Kultur | Bibliophile Fragen

„Und nein, ich sage das nicht deshalb“

Joanna Voss ist Geschäftsführerin der Südtiroler Autorinnen- und Autorenvereinigung (SAAV). Was sie gerne liest und las (und was nicht) hat sie SALTO verraten.
Foto
Foto: Privat
  • SALTO: Welches Buch hat Sie in Ihrer Kindheit nachhaltiger geprägt, als Sie damals je geglaubt hätten?

    Joanna Voss: Als gefühlt größter Astrid Lindgren-Fan aller Zeiten bin ich immer noch sicher, dass ich irgendwann in einem gemütlich-kargen Zimmer mit buntem Flickenteppich wohnen werde. Außerdem streife ich dann mit verzottelten Haaren im Wald herum, springe über den Höllenschlund und ärgere Wilddruden. Danach faulenze ich und überhaupt pfeife ich drauf, was andere Leute sagen oder denken könnten. Irgendwann, irgendwo! 
    [Auflösung: Wir Kinder von Bullerbü, Ronja Räubertochter, Pippi Langstrumpf...]

    Welcher letzte Satz eines Romans ist und bleibt für Sie ganz großes Kopfkino?

    „Und sie schrie, gellend wie ein Vogel, es war ein Jubelschrei, den man weithin über den Wald hörte.“ Dreimal dürfen Sie raten, welches wunderbare Buch er beschließt. Wunderbar übrigens auch der erste Satz desselben wunderbaren Buchs: „In der Nacht, als Ronja geboren wurde, rollte der Donner über die Berge.“ Welch Verheißung!
     

    Was ist ein E-Book-Reader?


    Reinem ist doof, Schleimen ist noch doofer… Auf welches – anscheinend gute – Buch konnten Sie sich nie wirklich einen Reim machen?

    Zuletzt Der Kaninchenstall von Tess Gunty, hochgelobt allerorten. Fulminanter Einstieg, wirkte dann aber mit jeder Seite mehr wie eine Übung aus dem Seminar „Kreatives Schreiben“. Sehen aber ganz viele Leute anders!

  • Frischer Wind: Schnappschuss mit Joanna Voss von der gestrigen "SAAV WillkommenSerata" bei den Bücherwelten, wo sich die neuen SAAV-Mitglieder (Georg Aichner, Martha Fuchs, Helga Gorfer, Laurenz Koler, Irene Moroder, Patrizia Raffeiner und Christine Wagner) literarisch vorstellten. Foto: Michael Denzer

    Ein Fall für Commissario Vernatschio. Wie erklären Sie einem Außerirdischen die geheimnisvolle Banalität von Lokalkrimis?

    Lokalkrimis sind Sehnsuchtsgeschichten für Menschen, die in Frankfurt-Höchst wohnen, aber von Meran träumen – oder umgekehrt (seltener). Sie ermöglichen eine Kopfreise ins geliebte und gelobte Urlaubsland und wohltuende „Ach, ich weiß genau, wo diese Szene spielt!“-Momente. Eine lesbare Wellness-Behandlung. 
    (Vermeintliche) Banalität, liebe:r Außerirdische:r, ist übrigens als Zuschreibung für Bücher ganz und gar nutzlos. Glaub mir.

    Gewichtig! Welchen Buch-Tipps schenken Sie noch uneingeschränkt Vertrauen?

    Den Tipps von Lektor:innen wie Mona Lang oder Buchhändlerinnen wie Maria Christina Piwowarski. (Ausnahme: Siehe Reim-Frage vorher)
     

    Die Diskrepanz zwischen den vermeintlich schlichten Worten und den Abgründen, die darunter oder dahinter lauern, schmerzt so sehr.

  • Was für ein  Fehlschlag! Welches Buch würden Sie auf einer einsamen Insel zurücklassen?

    Fehlschlag würde ich nie sagen, es gab nur einfach kein „Match“ zwischen dem Buch und mir: Ingrid Nolls Tea Time war eines der wenigen Bücher, das ich nicht zu Ende gelesen habe.

    Das Rauschen des Blätterns. Welches Buch würden Sie auf keinen Fall am E-Book-Reader lesen?

    Ich lese überhaupt nichts am E-Book-Reader. Was ist ein E-Book-Reader?

    Was war Ihr erstes Buch eines Autors oder einer Autorin aus Südtirol?

    Das war Joseph Zoderers Die Walsche. Ich war nach einem Jahr Mailand 2003 für einen Sommer in Südtirol und fand das mit dem Italienischen und Deutschen als „Bundesdeutsche“ natürlich total faszinierend. Wusste damals unglaublich wenig über Südtirol und habe den Sommer damit verbracht, das lesend ändern zu wollen. Rund 20 Jahre später bin ich immer noch damit beschäftigt. Eine Lebensaufgabe.

    Und welches Buch zu oder aus Südtirol hat Sie komplett umgehauen?

    Erst kürzlich: Ein Hund kam in die Küche von Sepp Mall. Umgehauen im wahrsten Sinne des Wortes: Ich musste die Lesung verlassen und nach Hause gehen. Eine Premiere. Die Diskrepanz zwischen den vermeintlich schlichten Worten und den Abgründen, die darunter oder dahinter lauern, schmerzt so sehr. Ganz große Kunst in meinen Augen. Und ja, Sepp Mall ist SAAV-Mitglied. Und nein, ich sage das nicht deshalb.

  • Mehr zur WillkommenSerata im Waltherhaus in einem ausführlichen Bericht von Michael Denzer am Montag (12.2.) auf SALTO.