Wirtschaft | Lieferkettengesetz

Zwischen Verantwortung und Wettbewerb

Nach intensiven Verhandlungen haben sich die Mitgliedstaaten der Europäischen Union Mitte März auf ein neues Lieferkettengesetz geeinigt, das darauf abzielt, die Rechte von Arbeitnehmern in globalen Lieferketten zu stärken.
Lieferketten
Foto: Valdas Miskinis auf Pixabay
  • Das neue Gesetz verpflichtet Unternehmen in der EU, die Einhaltung von Menschenrechts- und Umweltstandards in ihren Lieferketten zu gewährleisten. Es zielt darauf ab sicherzustellen, dass Produkte, die aus Drittländern importiert werden, frei von Kinderarbeit und negativen Umweltauswirkungen sind. Dazu gehören Aspekte wie zum Beispiel Sklaverei, Entwaldung, übermäßiger Wasserverbrauch oder Schädigung von Ökosystemen. Das Gesetz soll dazu beitragen, eine gerechtere und nachhaltigere Welt zu schaffen. Obwohl der angenommene Gesetzesentwurf weniger streng ist als der ursprünglich geplante, hat er dennoch eine bedeutende Reichweite. 

  • Stefan Pan: Vize-Präsident von Business Europe sowie Delegierter der Confindustria für Europa Foto: Unternehmerverband Südtirol

    Stefan Pan, Vizepräsident von Business Europe und Delegierter der Confindustria für Europa, betont, dass der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt fest in der DNA europäischer Unternehmen verankert ist. Er weist jedoch auch darauf hin, dass die Umsetzung dieser Richtlinie mit einem erheblichen Verwaltungsaufwand verbunden ist und die europäischen Unternehmen schwächen könnte.

  • Mehr Bürokratie, weniger Wettbewerbsfähigkeit

    Gemäß dem Gesetz müssen EU-Unternehmen mit einer Belegschaft von über 1.000 Personen und einem Jahresumsatz von mindestens 450 Millionen Euro in Zukunft die menschenrechtlichen und umweltrelevanten Risiken entlang ihrer Wertschöpfungsketten identifizieren, vorbeugende Maßnahmen ergreifen sowie Korrekturmaßnahmen einleiten und über diese Vorgänge Bericht erstatten. Aber auch kleinere Betriebe sind davon betroffen, wie Stefan Pan erklärt: „Um sich entsprechend abzusichern, werden große Unternehmen, die den Pflichten der Lieferkettenrichtlinie unterliegen, auch von ihren kleineren Zulieferern verlangen, dass diese selbst alle vorgesehenen Kontrollpflichten umsetzen und ihnen diese gegebenenfalls direkt vorgeben.“

    Kritiker des Gesetzes bemängeln nicht nur den bürokratischen Aufwand, sondern auch die potenziellen Auswirkungen auf die Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Unternehmen. Pan warnt vor einem möglichen Wettbewerbsnachteil für europäische Firmen im Vergleich zu ihren Konkurrenten in den USA, China oder Indien, die nicht mit ähnlichen bürokratischen Anforderungen konfrontiert sind. Er befürchtet, dass dies dazu führen könnte, dass kleine Unternehmen bürokratisch erdrückt werden und große Unternehmen aus Europa abwandern. „Europa riskiert Wertschöpfung und hochqualifizierte Arbeitsplätze zu verlieren. Das Ziel der Richtlinie ist gut gemeint, aber schlecht getroffen. Daher ist die politische Dimension Europas so wichtig: Wir brauchen wieder ein agiles, wettbewerbsfähiges Europa, denn nur so werden wir es schaffen, unsere Standards zu weltweiten Standards zu machen.“

    Ende April 2024 muss der Rat der EU das Gesetz noch formell bestätigen. Danach ist die Zustimmung durch das Europäische Parlament erforderlich. Im Anschluss haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, um das Gesetz in nationales Recht umzusetzen. 

  • Warum ein europäisches Lieferkettengesetz?

    Im Mittelpunkt steht der Schutz der Menschenrechte und der Umwelt. Nach wie vor arbeiten Millionen von Menschen unter menschenunwürdigen Bedingungen: Kinderarbeit, Zwangsarbeit und Löhne unter dem Existenzminimum sind keine Seltenheit. Viele Arbeiter:innen sind lebensgefährlichen Sicherheitsrisiken ausgesetzt und tragen lebenslang die gesundheitlichen Folgen. Gleichzeitig erleidet die Umwelt schwerwiegende Schäden aufgrund von Verstößen entlang globaler Lieferketten.

  • Die Autorin

    Nach dem Uni-Abschluss in Wien startete Daniela Thaler ihre journalistische Reise bei Südtirol1/Radio Tirol. Von der Radiowelt wechselte sie anschließend zum Fernsehen und arbeitete für drei Jahre als Redakteurin bei SDF (Südtirol Digital Fernsehen). Seit 2023 ist Daniela als freie Journalistin, mit dem Fokus auf Reportagen und Fernsehbeiträge, für Rai Südtirol tätig. Thaler schreibt jetzt auch für SALTO. Zudem gestaltet sie einen Podcast.