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St. Florian & die Schotterheiligen

Weil man befürchtet, dass die Genehmigung für die Schottergrube St. Florian bis 2030 verlängern wird, laufen die Anrainer und die Opposition jetzt dagegen Sturm.
Schottergrube St. Florian
Foto: Salto.bz
Peter Kasal formuliert es elegant. „Immer wieder kommen hohe Landespolitiker zu Kulturveranstaltungen ins sogenannte Klösterle, deshalb dürfte ihnen die Problematik aus der eigenen Anschauung bekannt sein“, sagt der Gemeinderat der oppositionellen Liste „Bündnis Neumarkt“. Kasal ist zusammen mit seinen fünf Fraktionskolleginnen und - kollegen Mitunterzeichner eines Schreibens, das besorgte Anwohner der Schottergrube St. Florian und einige Laager Bürger verfasst haben. Der Appell wurde am Montagabend an Landeshauptmann Arno Kompatscher, Wirtschaftslandesrat und SVP-Obmann Philipp Achammer, an alle Mitglieder der Landesregierung und des Südtiroler Landtages verschickt. Unter dem Titel „Stop Cava“ wird in dem Schreiben eine besondere Geschichte zusammengefasst.
 

Die Schottergrube

 
Der Unterlandler Bauunternehmer Umberto Dellai gründet 1959 die „San Floriano Srl“. 1978 beginnt das Unternehmen mit dem Kauf einer Anlage zur Produktion von Schottermaterial mit seinen ersten Steinbruchaktivitäten. Im September 2004 erhält die Firma vom Land eine Genehmigung zur Eröffnung der Schottergrube gleich hinter dem historischen Ansitz „Klösterle“ in der Neumarkter Fraktion Laag. Die Schottergrube liegt mitten im landwirtschaftlichen Grün und direkt an der Grenze zum Naturpark Trudner Horn.
Laut Landesgesetz ist eine solche Abbaugenehmigung zeitlich begrenzt und gilt für maximal 10 Jahre. Damit würde die Genehmigung für die Laager Schottergrube im September 2014 auflaufen. Doch im Gesetz steht ein Ausnahmepassus. „Auf begründeten Antrag kann der zuständige Landesrat die Verlängerung um höchstens acht Jahre genehmigen“.
Genau passiert im Sommer 2014. Landeshauptmann Arno Kompatscher, damals als Wirtschaftslandesrat für die Abbaugenehmigungen zuständig, erachtet den Antrag der San Floriano Srl als begründet und Abteilungsdirektor Hansi Felder verlängert per Dekret die Abbaukonzession für weitere acht Jahre bis zum 7. September 2022. Es sollte das endgültige Verfallsdatum sein. Zu diesem Zeitpunkt muss die Schottergrube geschlossen und das Gelände renaturiert werden.
 
 
 
Die Konzessionsverlängerung ist dabei gut getimt. Denn keine vier Monate später wechselt die Schottergrube den Besitzer. Im Dezember 2014 übernimmt die Deutschnofner Firma Reggelbergbau die San Floriano Srl. Das gutgehende Bauunternehmen betreibt bereits zwei Schottergruben in Deutschnofen und Aldein.
Dass die neuen Besitzer größere Pläne haben, wird zwei Jahre späteter deutlich.
 

500 Unterschriften

 
Im September 2016 befürwortet der Neumarkter Gemeindeausschuss per Beschluss die Umwandlung des Großteils der Schottergrube in „eine Gewerbezone mit möglichen anderen Produktionstätigkeiten“. Die Anrainer, die bereits seit Jahren über die Geräusch-  und Verkehrsbelästigung klagen, gehen auf die Barrikaden.
Es ist der inzwischen verstorbene Neumarker Gemeinderat Franz Simeoni, der mit einer Unterschriftenaktion letztlich dieses von der Neumarkter SVP abgesegnete Vorhaben zu Fall bringt. Über 500 Neumarkterinnen und Neumarkter unterzeichnen im Dezember 2018 eine Bürgerpetition in der an die Gemeinde appelliert wird, „keine Anträge zu genehmigen oder gar eigene Maßnahmen zu setzen, die es verhindern würden, dass die Abbau- und Verarbeitungstätigkeit auf dem Gelände der San Floriano Srl am 7.9.2022 definitiv und endgültig eingestellt wird.
 
 
Damit ist die geplante Umwandlung in eine Gewerbezone vorerst gestorben.
Drei Jahre später gerät die Schottergrube erneut in die Schlagzeilen.
Im September 2019 machen Franz Simeoni und Peter Kasal eine Anzeige bei der Staatsanwaltschaft in Bozen. Der Kern der Eingabe: Die Schottergrube wurde so ausgeweitet, dass sie inzwischen im Naturpark Trudner Horn liegt. Was ein strafbares Vergehen wäre.
Die Forstbehörde bestätigt, nach genauen Messungen diesen Umstand, erklärt aber im Abschlussbericht, dass die Firma dabei nicht vorsätzlich oder in böser Absicht gehandelt hätte.
Tatsache aber ist, dass der „angebliche Fehler“ bis heute nicht behoben wurde. Und aus rechtlicher Sicht deshalb eine Verlängerung der Konzession auf jeden Fall äußerst fraglich ist.
 

