Kunst | Satire & Parodie

„Ein bisschen, als wäre man Batman“

Anonymes Interview mit den Köpfen von „Benko che compra cose“, einer satirischen Facebook-Seite, der nun die Grundlage fehlt. Folgt die humoristische Bankrotterklärung?
Benko che compra cose
Foto: Benko che compra cose via Facebook/Screenshot
  • SALTO: Da Benko anscheinend keine „Dinge“ mehr kauft, bedeutet das das Aus für die Seite?

     

    A: Das haben wir uns auch gefragt. Denn als die Nachricht von der Bankrotterklärung öffentlich gemacht wurde, dachten wir, dass das vielleicht auch eine Art sein könnte es zu beenden. Benko kauft alles, um es an einem gewissen Punkt wieder zu verkaufen.

     

    B: Ja, wir hätten eine ganze Reihe von neuen Memes machen können, basierend darauf, was er verkauft. 

     

    A: Am Ende wussten wir aber nicht so recht, denn es gab eine gewisse Erschöpfung…

     

    B: Es gibt keine definitive Antwort. Es würde uns zwar gefallen, weiter zu machen, vielleicht müssen wir aber erst einen anderen Zugang finden.

     

    A: Es gab eine Zeit, als das Schema gut funktionierte, weil Benko scheinbar wirklich alles kaufte: Er kaufte in Gries ein und er kaufte das Chrysler Building. Die Seite war aus dieser Situation heraus im Scherz entstanden, weil es wirklich schien, als würde er alles kaufen. Für mich kann das Projekt auch einfach etwas sein, das eben so passiert ist: Eine Seite, die so bleibt, unabhängig davon, ob wir wieder Lust haben werden, etwas zu publizieren.

     

     „Es gab eine Zeit, als das Schema gut funktionierte, weil Benko scheinbar wirklich alles kaufte: Er kaufte in Gries ein und er kaufte das Chrysler Building. Die Seite war aus dieser Situation heraus im Scherz entstanden, weil es wirklich schien, als würde er alles kaufen.“

     

  • Benko che compra cose: Nach der alten Grieser Kellerei, wo nun die Wohneinheiten des sogenannten „Gries Village“ stehen, sollten noch weitere Großeinkäufe in der Provinz folgen und ironisch kommentiert werden. Foto: Benko che compra cose via Facebook

    Die Seite, 2015 ins Leben gerufen, gibt es nun schon eine ganze Weile. Memes sind als Format ein recht rigides, formulaisches. Hat sich das im Laufe der Jahre irgendwann auch erschöpft, oder gäbe es immer neue Möglichkeiten für weiteren Humor? 

     

    A: Ich finde schon, dass es sich ein wenig erschöpft hat. Die Seite gab es am Anfang auch nicht, um Konstanz zu erzielen. An einem gewissen Punkt haben wir es dann auch mit „Kompatscher che riapre tutto“, nach Corona, und mit „Fugatti che abbatte orsi“ versucht, weil wir das Gefühl hatten, die Seite auch anders nutzen zu können.

  • B: In den ersten fünf Jahren hatten wir wirklich die Gelegenheit, die Aktivität auf der Seite konstant zu halten…

     

    A: Ja, aber dann haben sich die Posts schleichend verändert, weil sich alles verändert hat. Bozen selbst hat sich verändert, weil Benko schon alles gekauft hat. Benko konnte nichts Neues mehr kaufen. Da haben wir noch keine einheitliche Linie, was das anbelangt.

     

     „Wenn ein privater Investor auf diese Weise aktiv werden kann, dann gibt es für mich ein Problem in der Stadt, wo das passiert, in der Stadtregierung. Ich habe das Gefühl, dass diese Stadt eine ist, der es an Visionen fehlt.“

     

  • Benko che compra cose: Eine Reihe von Bären-Memes rund um den Trentiner Landeshauptmann Fugatti gab es auf der Facebook-Seite im Sommer 2020. Foto: Benko che compra cose via Facebook

    Würde ich Sie beide nicht als Humorist:innen fragen, sondern als Privatpersonen, welche Meinung hätten Sie zu diesen massiven Investitionen in der Stadt?

     

    A: Ich verstehe, wie es zu diesen Dingen kommt. Wenn ein privater Investor auf diese Weise aktiv werden kann, dann gibt es für mich ein Problem in der Stadt, wo das passiert, in der Stadtregierung. Ich habe das Gefühl, dass diese Stadt (Bozen) eine ist, der es an Visionen fehlt.

  • Wenn also der erste Milliardär mit einer Vision für die Stadt daher kommt - für den Waltherpark, den Virgl und mehr - dann hat man sich in Abwesenheit anderer Visionen in diese Sache verliebt, die sehr einfach erscheint. Einer kommt und macht all das, was nicht gemacht wird.

