Kultur | Kunst

Das Erbe des Vulkans

Mit der Programmreihe Caldera greift BAU in einem Gewächshaus in Algund aktuelle Fragen auf – und bietet mit einem Pop-up-Restaurant ein fulminantes Geschmackserlebnis.
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Foto: Christian Debiasi
„Dieses Jahr versuchen wir, einen Ort zu transformieren und auch in Frage zu stellen“, erklärt Simone Mair von BAU. Gemeinsam mit Lisa Mazza kuratiert sie BAU, ein Institut für zeitgenössische Kunst und Ökologie. Das diesjährige Programm von BAU und Harry Thaler heißt Caldera und hat seinen Namen von einem längst vergessenen Vulkan. Caldera beherrschte vor 280 Millionen Jahren das Gebiet rund um Bozen bis nach Meran und stellt den Ursprung für die heutigen mediterranen klimatischen und geologischen Bedingungen und den fruchtbaren Boden im Etschtal dar.
Es ist ein temporärer Ort für Kunst und Pflanzen - Simone Mair
Die Fruchtbarkeit des Bodens ist ein wichtiger Bestandteil des Projekts, dessen Auftakt das Pop-up-Restaurant Caldera cooking bildet. Im Mittelpunkt steht dabei ein Gewächshaus in Algund, das 2003 eine Arbeitsgruppe mit der Absicht errichtet hat, den Energiebedarf des Gebäudes ausschließlich mit Erdwärme und Solarenergie abzudecken. Das geförderte Projekt wurde allerdings nicht vollständig ausgeführt. Damit wurde das Gewächshaus bisher nur während der warmen Monate des Jahres für Kräuteranbau genutzt.
 
 
Heute wächst in einer schmalen Reihe neben den Fenstern verschiedenes Gemüse. Das Gewächshaus wurde von dem Produktdesigner Harry Thaler neu gestaltet und mithilfe der Familie Siller, die Besitzer des Grundstücks, renoviert. „Es ist ein temporärer Ort für Kunst und Pflanzen“, sagt die Kuratorin Simone Mair. Neben dem Pop-up-Restaurant werden heute, am 3. Juli ab 17 Uhr, bei freiem Eintritt Pflanzenzeichnungen von Carmen Müller und Gabriela Oberkofler präsentiert. Auch ein Künstlergespräch mit Carmen Müller steht heute auf dem Programm.
 

Visionen manifestieren

 
Das Gewächshaus neben dem Kreisverkehr Richtung Vellau, das als Pilotprojekt entwickelt wurde, dient nun als Ort der Begegnung – und auch weiterhin zum Experimentieren. Denn das Pop-up-Restaurant muss ohne Herd und Kühlschrank auskommen, stattdessen kocht Marco Benetti auf einer Feuerschale im Garten. Der junge Koch arbeitet derzeit im Ottmanngut in Meran und schloss seine Ausbildung an der „Accademia di Ars Culinarie Cordon Bleu“ in Florenz ab. Für Caldera cooking hat er sich trotzdem Zeit genommen und verwöhnt gemeinsam mit Harry Thaler die Gäste, die sich am großen Holztisch im Gewächshaus versammelt haben.
Das Menü entwächst größtenteils aus den Pflanzen, die seit Februar im Gewächshaus gezüchtet wurden. Bei der Auswahl der restlichen Zutaten wurde auf Regionalität geachtet und mit lokalen Bäuer:innen wie dem Valentinhof und dem Genussgarten zusammengearbeitet. „Der Anbau verschiedener Pflanzen auf einem Feld verbessert die Qualität der Lebensmittel, sie schmecken besser und sind gesünder“, erklärt Marco Benetti. „Monokultur hingegen schadet dem Nährstoffgehalt der Böden.“
Es ist ein Experiment, das nicht wirtschaftlich sein muss und das andere Menschen sensibilisieren kann, wie eine Journalistin meinte - Harry Thaler
Die Vielfalt der Natur findet sich auf den Tellern der Gäste wieder und erfreut den Gaumen mit abwechslungsreichem Geschmack. Das schräge Glasdach bietet eine ungewohnte Perspektive und das plötzliche Aufflammen des Feuers beim Braten erhellt für wenige Augenblicke das schummrig beleuchtete Gewächshaus am Abend. Es entsteht ein Gefühl der Ursprünglichkeit.
„Großküchen von Restaurants verbrauchen sehr viel Strom, wir versuchen nur mit Feuer auszukommen“, sagt Harry Thaler. „Es ist ein Experiment, das nicht wirtschaftlich sein muss und das andere Menschen sensibilisieren kann, wie eine Journalistin meinte.“ Caldera setzt sich künstlerisch mit aktuellen Fragen auseinander, von der Erzeugung von Lebensmitteln bis hin zu erneuerbaren Energien wie Geothermie und Photovoltaik.
 
 
Das Gewächshaus in Algund ist dafür ein idealer Ort – nicht perfekt und dennoch voller Charme. Die noch fehlenden Pumpen für die Beförderung des Wassers aus 150 Metern Tiefe, das durch ein Rohrsystem das Gebäude im Winter wärmen und im Sommer kühlen soll, sind bestellt. Und auch die Solarpanelen auf dem Dach sollen wieder in Funktion gebracht werden. Die Programmreihe Caldera wurde mit der Unterstützung des Amtes für Kultur realisiert.