Umwelt | Wasser

Verwässerte Vorfahrt

Der Bauernbund mobilisiert gegen den Gewässerschutzplan. Weil die Landesregierung nicht vorab die Wünsche der Bauern berücksichtigt hat, sagen Umweltschützer und Fischer.
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Foto: Umweltagentur
Siegfried Rinner ist für markige Sprüche bekannt. Der Direktor des Südtiroler Bauernbundes hat vor zwei Tagen den Dolomiten einen denkwürdigen Satz gesagt: „Bislang hat mit uns aber keiner geredet. Wir haben den Plan im Internet das erste Mal gesehen. Schlimmer kann es bei Putin auch nicht sein“.
Man muss sich diese Aussage auf der Zunge zergehen lassen.
Der Direktor eines der größten und mächtigsten Verbände des Landes vergleicht ernsthaft das Demokratieverständnis der Südtiroler Landesregierung mit dem autoritärem System Vladimir Putins in Russland und kommt anscheinend zum Schluss, dass es keine großen Unterschiede gebe.
Schaut man sich den Anlass für diese Aussage an, so wird einmal mehr deutlich mit welchem Selbstverständnis und Arroganz die Lobbyorganisation der Bauern es gewohnt ist, Südtirols Politik und Politikern bindende Vorgaben zu machen.
 

17 Jahre Verspätung

 
Vor genau 20 Jahren hat die EU mit der Wasserrahmenrichtlinie den Schutz und zukunftsfähige Nutzung der Ressource Wasser festgelegt. Dabei sind zwei zentrale Zielsetzungen festgelegt worden: Innerhalb einer bestimmten Frist müssen alle Flüsse, Seen und Grundwasserkörper einen zumindest guten Zustand in chemischer und ökologischer Hinsicht aufweisen (Verbesserungsgebot) und die Gewässergüte darf sich über die Zeit nicht verschlechtern (Verschlechterungsverbot).
2003 hat Italien die EU-Richtlinie übernommen. Demnach muss jede Region- bzw. jedes Land eine Gewässerschutzplan erlassen. Südtirol hat genau das jetzt getan. Der Gewässerschutzplan ist ein Teil des Wassernutzungsplans, der bereits im Juni 2017 verabschiedet wurde.
 
 
Nach langen Vorarbeiten hat die Landesregierung den Gewässerschutzplan Ende Dezember 2019 genehmigt. Der Entwurf wurde am 30. Jänner im Amtsblatt der Region Trentino-Südtirol veröffentlicht. Ab diesem Termin haben Bürger und Verbände 60 Tage Zeit, schriftlichen Stellungnahmen bei den Gemeinden oder der Landesagentur für Umwelt und Klimaschutz einzubringen. Weiterer 60 Tage bleiben danach den Gemeinden ihr Gutachten zu den erhaltenen Einwänden vorzubringen.
Anschließend befindet der Landesumweltbeirat darüber, bevor der Plan zur endgültigen Verabschiedung erneut in die Landesregierung gelangt. Der gesamte Entwurf des Gewässerschutzplans mit seinen sieben Bänden und Anlagen ist auf dem Internetportal des Landes Südtirol im Bereich Umwelt und Klimaschutz unter Gewässerschutzplan einsehbar.
 

Der Zorn der Bauern

 
Als der zuständige Landesrat Giuliano Vettorato an diesem Mittwoch den Entwurf im Palais Widmann vorstellte, bekam es der Lega-Politiker aber mit dem organisierten Zorn der Bauern zu tun. Der Bauernbund hatte mobilisiert und es sind an diesem Tag Dutzende Bauernbund-Vertreter zur Vorstellung gekommen, um ihren Ärger Luft zu machen. „Geballter Zorn auf Gewässerschutzplan“, assistiert das Tagblatt der Südtiroler (Bauern) und zitiert dabei nicht nur Rinners Putin-Sager, sondern auch noch die denkwürdigen Aussagen zweier weiterer Gegner. „Nach Napoleon und 2 Weltkriegen werden wir diese Typen aber auch noch überstehen“ meint der Laaser Roman Trenkwalder, Vertreter der Bauern  Und der Nalser Bürgermeister und Präsident des Beregungskonsortiums Ludwig Busetti bemüht einen Brexit-Vergleich: „Die Briten haben wegen der ständigen Überreglementierung die EU verlassen.
 