    Ich kann das nachvollziehen, es ist aber auch gefährlich. Wenn etwas Derartiges passiert, dann wird es ab einem gewissen Punkt definitiv gefährlich.

     

    B: Auch ich bin generell kritisch gegenüber diesen Großinvestitionen, gegenüber Monopolen und gegenüber einem Mangel an Konkurrenz. Vielleicht ist das ein generelles Problem einer kleineren Stadt, dass es einfach an Konkurrenz fehlt. Oft gibt man sich dann zu schnell zufrieden. Ich bin nicht generell gegen Investitionen von Privatpersonen, die Gesellschaft hat sich immer auch dadurch weiterentwickelt, dass etwa von Privatpersonen Wohnraum geschaffen wird…

     

    A: Das Problem ist, dass auf einen Schlag ein Privatinvestor auf einmal, mit dem Virglprojekt, dem Waltherpark und in Gries zu viel Gewicht in einer Stadt erhält.

  • Benko che compra cose: Scheinbar ist Benko nicht mit jeder seiner Investitionen in der Region glücklich, zumindest wenn es nach den beiden Personen geht, die „Benko che compra cose“ erfunden haben. Foto: Benko che compra cose via Facebook

    War es immer schon die Idee, etwas zu schaffen, das gewissermaßen auf die Euregio und nicht nur auf Südtirol bezogen ist, oder wuchs das organisch? Benko ist ja aus Nordtirol und immer wieder wird auch ein Blick ins Trentino gewagt…

     

    A: Das geschah organisch. Für mich war das Problem anfangs, was hier in der Region ein häufiges ist, dass wir mit einem sehr italienischen Zielpublikum angefangen haben. Das ist hier immer schwierig: Wenn man ein Projekt in einer Sprache aufzieht, fällt sehr schnell eine andere Sprache weg. Auch ein satirischer Zuschnitt ist hier in der Region nicht einfach…

  •  „Vielleicht ist Benko paradoxerweise eine Figur, die alle zusammenbringt…“

     

    Gibt es auch beim Humor kulturelle Unterschiede?

     

    A: Ja, der Humor ist ein anderer, aber da sind auch die Grenzen, auch etwa zum Trentino hin. Das könnte für uns ein großes Becken sein, weil wir auch für Tirol einen anderen Humor wählen müssten, in einer anderen Sprache und vielleicht mit einem anderen Zuschnitt. Aber die Grenze zum Trentino darf man auch nicht unterschätzen: Wir leben hier in unserer Blase in der wir von der SVP, von Kompatscher und Co. sprechen. Auf der anderen Seite gibt es eine Welt, die wir kaum kennen. Wir kennen Fugatti, weil er der Trentiner Landeshauptmann ist. Viel wissen wir aber nicht. Dieser Humor funktionierte dann auch im Trentino gut, wenn die Pointe nichts mit dem Kontext zu tun hatte, etwa: „Benko compra Chiusa e la apre“. Das sind Dinge, die so dumm sind, dass sie für alle funktionieren.

     

    B: Als die Seite dann doch Anklang im Trentino fand, hat uns das ein wenig überrascht. In den ersten fünf Jahren hatte die Seite wirklich einen unglaublichen Zulauf, verglichen mit anderen Seiten.

     

    A: Vielleicht ist Benko paradoxerweise eine Figur, die alle zusammenbringt…

     

    Eine Person, die weder aus Südtirol, noch aus dem Trentino stammt…

     

    B: … Genau. Tendenziell funktioniert das gut, sich mit jemandem „anzulegen“, der von außerhalb stammt. 

  • Benko che compra cose: Satire für die ganze Euregio? Dass es auch Sprach- und Humorgrenzen gibt, heißt nicht, dass man seine Pointen nicht oft auch im Trentino oder in Österreich und darüber hinaus findet. Foto: Benko che compra cose via Facebook

    Wie haben Sie diese anonyme, lokale Bekanntheit erlebt?

     

    B: Mehr als einmal ist es mir passiert, dass ich etwa beim Imbiss Kampill eine Kleinigkeit essen wollte und am Nebentisch über „Benko che compra cose“ gesprochen wurde. Zu diesem Zeitpunkt wurde uns klar, dass wir mit dem Projekt ein etwas größeres Publikum ansprechen könnten.

  • A: Unsere Absicht war es aber nicht, damit „berühmt“ zu werden, auch wenn einmal aufkam, wer wir wirklich sind. Ein Freund weiß davon und erzählt es weiter. Manchmal hat man aber schon diesen Wunsch in sich, wenn davon gesprochen wird, zu erwähnen, dass man hinter dem Projekt steht. Es war aber auch schön, dass die Menschen nicht wussten, wer wir sind. Das ist ein bisschen, als wäre man Batman.

