Gesellschaft | Interview

“Nicht wieder fünf Jahre Streit”

Altlandeshauptman Luis Durnwalder über das ursprüngliche Desinteresse an Ötzi, den Stillstand in Bozen, die Aufwertung des Virgl und sein Ja zu Benko.
Luis Durnwalder
Foto: Othmar Seehauser

Er nahm Ötzi 1998 in Empfang, als die sieben Jahre zuvor am Hauslabjoch gefundene Gletschermumie von Innsbruck ins Bozner Archäologiemuseum überstellt wurde. Er war es, der 13 Jahre später anmahnte, für Ötzi eine größere Unterkunft zu finden – denn die Besucherstrom wollte nicht abreißen. “Grundsätzlich müssen wir froh sein, dass wir den Ötzi haben. Der Standort allerdings ist zwar schön und würdevoll, aber zu klein”, wiederholt Luis Durnwalder heute. Der Altlandeshauptmann erinnert sich an das anfängliche Bozner Desinteresse am Mann aus dem Eis, äußert sich zur möglichen Verlegung der Mumie samt Museum auf den Virgl – “es wäre eine Aufwertung auch für die Stadt” – und meint: Lasst René Benko machen!

salto.bz: Herr Durnwalder, über fünf Millionen Besucher in 20 Jahren, zuletzt ein Rekord von knapp 300.000 Eintritten im Jahr 2018 – Sie wissen schon länger um die Platznot im Ötzi-Museum?

Luis Durnwalder: Wir als Land haben schon vor Jahren Gespräche geführt, um die Sparkassenstraße zu unterführen und oberirdisch neue Räumlichkeiten für das Ötzi- und das Stadtmuseum zu schaffen. Nun, Tatsache ist, dass der Ötzi heute sicher schön untergebracht ist, aber eben zu klein. Wie man sieht, hält die Nachfrage an – da kann man ohne weiteres darüber nachdenken, wie man die bestehende Fläche erweitern und auch ergänzen kann.

Ötzi sollte also in der Museumsstraße bleiben?

Wir haben damals das Gebäude der alten Österreichischen Nationalbank angekauft, es umgebaut und ihn dort untergebracht. Ich glaube, die Leute waren im Großen und Ganzen zufrieden. Wenn man den Ötzi jetzt anderswo hintun will, dann muss man erst einmal schauen, wie sich die Nachfrage entwickelt. Wird sie weiter anziehen? Bleibt sie stabil? Wenn sie stabil bleibt, dann bin ich der Meinung, dass man mit entsprechenden Umbauten und Anpassungen mit dem Heutigen auskommen könnte. Falls nicht, gibt es verschiedene Möglichkeiten, sei es Tosolini, sei es Athesia, sei es Virgl.

Was halten Sie von einer möglichen Verlegung auf den Virgl?

Die Idee vom Virgl ist sicher etwas Neues. Fest steht: Der Virgl muss aufgewertet werden. Denn so, wie es heute dort oben aussieht, ist er keine Naherholungszone – und auch keine gute Visitenkarte für Bozen. Wenn eine Attraktion wie Ötzi auf den Virgl käme, wäre das, verbunden mit der richtigen Aufstiegsanlage und Parkmöglichkeiten herunten, für Bozen sicher eine große Aufwertung. Und wenn man den angekündigten Architekten tatsächlich verpflichten kann, wäre das Gebäude selbst schon eine Attraktion, die Besucher anlockt.

Ich muss ehrlich sagen, die Unterstützung in Bozen war nicht exzellent, zuerst gab es eher nur Schwierigkeiten

Erinnern Sie sich, wie schwierig es war, in den 1990er Jahren eine Unterkunft für Ötzi zu finden?

Wie Sie wissen, habe ich alles mitgemacht, vom Anfang der 90er Jahre an bis zuletzt. Zu Beginn habe ich die Bozner fast überzeugen müssen, damit sie überhaupt ein Interesse am Ötzi entwickeln.

Tatsächlich?

Zunächst einmal waren wir froh, dass Ötzi eigentlich den Südtirolern gehört. Es hat sich ja erst durch die Nachmessung herausgestellt, dass er auf unserem Teil des Hauslabjochs gefunden wurde. Anfangs hatte es so ausgesehen als wäre er auf österreichischer Seite gefunden worden, deshalb haben ihn die Österreicher nach Innsbruck abtransportiert. Zunächst hat man auch die Bedeutung des Fundes nicht erkannt, das kam erst später.