 
Die kriegerischen Töne haben einen einfachen Hintergrund: Der Bauernbund und die Bauern erklären, dass die Existenz der Bauern bedroht sei, wenn man nicht auf noch mehr Beregungswasser zurückgreifen kann. Vor allem aber sei der Bauernbund nicht in die Ausarbeitung dieses Wasserschutzplanes nicht eingebunden worden. Die Bauern seien deshalb überrumpelt worden.
 

Keine Vorzugsschiene

 
Genau das sehen aber andere Interessensvertreter völlig anders. Allen voran der Dachverband für Natur- und Umweltschutz und der Heimatpflegeverband.Nach der gestrigen Vorstellung des Gewässerschutzplanes versuchte der Bauernbund den Eindruck zu vermitteln, dass die Landwirtschaft mit diesem längst überfälligen Planungsinstrument überrumpelt worden sei“, heißt es in einer gemeinsamen Pressemitteilung.
Die Umweltschützer erinnern daran dass mit der Ausweisung der sensiblen Gewässerabschnitte im Rahmen des Landesgesetzes Nr. 2 von 2015 erste Schritte in Richtung Gewässerschutzplan unternommen wurden. Damals wie heute wurden und werden alle Interessensvertreter  in einem transparenten Beteiligungsprozess gleichwertig miteinbezogen. „Auch der Bauernbund“, schreibt Andreas Riedl, „von Ad-hoc-Entscheidungen und Überrumpelungen kann also gar keine Rede sein.“.
Noch deutlicher wird Markus Heiss, Präsident des Landesfischereiverbandes Südtirol: „Wir fordern Sachlichkeit und Transparenz anstatt geballter Zorn auf Gewässerschutzplan“.
Die allzu harsche Kritik des Südtiroler Bauernbundes zum Planentwurf ist für den Landesfischereiverband nicht nachvollziehbar. Man verstehe zwar die Nutzungsansprüche der Landwirte, besonders in Gegenden mit sehr kritischer Wasserversorgung. Gerade hier werde aber eine nachhaltige Landwirtschaft Wege zur Einsparung und Speicherung der zeitweise knappen Ressource finden müssen, anstatt die Gewässer zu überlasten. „Ich erinnere an den Sommer 2018, als es in einer Reihe von Fischgewässern zu Totalausleitungen gekommen ist. Dies gilt es für die Zukunft durch weitsichtige Planung zu vermeiden. Die Trockenlegung von Gewässern ist weder rechtlich noch moralisch zu rechtfertigen“, meint Heiss.
 
 
Noch deutlicher wird der Südtiroler Fischer-Chef aber zur Rolle des Bauernbundes:
 „Der Gewässerschutzplan unterliegt einer klaren Genehmigungsprozedur, welche gleichberechtigte Stellungnahme von Seiten Aller vorsehe. Jegliche vorherige Einflussnahme durch einzelne Interessensgruppe widerspricht den demokratischen Grundsätzen und ist nicht akzeptabel. Es erscheint nahezu befremdlich, dass Bauernbund-Direktor Rinner auf eben diese Vorab-Einflussnahme pochte. Fast so als wäre ihm nun richtigerweise ein Vorfahrtsrecht entsagt worden, welcher zu früheren Zeiten bestand“.
Klare Worte in einem bewusst getrübten Wasser.
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Andreas gugger Fr., 21.02.2020 - 17:59

An arroganz nicht zu übertreffen die aussagen und Standpunkte die Rinner auch im rai sender bozen von sich gegeben hat.

Fr., 21.02.2020 - 17:59 Permalink
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Karl Trojer Mo., 24.02.2020 - 11:29

Abgesehen von unterschiedlichen Standpunkten, geht es m.E. nur darum, langsfristig sicherzustellen, dass den Menschen und ihrer Umwelt ausreichend gesundes Wasser zur Verfügung steht. Wer dieser Notwendigkeit zuwiderhandelt, vergeht sich am Gemeinswohl.

Mo., 24.02.2020 - 11:29 Permalink