Die Anlassgesetzgebung

 
Das Unternehmen Reggelbergbau dürfte aber nicht nur auf den heiligen Florian zählen können, sondern eine ganze Reihe von weiteren Heiligen im (Polit)Himmel haben. Das zeigt die weitere Entwicklung.
Der Zufall will es, dass bei den Aushubarbeiten in der Schottergrube St. Florian 2017 plötzlich „sensationelle archäologische Funde“ gemacht werden. Die Landesregierung stellt einen Teil des Areals unter Schutz und 2018 beginnen die Ausgrabungen. Das Amt für Bodendenkmäler wird mit der Ausgrabung der Fundstelle beauftragt.
Das Unternehmen Reggelbergbau dürfte aber nicht nur auf den heiligen Florian zählen können, sondern eine ganze Reihe von weiteren Heiligen im (Polit)Himmel haben.
Am 24. April 2018 stellt die San Floriano Srl ein Ansuchen an die zuständigen Landesbehörden, um die Konzession über den September 2022 zu verlängern. Die Begründung: Durch die Ausgrabungsarbeiten sei das Unternehmen in seiner Arbeit eingeschränkt. Deshalb verlange man als Entschädigung eine Verlängerung der Abbaukonzession.
Die Anwohner konnten feststellen, dass die Arbeiten im Schotterwerk auch nach der Entdeckung der Funde unverändert weitergeführt worden sind“, heißt es jetzt im Protestschreiben der Anwohner. Für sei wurden „die archäologischen Funde im Bereich des Areals herangezogen, um eine Verlängerung der Konzession zu rechtfertigen.
Doch das Problem dabei: Gesetzlich ist eine weitere Verlängerung nach 18 Jahren Konzessionsdauer eigentlich nicht mehr möglich. Aber auch hier hat man eine schnelle und einfache Lösung parat. Man nennt es: Südtiroler Anlass-Gesetzgebung.
 
 
 
Das Landesgesetz 2013/7 „Bestimmungen über Steinbrüche, Gruben und Torfstiche“ wird mit dem Ominibusgesetz im Juli 2018 durch einen unscheinbaren und kaum verständlichen Satz ergänzt. „Liegen besondere Gründe von öffentlichem Interesse zum Schutz von verfassungsrechtlich geschützten Gütern vor, dann kann die Genehmigung um höchstens 16 Jahre verlängert werden“.
Es ist eine Gesetzesänderung die auf St. Florian maßgeschneidert ist. Die „verfassungsrechtlich geschützten Güter“ sind die archäologischen Funde und die Bestimmung ist der Freibrief, die Konzession für das Deutschnofner Unternehmen bis zum September 2030 zu verlängern.
 

Angst vor BBT

 
Im Schreiben der Anrainer an die Landesregierung heißt es jetzt: „Die Meldungen der letzten Zeit haben die Hoffnung auf eine termingerechte Schließung des Werkes getrübt. Landesrat Achammer soll der Bürgermeisterin Karin Jost mitgeteilt haben, dass es wohl eine Verlängerung der Konzession geben wird. Dies war so den Medien zu entnehmen“. Gemeint sind Artikel im Alto Adige und in den Dolomiten.
Im August 2021 hat der PD-Landtagsabgeordnete Sandro Repetto eine Anfrage im Landtag zur Laager Schottergrube eingereicht. In seiner Antwort verweist Wirtschaftslandesrat Philipp Achammer auf die Gesetzesänderung von 2018. Und schreibt:
 
La durata dei lavori di scavo della necropoli purtroppo non è prevedibile ad ora, poiché dipende dai reperti archeologici presenti nei vari strati del terreno. L'Amministrazione provinciale è in continuo contatto con l'Amministrazione comunale di Egna. Si cerca di trovare una soluzione che possa conciliare i diversi interessi coinvolti.“
 
 
In Neumarkt traut man diese Sicht der Dinge aber nicht, sondern man vermutet eine neue Bestimmung für das bereits problematische Schotterwerk. So heißt es im Brief der Anwohner:
 
„Das Schotterwerk ist bereits im derzeitigen Stadium eine hohe Belastung für die Menschen in Laag, ein weiterer Betrieb würde die Situation noch verschärfen und zudem ist es offensichtlich, dass sich die Eigentümer des Areals, zusätzlich zum Schotterabbau, ein künftiges Baustellenareal für die Zulaufstrecken des Brennerbasistunnels sichern wollen. Dies ist abzulehnen, da eine derartige Großbaustelle in Laag für Jahrzehnte einen Verlust der Lebensqualität und eine massive Entwertung der Immobilien zur Folge hätte.“
 
Dem Schreiben legen die Unterzeichner drei Forderungen deshalb an die Landesregierung bei:
 
  • Die Konzession nicht weiter zu verlängern und die Laager Bevölkerung keiner weiteren Belastung durch Schotterabbau und Schotterverarbeitung auszusetzen;
  • Insbesondere keine Baustelleneinrichtung für die Zulaufstrecken des BBT im Bereich des Schotterwerkes Laag vorzusehen;
  • Eine transparente Vorgangsweise gegenüber der Bevölkerung an den Tag zu legen, sowohl was das Schotterwerk betrifft wie auch künftige Großbaustellen für den BBT im Unterland.
Es wird sich zeigen, ob die Landespolitik diese Bedenken ernst nimmt.
Oder ob wie bisher der Schotter wichtiger ist.