Sieben Jahre blieb Ötzi in Innsbruck – während auf der anderen Seite des Brenners die Herbergsuche des Landes auf Hochtouren lief. Wie kam es, dass er in Bozen landete?

Ich muss ehrlich sagen, die Unterstützung in Bozen war nicht exzellent. Zuerst wurde – ich weiß nicht, warum – weder vonseiten der Gemeinde noch der Fremdenverkehrskreise, aber auch nicht der Handelskreise ein nennenswerter Druck auf uns ausgeübt. Noch haben sie weiß Gott wie kollaborativ mitgearbeitet. Daraufhin haben wir uns weiter umgeschaut. Soll der Ötzi nach Schnals? Ins Schloss Velthurns, das damals ans Land übergegangen war? Ins Schloss Maretsch? Nach Trautmannsdorff? Wir haben überall versucht, Lösungen zu finden. Wobei mir Bozen natürlich immer am liebsten war. Deshalb haben wir schließlich auch das Nationalbankgebäude gekauft. Aber anfangs war der Druck aus Bozen gar nicht groß. Und auch vonseiten anderer offizieller Stellen nicht. Die Kirche verlangte sogar, wir sollten den Ötzi pietätsmäßig begraben und nicht zur Schau stellen. Zuerst gab es also eher nur Schwierigkeiten.

Ich bin nicht von irgendjemandem in irgendeiner Weise beauftragt worden, für jemanden zu sprechen

Nun sind es just die Wirtschafts- und Tourismustreibenden der Altstadt, aber auch Teile der Stadtpolitik, die Ötzi nicht mehr ziehen lassen wollen – und schon gar nicht auf den Virgl. Woher der Sinneswandel?

Erst als das Interesse der ganzen Welt eingesetzt hat und in der internationalen Presse tausende Artikel erschienen sind, hat das Umdenken begonnen. Obwohl man anfangs immer noch gesagt hat, das ist ein Strohfeuer. Sobald man aber gesehen hat, dass 200.000, 250.000 Besucher im Jahr kommen – und das stabil über die Jahre – dann erst war das Interesse da. Viele kamen extra wegen Ötzi nach Bozen und gingen natürlich auch durch das Stadtzentrum. Dass das für die Stadt ein Vorteil war, ist nicht zu leugnen. Deswegen, auf einmal hatte man Interesse. Jetzt gibt es in der Stadt wieder manche, die sagen, Ötzi soll auf den Virgl hinauf und andere, die sagen, er soll herunten bleiben. Ein Teil sagt Tosolini, der andere Teil sagt Athesia. Es gibt eine Menge Meinungen – und es muss entschieden werden.

Haben Sie eine Präferenz?

Ötzi soll Bozen eine Aufwertung bringen. Jetzt geht es nur darum, festzustellen, wo er der Stadt diese Aufwertung bringt. In der heutigen Form? Oder bringt er dieselbe, wenn nicht sogar eine größere Aufwertung, wenn er auf dem Virgl oben ist? Oder eventuell im Athesia-oder im Tosolini-Haus? Oder irgendwo gemeinsam mit anderen Museen untergebracht?

Sie werden sich sicherlich eine Meinung gebildet haben?

Ich persönlich bin der Meinung, es muss langsam eine Entscheidung getroffen werden. Ich erachte die Entscheidung für den Virgl als sehr gut, wenn sie auch nicht die einzige ist. Aber für mich ist das eine gute Entscheidung.

In dieser Zone der Stadt muss man froh sein, wenn ein Auswärtiger irgendetwas investiert. Denn die ist keine Visitenkarte für Bozen

Warum?

Dort hätten wir die Garantie, dass beizeiten etwas entsteht, weil dort auch Private mit dabei sind. Ansonsten habe ich Angst, dass wieder x-Mal angekündigt, aber nichts gemacht wird. Und das ist das Schlechteste. Die Bozner müssen eben zur Kenntnis nehmen, dass ein ausgebauter, valorisierter Virgl auch für die Stadt Bozen etwas Großartiges ist. Man hat dieses Kapital bis jetzt nie genutzt. Wenn Sie heute auf den Virgl hinaufgehen – das ist ja eine Katastrophe! Das ist kein Erholungsgebiet. Ein solches aber braucht Bozen, nicht nur die Obstwiesen im Überetsch und die Weinberge in St. Magdalena. Und auf dem Virgl oben, da kann etwas gemacht werden! Insofern betrachte ich das als eine sehr gute Lösung.

