Società | Öffentlicher Raum

Zerstörtes Werk, zufriedene Kunst

Ludwig Thalheimer stellt im Bozner Bahnhofspark eine Fotostrecke zur Obdachlosigkeit in Bozen aus. In nur drei Tagen wird das Werk zerstört. Der Fotograf ist zufrieden.
Obdachlos
Foto: Ludwig Thalheimer, Facebook

“Viele glauben mir nicht, wenn ich sage, dass es sich bei den Fotos um Bozen handelt", erklärt Ludwig Thalheimer, "aber genau das war mein Ziel: unsichtbare Realitäten und Personen, wie es sie in Bozen viele gibt, ins Zentrum der Stadt zu holen.” Mit diesen Worten beschreibt der Südtiroler Fotograf die Fotostrecke, die obdachlose Personen in Bozen zeigt und von Montag bis Donnerstag (27. bis 30. September) im Bozner Bahnhofspark zu sehen war. Dann war die Ausstellung – in Fetzen zerrissen und auf dem Boden zertreten – zerstört: In nur drei Nächten wurde die Fotostrecke dreimal heruntergerissen und dreimal wieder aufgehängt. Für den Fotografen ein Zeichen, dass die Bilder den öffentlichen Raum berühren.

 

Überrascht sei er nicht, erklärt Thalheimer, der bereits vor dem Start des Projekts mit starken Reaktionen gerechnet hatte. Dass alles so schnell gehen würde, hatte er trotzdem nicht erwartet.

Erst am Montag hatte Thalheimer die Bilder obdachloser Menschen in Bozen im Bahnhofspark aufgehängt. Genauer gesagt an jenen Zaun, der den Bahnhofspark vom Laurinpark trennt: “Es ist ein neuralgischer Ort”, so Thalheimer, “an dem zwei sehr verschiedene Realitäten aufeinanderprallen. Die Realität in einem Luxushotel und die Realität im Bahnhofspark, die sich am Rande der Gesellschaft befindet.”

Um das Kunstprojekt umzusetzen, hat Thalheimer die Erlaubnis des Hotelbesitzers Franz Staffler erhalten und jene Menschen, die sich im Bahnhofspark der Stadt aufhalten, um Hilfe beim Aufhängen gebeten. “Ich habe mir von ihnen helfen lassen, um eine gewisse Akzeptanz zu erreichen”, so Thalheimer. Gleich am Anfang habe es ein paar kritische Reaktionen gegeben: "Wendet sich diese Aktion gegen uns?" Für Thalheimer war dieser Austausch, dieses Erklären, dass sich das Projekt sich nicht gegen obdachlose Menschen wendet sondern sich ihnen zuwendet, wichtig: "Ich wollte dem unsichtbaren der Stadt Sichtbarkeit geben", so Thalheimer.

 

Kunst gehört in den öffentlichen Raum. Nur dort können Dinge passieren.

 

Als Thalheimer am darauffolgenden Tag in den Bahnhofspark geht, liegen die Bilder am Boden. Jemand hatte sie heruntergerissen. Thalheimer hängt sie mit der Hilfe von zwei Personen im Bahnhofspark wieder auf: “Zwei Nigerianer haben mich so ganz niedergeschlagen vor den Fotos stehen sehen. Da haben sie mir spontan geholfen, die Bilder wieder aufzuhängen”, erzählt Thalheimer. Aber schon in der darauffolgenden Nacht wiederholt sich das Spiel. “Diesmal waren die Bilder nicht nur abgehängt, sondern zudem in große Stücke zerrissen worden. Ich habe sie zusammengetragen und wieder aufgehängt.” Trotz der Zerstörung war dies für Thalheimer ein schöner Moment: “Man konnte die Spuren der Beschädigung und die Reaktion der Menschen auf die Bilder sehen, aber ich hatte die Teile wieder neu zusammengesetzt, wie bei einem Puzzle. Das fand ich schön.”

 

Am Donnerstagmorgen lagen die Plakatteile dann in kleinen Fetzen zerrissen wieder auf dem Boden. Thalheimer hebt die Plakatstücke auf, packt sie ein und geht. Inzwischen weiß der Fotograf, wer die Bilder zerstört hat. Politische Intention steckt keine dahinter, wie Thalheimer erklärt: “Es waren Betrunkene, die mit Unverständnis auf die Bilder reagiert haben. Das ist nicht weiter schlimm”, so Thalheimer. “Auch wenn mein Werk jetzt zerstört wurde, bin ich insgesamt zufrieden mit dem Ergebnis. Kunst gehört nicht in Galerien oder in Museen, sondern in den öffentlichen Raum. Nur dort können Dinge passieren”.