     

    B: Ganz zu Beginn haben wir über eine Seite diskutiert, die all diese Meme-Seiten verbinden sollte, auch wenn Facebook aus dem Blickpunkt eines sozialen Netzwerks nun bereits passé ist. Wir haben uns dann entschlossen, eine Seite über Benko zu machen, der Dinge kauft. A hat sich dabei immer um den graphischen Teil gekümmert. Jetzt schauen wir, ob wir weitermachen oder nicht. 

     

    „Mehr als einmal ist es mir passiert, dass ich etwa beim Imbiss Kampill eine Kleinigkeit essen wollte und am Nebentisch über „Benko che compra cose“ gesprochen wurde.“ 

  • Benko che compra cose: Häufig greift die Seite auch gewisse Redewendungen aus den Medien auf. Als in der Pandemie viel vom „Alleingang Südtirols“ die Rede war, beschloss man, ein großes „politisches“ Tabu zu brechen: Was gehört in eine Carbonara? Foto: Benko che compra cose via Facebook

    Es gibt ja gar einige Seiten, wie die amerikanische „Onion“ oder den deutschen „Postillion“, die Satire betreiben, aber selten auch als Nachrichten missverstanden werden. Ist euch einmal etwas Ähnliches passiert?

     

    A: Ja, das ist auch ein wenig traurig. Es gab Personen auf Facebook, die uns geschrieben und sich an Benko gerichtet haben und um Hilfe baten. Eine Frau etwa bat darum, ihr Hotel in Meran zu kaufen. Andere suchten einen Arbeitsplatz. Es war auch schwierig zu wissen, wie damit umzugehen sei. Auf der einen Seite war da der Reflex darauf, mit Humor zu antworten. Wie kann jemand eine Seite voller Memes, von „Benko che compra cose“ ernst nehmen und glauben, das sei Benko. Für mich waren da auch Menschen dabei, die das nicht ganz ernst nahmen. Interessant war auch, dass uns Menschen Pointen zuschickten.

  • B: Genau, das ist interessant. Auch durch die Einfachheit der Form, die wir gewählt hatten entstand eine Art „satirischer Aktivismus“: Leserinnen und Leser der Seite lieferten uns die Pointen. Das ist nicht zu unterschätzen, denn das heißt, dass es eine Wirkung hat. 

     

    A: …oder hier: „Nel parco Monte Corno (Trudener Horn, Anm. d. Red.) ci sarebbe un albergo da acquistare. Un paese idilliaco, lo venga a vedere“, an Benko adressiert. Oder hier: „Möchtest du ein Einkaufszentrum bauen?“ 

     

    War das vor oder nachdem der Bau des Waltherparks begann?

     

    A: Das war 2016. Es gibt noch weitere, in denen etwa eine Mutter nach einem Arbeitsplatz für ihren Sohn fragte. Als wir antworteten, dass es uns leid tue und wir nicht Benko seien, fragte sie uns dann, warum wir das Foto Benkos verwenden. Das ist absurd.

     

    „Nel parco Monte Corno ci sarebbe un albergo da acquistare. Un paese idilliaco, lo venga a vedere“

     

  • Benko che compra cose: Bedeutet der große „Ausverkauf“ Benkos, dass auch der Seite das Humorpotential ausgeht? Zuletzt hat man Ende des Vorjahres auf die Entwicklung der Nachrichtenlage reagiert. Foto: Benko che compra cose via Facebook

    Ist eine Seite mit 5000 Abonnentinnen und Abonnenten aus der Warte Benkos noch unsichtbar, oder kam es auch da zu Kontakt?

     

    A: Wir haben uns auch gefragt, ob wir zu den aktivsten Zeiten der Seite in gewisser Weise Werbung machen für ihn. Man macht Satire und alle sprachen zu dieser Zeit von den Dingen, die Benko kaufte. Ob er es aber gesehen hat, weiß ich nicht.

  • B: Er vielleicht nicht, aber Menschen in seinem Umfeld haben die Seite sicher gesehen. 

     

    Hat Euch dieses Nebenprojekt etwas für euren jeweiligen Beruf mitgeben können, oder hattet Ihr einfach euren Spaß, was ja auch ausreichend sein kann…

     

    A: Ich mache nach wie vor Dinge dieser Art, auf anderen Seiten. Da gibt es immer etwas zu parodieren.

     

    B: Gebracht hat mir das nichts. Uns gefällt dieser einfache Humor, das Absurde. Aber mehr als dass ich mit A dadurch täglich zu tun hatte, hat es mir nichts gebracht.