich vielleicht deshalb eingeladen haben. Aber ich habe keine Ahnung.

Wer war “wir”?

Ich war ja lange Zeit Vizepräsidentin der FUEV, der Föderalistischen Union Europäischer Volksgruppen (besser bekannt unter dem englischen Kürzel FUEN, Anm.d.Red.). Unser Fokus lag immer auf Minderheiten. Eingeladen haben wir Kadeer damals als Region Trentino-Südtirol – aber eben auch mit dem Hintergrund, dass ich FUEV-Vizepräsidentin war.

Ich keine große Geheimnisträgerin und habe meine Einstellungen immer relativ transparent und klar kommuniziert

In jenen Jahren, von 2009 bis 2011, waren Sie auch Vize-Präsidentin der Region Trentino Südtirol. Als solche wurden Sie auf der Webseite des Instituts für Transnationale Studien präsentiert, wo Sie auf Fotos einer Veranstaltung des Instituts in Bruneck zu sehen sind – mir Klaus Lange.

(überlegt lange) An einen Besuch einer derartigen Veranstaltung kann ich mich beim besten Willen nicht erinnern. Als Vize-Präsidentin der Region hatte ich täglich sieben, acht Termine… Ich erinnere mich schlichtweg nicht.

 

Sie waren also in keinster Weise in die Tätigkeiten des Instituts involviert?

Nein.

Wie erklären Sie es sich dann, dass Ihr Name im Beirat des Instituts aufscheint?

Keine Ahnung… Und ich frage mich auch, wie all die anderen darauf gelandet sind – das scheint ja eine ganz schön lange Liste zu sein. Ich würde aber nie bestreiten wollen, dass es sein könnte, dass ich gefragt worden bin, ob ich Interesse hätte, an Diskussionen teilzunehmen. Ich bin mein Leben lang Diskussionen nie ausgestellt.

Hatten Sie – auch jetzt, im Nachhinein betrachtet – den Verdacht, dass die Personen, mit denen Sie es zu tun hatten, Spione sein könnten?

Nein, absolut, überhaupt nicht. Ich kann nicht helfen, aber Kaffee und Kuchen ist das einzige, was mir bleibt und was ich in Erinnerung habe.

Dass ich mich in so einer Geschichte wiederfinde, wäre mir im Traum nicht eingefallen

Was haben Sie sich gedacht, als Sie mitbekommen haben, dass La Repubblica Ihren Namen in Zusammenhang mit dem Institut gebracht hat?

Zunächst habe ich lachen müssen. Dann habe ich mir gedacht: Wo haben sie denn diesen Blödsinn her?

Wie ist es für Sie zu wissen, dass Sie vor Jahren zumindest flüchtig in Kontakt mit einem mutmaßlichen Doppelagenten waren?

Nicht der Rede Wert. Erstens bin ich keine große Geheimnisträgerin und zweitens habe ich meine Einstellungen immer relativ transparent und klar kommuniziert. Für mich war das heute (gestern, Anm.d.Red.) ein interessantes Aha-Erlebnis, aber mehr nicht. Ich kann zusammenfassend nur sagen: Es war Kaffee und Kuchen.

Dass ich mich in so einer Geschichte wiederfinde, wäre mir im Traum nicht eingefallen.

 

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Factum Est Gio, 07/08/2021 - 10:47

Mir fällt dabei eher die Englischauffrischung ein welche Sie für ihre Auszeit nach dem Ende ihrer politischen Laufbahn angegeben hat. Wie lange war Frau Stocker in Neuseeland und erinnert Sie sich auch dabei nur bruchstückhaft?

Gio, 07/08/2021 - 10:47 Collegamento permanente
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△rtim post Gio, 07/08/2021 - 13:37

Erstmals gilt wahrscheinlich — so wie für jeden anderen Beschuldigten — auch für den Lange die Unschuldsvermutung, insbesondere, da der Haftbefehl vom Oberlandesgericht München am Dienstag nicht bestätigt worden ist.
Gut, dass sich die Stocker nur über Kuchen und Kaffee ausgetauscht hat und nicht über Gesprächsinhalte mit der Sprecherin der chinesischen Uiguren Rebiya Kadeer oder über ihre Kenntnisse, die sie als Vizepräsidentin der FUEN hatte. Wir wissen, wie schnell das ansonsten für jemanden zum Nachteil werden kann. Selbst vermeintlich unbedeutendende Bemerkungen können ja mitunter große Folgen nach sich ziehen und Folter und Tod bedeuten.

Gio, 07/08/2021 - 13:37 Collegamento permanente