Politica | Interview

“Ich habe nicht im Lotto gewonnen”

Dario Dal Medico ist der neue Bürgermeister von Meran. Seine Freude ertränkt er im Verantwortungsgefühl: "Morgen schon werden wir mit der Arbeit beginnen."
Elezioni Merano Vale
Foto: Valentino Liberto / salto.bz

Knappe zwei Stunden warten die beiden Bürgermeisterkandidaten Dario Dal Medico und Paul Rösch auf das Ergebnis der Stichwahl in Meran. Dann steht plötzlich nur noch eine einzige Wahlsektion für das endgültige Ergebnis aus. Alle paar Sekunden werden die Auszählungsergebnisse aktualisiert. Dal Medico liegt vorne, kaum mehr als einen Finger breit.

Ungeduld und Spannung spiegeln sich abwechselnd auf den Gesichtern der Kandidaten, wie sie – nervös scherzend – von einer Meute fiebrig eifernder Journalisten regelrecht an die Wand gedrängt werden. Jede Reaktion wird eingefangen, jeder Schweißtropfen, der sich bildet, registriert. Dann, um 22.58 Uhr, steht das Ergebnis fest: Dario dal Medico, der Anwalt und Bürgermeisterkandidat der "Alleanza per Merano”, ist mit einem Vorsprung von nur 96 Stimmen der neue Bürgermeister der Stadt Meran.

Ungläubig, ernst, reaktionslos schüttelt er Paul Rösch die Hand, der selbst ein enttäuschtes Lächeln auf die Lippen zwingt und den Handschlag erwidert.

Salto.bz hat die erste Reaktion des neuen Meraner Bürgermeisters im Interview eingefangen.

 

Salto.bz: Dario Dal Medico, nach rund zwei Stunden steht es fest: Sie sind der neue Bürgermeister von Meran. Ihr erster Blick auf das Ergebnis wirkt ungläubig, Reaktion haben Sie keine gezeigt. Was war Ihr erster Gedanke?

Dario Dal Medico: Ich habe nicht im Lotto gewonnen. Ich habe keine 20 Millionen gewonnen, wo es vielleicht normal wäre wie wild im Raum umherzuspringen. Ich habe eine große Verantwortung gewonnen und sehr viel Arbeit. Das erste, was ich gedacht habe, war: Gut, morgen fangen wir an zu arbeiten. Wir machen Ernst, wir haben genug geredet.

Haben Sie mit dem Ergebnis gerechnet?

Ich habe mir gar nichts erwartet. Wie wir es letztes Jahr gesehen haben, hätte ich bei der Auszählung der letzten Wahlsektion noch überholt werden können. Ich habe aber gelassen auf die Auszählung der Urnen gewartet. Gelassen, weil wir unser Bestes gegeben haben.

 

Ich habe eine große Verantwortung gewonnen und sehr viel Arbeit.

 

Letztes Jahr haben Sie die Stichwahl um nur 37 Stimmen verloren, dieses Mal haben Sie 96 Stimmen mehr auf Ihre Seite ziehen können. Was war dieses Mal anders?

Ich habe in diesem letzten Monat die Chance gehabt, mich auch unter den deutschsprachigen Wählern bekannt zu machen. Während der vielen Interviews und Debatten mit Paul Rösch haben auch die deutschsprachigen Wähler verstanden, dass ich für Meran hier bin und nicht nur für eine Sprachgruppe.

Apropos Sprachgruppen. Aufgrund der momentanen Zusammensetzung des Gemeinderats muss auch der Stadtrat ein ausgeglichenes Verhältnis zwischen den beiden Sprachgruppen vorweisen: als italienischer Bürgermeister können Sie noch zwei italienische und drei deutsche Posten vergeben. Kein leichtes Unterfangen.

Das sehe ich nicht so. Wir werden abwarten, wer unser Gesprächs- und Koalitionspartner sein wird. Wir werden zuerst über Inhalte und dann über die Postenvergabe sprechen.

Der Gesprächspartner scheint mit der SVP und Katharina Zeller bereits festzustehen.

Zuerst werden wir mit den Liste Civiche sprechen. Mit ihnen werden wir diese Woche organisieren müssen. Und dann werden wir sehen.

Sie haben bereits im Vorfeld ausgeschlossen, dass die SVP drei Mandate – also gleich viele wie ihr eigenes Bündnis – erhalten wird. Wer könnte für das dritte deutschsprachige Mandat infrage kommen?

Hier Spekulationen aufzustellen ist noch zu früh. Das Gewicht der jeweiligen politischen Kraft im Gemeinderat wird auf jeden Fall respektiert werden müssen.

 

Ich sehe eine große Koalition als allerletzten Weg

 

Schließt das auch die Möglichkeit einer großen Koalition mit den Grünen ein? 

Eine große, aufgehäufte Gruppe würde ein Problem für die Opposition schaffen und wäre politisch nicht einschneidend genug. Das wäre zu verwickelt. Ich sehe eine große Koalition als allerletzten Weg. Ich ziehe eine agilere Koalition vor.

Beim letzten Mal endeten die Verhandlungen in einer kommissarischen Verwaltung. Und dieses Mal?*

Es wird auf keinen Fall nochmals dazu kommen. Das können wir uns nicht leisten und das sind wir uns auch alle bewusst.

Was nehmen Sie sich nach dem heutigen Abend als Erstes vor?

Schlafen gehen. Und morgen früh mit dem Gedanken an die zu vollbringende Arbeit aufwachen.

Und für die nächsten – sagen wir – zwei Monate?

Das werden wir mit den Liste Civiche absprechen. Diese haben bereits ein Programm für die ersten 100 Tage ausgearbeitet, das auch präsentiert worden ist. Nun werden wir es mit den Koalitionspartnern diskutieren und überarbeiten müssen.

 

*Eine kommissarische Verwaltung ist auch rein rechtlich kein zweites Mal vorgesehen.