Cultura | Salto Weekend

Die Landesmutter?

Die Journalistin Renate Mumelter hat an einem Buch über Waltraud Gebert Deeg mitgearbeitet. Ein Gespräch über eine Pionierin in der Südtiroler Politik.
Deeg
Foto: edition raetia

salto.bz: "Waltraud Gebert Deeg. Die Landesmutter" nennt sich das Buch, welches sie mit Siglinde Clementi und Karl Tragust vergangene Woche vorgestellt haben. Warum Landesmutter?

Renate Mumelter: Landemutter eigentlich als Gegenpol oder Ergänzung zu Silvius Magnago, dem Landesvater. Dieser hat sie in der Grabrede auch als gütige Landesmutter bezeichnet. Sie war ja auch für einige Zeit die Zweitgewählte nach Magnago. Deshalb Landesmutter.

Gebert Deeg zählte neben Lidia Menapace zu den beiden ersten Frauen im Südtiroler Landtag. Warum fällt Lidia Menapace die Mutterrolle nicht zu?

Lidia Menapace war 1965 zugleich mit Gebert Deeg im Landtag. Menapace war Assessorin für Wirtschaft und Soziales und Gebert Deeg war Vize. Ab 1969 war dann Menapace nicht mehr im Landtag, während Gebert Deeg nach 1969 bis zu ihrem Landtagspräsidentinnen-Mandat 1984 ständig im Landtag war. Insofern war Menapace eine Sternschnuppe.

 

Sie haben lange und mühsam recherchiert. Warum gibt es nur wenige Aufzeichnungen zum politischen Wirken der Waltraud Gebert Deeg?

Sie bekam einfach nicht so viel Beachtung wie die Männer. Das fängt schon bei den Medien an. Das einzige Leitmedium war die Dolomiten. Zudem war es auch eine Zeit, in der es hauptsächlich um Autonomie- oder Paketfragen gegangen ist. Gebert Deeg hatte ein Ressort, das ja im heutigen politischen Leben immer noch von geringerem Interesse ist – Soziales und Gesundheit sind unter ferner liefen. 

Anscheinend durften Frauen immer morgens ab 7.30 Uhr bei Gebert Deeg anrufen und sich beraten lassen. 

Wie hat sie Familie und Beruf unter einen Hut gebracht?

Das war eine große Herausforderung und hat sie sicherlich sehr zerrissen. Sie musste einen riesen Spagat machen, zwischen Familie und Beruf, weil das ja zudem alles nicht wirklich gesellschaftlich akzeptiert war.

Warum hat sie dennoch Politik machen wollen?

Es war ihre Leidenschaft für dieses Thema und diese zutiefst katholisch begründete Überzeugung, dass Menschen in Not geholfen werden muss. Hinzu kommt ein bestimmtes Engagement für Südtirol und ganz viel Biss. Sie hatte bereits als junge Frau ihre Eltern verloren und musste sich um ihre minderjährigen Geschwister kümmern. Es war in ihrem Leben durchaus so, dass sie immer auf die anderen schaute und ihre persönlichen Interessen in den Hintergrund stellte.

 

Und der Feminismus?

Sie hätte sich nie als Feministin bezeichnet, aber sie hat sich durchaus für Frauenthemen und für Interessen von Frauen eingesetzt, solange diese natürlich mit dem katholischen Weltbild übereinstimmten. Beim Thema Abtreibung hat sie sich klarerweise nicht geäußert. Dennoch war sie auch durchaus „feministisch“ unterwegs, hatte immer wieder Berührungspunkte mit der Frauenrechtlerin und Politikerin Andreina Emeri, die politisch beispielsweise in einem ganz anderen Lager angesiedelt war. Es gibt auch Landtagsprotokolle, die belegen, dass beide durchaus gemeinsame Anliegen vertraten. Dazusagen muss man natürlich, dass Waltraud Gebert Deeg immer wieder wahninnige Gratwanderungen machen musste, auf dem politischen Parkett, innerhalb der Männerriege in der SVP. 

Wie hat sie Frauen gefördert? Und in die Politik befördert?

Die Politikerin Rosa Franzelin erzählte, dass sie über Gebert Deeg in die Politik kam und dass Gebert Deeg eine entscheidende Rolle spielte, da sie selbst über den KVW (Katolischer Verwand der Werktätigen) zur Politik kam und später auch Frauen für Gemeindeämter über den KVW rekrutierte. Anscheinend durften Frauen immer morgens ab 7.30 Uhr bei Gebert Deeg anrufen und sich beraten lassen. 

 

Sie haben das Buch als Trio herausgegeben. Wie war die Rollenaufteilung?

Meine Zuständigkeit war der biografische Teil. Die Zuständigkeit von Siglinde Clementi als Historikerin war der frauengeschichtliche Teil. Ein weiterer Teil wurde vom Fachmann in Gesundheits- und Sachpolitik Karl Targust bearbeitet. Er schildert im Buch erstmalig die Entwicklung der Gesundheits- und Sozialpolitik in Südtirol.

 

Politische Niederlagen?

1984 wurde Gebert Deeg nicht mehr so prominent gewählt. Sie wurde dann "nur" mehr Landtagspräsidentin. Das war für sie schwer zu verkraften. 

Welche Rolle spielte die Tochter der Landesmutter bei der Erstellung des Buches?

Die Tochter hat sehr viel Material bereitgestellt, das war für den von mir abgehandelten biografischen Teil sehr wichtig. Sie hat das Buch auch bereits gesehen und soviel ich weiß, ist sie sehr zufrieden.

 

Bild
Profile picture for user Sebastian Felderer
Sebastian Felderer Sab, 10/09/2021 - 20:32

Ja, Hut ab vor dieser Frau und Politikerin.
Man sagt: "Der Apfel fällt nicht weit vom Stamm".
Da muss der "Baum Gebert Deeg" einen sehr langen Ast gehabt haben, denn ich kenne einen Apfel, der von diesem Stamm schon wirklich keinen Saft abbekommen hat.

Sab, 10/09/2021 - 20:32 Collegamento permanente