Aber Sie sagen selbst: es nicht die einzige. Und Landeshauptmann Arno Kompatscher will sich – vorerst zumindest – noch alle Türen offen halten.

Es muss eine Entscheidung getroffen werden. Und ganz egal, wie sie ausfällt –  es ist immer eine Entscheidung für Ötzi, eine Entscheidung für Bozen. Sollte man der Meinung sein – und da soll die Bevölkerung auch mitentscheiden –, dass Ötzi besser in Bozen bleibt, dann muss man aber jetzt nicht wieder fünf Jahre streiten. Sondern dann muss man das rasch einmal umsetzen.

Fünf Jahre – so wie beim Kaufhausprojekt von René Benko, für das Sie damals auch Stellung bezogen haben?

Zunächst möchte ich eines klarstellen: Ich ziehe weder irgendeinen Vorteil noch bin ich von irgendjemandem in irgendeiner Weise beauftragt worden, für jemanden zu sprechen – aber Sie wissen ganz genau, dass ich immer ein großer Befürworter der Investition von Benko in Bozen war.

Die Bozner müssen eben zur Kenntnis nehmen, dass ein ausgebauter, valorisierter Virgl auch für die Stadt Bozen etwas Großartiges ist

Weshalb? Teilen Sie die Bedenken, dass mit Benko ein österreichischer Investor mit dem Waltherpark und dem geplanten Virglprojekt das Stadtbild von Bozen nachhaltig verändern könnte?

In dieser Zone in Bozen kann es nur durch Investitionen von 400, 500 Millionen Euro eine große Aufwertung des Stadtteils geben. Und hätte man ihn doch endlich auch einmal eine Unterführung am Bahnhof machen lassen! So ein Rondell wie das am Bozner Bahnhof, wo Tag für Tag abertausende Autos vorbeifahren und zigtausende Menschen die Straße überqueren, finden Sie nur noch in Ruanda. Wir hätten uns damals angeboten, als Land, als wir dort die Landhäuser gebaut haben, kostenlos eine Unterführung zu errichten. Nein, das muss die Gemeinde machen, hieß es damals. Bis heute ist sie nicht gemacht worden. Und jetzt wurde es scheinbar schon wieder verhindert.

Bozen sollte froh um Benko sein, der den Stillstand beendet?

Ja seien wir doch froh, wenn heute einer 500 Millionen investiert, einen Stadtteil aufwertet, die Verkehrsprobleme verbessert. Ich bin hundertprozentig dafür, wenn jemand kommt und dafür sorgt, dass etwas geschieht. Und in Bozen ist es allerhöchste Zeit, dass etwas geschieht. In dieser Zone der Stadt muss man froh sein, wenn ein Auswärtiger irgendetwas investiert. wir brauchen dort etwas. Denn die ist keine Visitenkarte für Bozen. Bozen ist viel schöner als heute dieses Viertel.
Und für mich ist der heutige Bürgermeister (Renzo Caramaschi, Anm.d.Red.) der beste Bürgermeister nach Salghetti. Er tut wenigstens etwas. Ansonsten gab es immer nur die Streitereien unter den Parteien. Und so ein Bürgermeister ist, glaube ich, für eine Zusammenarbeit mit dieser Investition schon zu haben. Denn mit dem Bausteinprinzip, auf das man in Bozen gesetzt hat – ein Unternehmer hat sich hier einmal gemeldet, einer dort und sobald es darauf angekommen ist, war nichts mehr – geht nichts weiter.

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Salto User
Manfred Gasser Do., 21.03.2019 - 20:07

Antwort auf von alfred frei

Das traurige Wahrheit ist doch, dass, ohne Benko, die Gegend rund um den Bahnhof in 5 Jahren immer noch ein Platz zum fremdschämen wäre. Und wenn die Südtiroler Wirtschaft nicht gewillt ist, oder es nicht schafft, diese Menge an Euros zu investieren, seien wir doch froh, dass es einen Benko gibt, der hier investiert.

Do., 21.03.2019 - 20:07 Permalink